AG Berlin-Mitte: Onlinehändler hat Anspruch auf Wertersatz, wenn Ware „mit Gebrauchsspuren“ zurückgeschickt wird

veröffentlicht am 10. Januar 2010

AG Berlin-Mitte, Urteil vom 05.01.2010, Az. 5 C 7/09
§§ 346 Abs. 1, 312 d Abs. 1, 355, 357 Abs. 1 BGB

Das AG Berlin-Mitte hat entschieden, dass Kratzer auf dem Gehäusedeckel eines Gerätes, welches ordnungsgemäß verpackt übersandt wurde (Verpackung in Folientüte, gesonderte Verpackung des Zubehörs) den Onlinehändler, vorliegend gemäß § 357 Abs. 3 BGB in Verbindung mit der Widerrufsbelehrung des Onlinehändlers (§ 7 AGB) in Verbindung mit § 389 BGB, zur Geltendmachung von Wertersatz berechtigten, mit dem er gegen den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aufrechnen kann. Der Wertersatz umfasste im vorliegenden Fall die Kosten, die für die Ersatzbeschaffung für den Gehäusedeckel anfielen (55,00 EUR).

Die Voraussetzungen für den Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB hätten vorgelegen, zumal dem Kläger eine den Anforderungen der Anlage 2 zu Art 246 § 2 Abs. 3 Satz 1 EGBGB ausreichende Belehrung aufgrund des Inhalts von § 7 der AGB der Beklagten erteilt worden sei. Die Belehrung enthalte insbesondere den inhaltlich ausreichenden Hinweis darauf, dass ein Wertersatz dann nicht zu leisten ist, „wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist“ und im übrigen die Wertersatzpflicht dadurch vermieden werden kann, indem die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch genommen wird und alles unterlassen wird, was deren Wert beeinträchtigt.

Die gesetzliche Regelung des § 357 Abs. 3 BGB sei auch in Anbetracht des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz und der hierzu ergangenen Entscheidung des EuGH vom 03.09.2009 – C – 489/07 (Link: EuGH) als wirksam anzusehen, wobei die in § 357 Abs. 3 BGB enthaltene Ausnahmeregelung im Lichte dieser Entscheidung dahingehend auszulegen sei, dass der Begriff der Prüfung der Ware auch ein Ausprobieren der Ware einschließt, (vgl. hierzu die Anmerkungen von Lapp vom 25.09.2009 zu der vorgenannten Entscheidung des EuGH, juris Praxisreport aus der juris-Datenbank). Nach Auffassung des EuGH stündender zitierten Richtlinie eine gesetzliche Bestimmung über die Verpflichtung zum Wertersatz des Verbrauchers nicht entgegen, nach der für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten sei, wenn der Verbraucher diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt habe, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werde, was durch das nationale Gericht zu beurteilen sein solle.

Vorliegend, so das Amtsgericht, rechtfertigten Art und Umfang der vorhandenen Gebrauchsspuren die Annahme, dass es sich in Anbetracht der Grundsätze von Treu und Glauben vorliegend nicht lediglich um Gebrauchsspuren gehandelt habe, (ohne dass hierdurch die Grenze zur fahrlässig pflichtwidrigen Beschädigung des Geräts überschritten worden seien), die bei einer Prüfung und beim Ausprobieren der Ware zwangsläufig entstünden, indem das Gerät vorsichtig und mit größtmöglicher Sorgfalt ausgepackt, in die Hand genommen und aufgestellt werden müsse, sowie die notwendigen Kabel zur Inbetriebnahme angeschlossen und die Fernbedienung beziehungsweise die zur Bedienung notwendigen Schalter am Gerät zum Testen sämtlicher Leistungsmerkmale benutzt werden müssten.

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