AG Bremen: Forderungen aus Verträgen über Telefondienstleistungen dürfen nicht an Inkassounternehmen abgetreten werden

veröffentlicht am 12. Dezember 2011

AG Bremen, Urteil vom 20.10.2011, Az. 9 C 0430/11
§ 134 BGB, § 206 Abs. 1 StGB, § 88 TKG

Das AG Bremen hat entschieden, dass die Abtretung von  Zahlungsforderungen aus Telefondienstleistungen an ein Inkassounternehmen nichtig ist, wenn das Inkassounternehmen ungeschwärzte Einzelverbindungsnachweise erhält. Im vorliegenden Fall habe der Betreiber mit der Abtretung an die Klägerin, ein Inkassounternehmen, gegen § 88 Abs. 3 S. 2 TKG verstoßen, denn sie habe ihre dem Fernmeldegeheimnis unterliegenden Kenntnisse über das Telekommunikationsverhältnis mit dem Anschlussinhaber für einen anderen Zweck als die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme verwendet. Das Amtsgericht setzte sich ausführlich mit den hier nicht zur Anwendung kommenden telekommunikationsrechtlichen Erlaubnistatbeständen für die Übermittlung der Daten an Dritte auseinander. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Bremen

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat das Amtsgericht Bremen auf die mündliche Verhandlung vom 29.9.2011 durch … für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gem. § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin ist nicht aktivlegitimiert.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche aus abgetretenem Recht zu, wobei dahinstehen kann, ob es zwischen der Beklagten und der … AG tatsächlich zum Abschluss von Auskunftsdienstverträgen bzw. zur Leistung von Mehrwertdiensten gekommen ist.

Der zwischen der … AG und der Klägerin in § 3 des Vertrages vom 05./06.03.2001 (Bl. 57 d.A.) geregelte Abtretungsvertrag (§ 398 BGB) ist wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis gemäß § 134 BGB i.V.m. § 206 Abs. 1 StGB i.V.m. § 88 TKG nichtig (so auch: Palandt-Ellenberger, 69. A., § 134, Rn. 22a).

Insofern muss nicht entschieden werden, ob die – zukünftigen Ansprüche betreffende – Abtretungserklärung nach § 3 des Vertrages i.V.m. § 1 der Anlage zum vertrag auch unter dem Gesichtspunkt der auflösenden Bedingung gemäß § 7 der Anlage hinreichend bestimmt ist.

Das Fernmeldegeheimnis umfasst die näheren Umstände der Kommunikation, insbesondere ob, wann und zwischen welchen Personen ein Fernmeldeverkehr stattgefunden hat.

Die Klägerin erhielt von der Zedentin ungeschwächte Einzelverbindungsnachweise, aus denen sich ergeben soll, wann die Beklagte welche Rufnummern angerufen habe. Insofern liegt ein Verstoß gegen das speziell geregelte Fernmeldegeheimnis vor. Dieser wird durch die allgemeine Auskunftspflicht nach § 402 BGB nicht gerechtfertigt.

§ 97 Abs. 1 S. 3 TKG stellt nach Ansicht des erkennenden Gerichts keinen Erlaubnistatbestand zur Übermittlung der Daten an den Zessionar dar (a.A: LG Deggendorf, Urteil vom 26.5.2011, AZ: 13 S 141/10 unter Berufung auf eine im Palandt-Kommentar fehlerhaft zitierte Entscheidung des OLG München (s.u.); AG Bremen, Urteil vom 23.11.2010, AZ 4 C 237/10-JURIS).

§ 97 Abs. 1 S. 3 TKG bezieht sich nach seinem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf solche Verträge, die der Dienstleister mit einem Dritten „zum Einzug des Entgelts“, also zur Geltendmachung eigener Forderungen, abschließt und nicht auf Verträge, durch welche die Forderung abgetreten werden (AG Hamburg-Altona, Urteil vom 08.08.2006, AZ: 316 C 59/06, CR 2007, 238-JURIS). Durch Neufassung des § 97 Abs. 1 S. 3 TKG wurde der Forderungseinzug für Dienstanbieter nicht erleichtert; denn die Vorschrift hat den gleichen Wortlaut wie die Vorläufernorm nach § 7 Abs. 1 TDSV. Zu dieser Norm führte der Verordnungsgeber aus, dass durch die Vorschrift kein eigenständiges Recht für den Dienstanbieter begründet werden sollte, die Forderung an ein Inkassounternehmen abzutreten mit der Folge, dass dieses die Forderung gegenüber dem Kunden als eigne Forderung geltend machen kann. Vom Willen des Verordnungsgebers war somit die Ermöglichung der Abtretbarkeit von Forderungen ohne Zustimmung des jeweiligen Kunden nicht umfasst (AG Hamburg-Altona, a.a.O. m.w.N.).

Eine analoge Anwendung des Erlaubnistatbestands nach § 97 Abs. 1 S. 3 TKG scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. Sofern man die Abtretung für zulässig erachtete, könnten Ansprüche aus einem Telekommunikationsvertrag, inklusive der insofern bedeutsamen Daten, beliebig oft an Dritte abgetreten werden. Die unter Umständen sensiblen Kundendaten würden also einer theoretisch unbegrenzten Vielzahl von Unternehmen in die Hände gespielt. Anders liegt der Fall beim Einzug des Entgelts durch einen Dritten. Hier bleibt der – Fond en staatlichen Behörden kontrollierbare – Anbieter der Telekommunikationsdienstleistung Forderungsinhaber; die Daten werden lediglich an ein weiteres und weisungspflichtiges Unternehmen und nur, „soweit es zum Einzug des Entgelts und der Erstellung einer detaillierten Rechnung erforderlich ist“ weitergegeben. Einer unkontrollierten Datenweitergabe sind somit klare Grenzen gesteckt.

Der Datenschutz genießt den besonderen Schutz nach Art. 10 Abs. 1 GG. Insofern ist eine restriktive, sich streng am Wortlaut der Norm orientierende, Auslegung des § 97 Abs. 1 S. 3 TKG von Verfassungswegen geboten.

Letztendlich geht es beim Factoring lediglich um die wirtschaftliche (Reste)Verwertung einer schwer eintreibbaren bzw. vollstreckbaren Forderung. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Wahrung des Fernmeldegeheimnisses ist insofern eine Datenweitergabe an Dritte im Wege der Abtretung niemals „erforderlich“. Dem Anbieter bleibt es unbenommen, seine Rechte selbst einzuklagen.

Im vorliegenden Fall wurden der Klägerin die einzelnen Verbindungsdaten vollständig übermittelt. bereits aus diesem Grunde ist die Abtretung unwirksam (so: OLG München, Urteil vom 19.11.1997, AZ 7 U 2511/97, NJW-RR 1998-758-JURIS (im Palandt, a.a.O. fehlerhaft als a.A. kommentiert; vgl. auch LG Frankfurt, Urteil vom 14.12.2011, AZ 6 (b) S 76/01-JURIS für anders gelagerten Sachverhalt: vertraglicher Ausschluss der Übermittlung der Verbindungsdaten entgegen § 402 BGB).

Aufgrund der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung war die Zulassung der Berufung nicht geboten.

Die Kostenentscheidung beruft auf § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Das Urteil erwirkt hat RA Stefan Lutz (hier).

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