AG Düsseldorf: Aufatmen für Filesharing-Abgemahnte? – Es könnte auch jemand anderes gewesen sein…

veröffentlicht am 14. Februar 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtAG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013, Az. 57 C 3144/13
§ 97 Abs. 1 UrhG, § 97 Abs. 2 UrhG

Das AG Düsseldorf hat entschieden, dass es bei Schadensersatz-Klagen wegen Filesharings aus Sicht des Anschlussinhabers ausreichend ist, eine Mitnutzung durch weitere Personen darzulegen, um die eigene Haftung als Täter zu widerlegen. Die Beweislast, dass trotzdem der Anschlussinhaber selbst Täter einer Urheberrechtsverletzung sei, liege dann bei der Klägerin. Eine Haftung als Störer komme ebenfalls dann nicht in Betracht, wenn volljährige Mitnutzer des Anschlusses vorhanden seien, da diesen gegenüber keine anlasslosen Prüf- und Überwachungspflichten bestehen. Fazit: Für Abgemahnte, die in Düsseldorf verklagt werden, ist es jedenfalls von Vorteil, wenn sie ihren Internetanschluss nicht allein nutzen. Auf Grund der Änderung des Urhebergesetzes dürfte diese Rechtsprechung zunächst den im Einzugsbereich des AG Düsseldorf Ansässigen zu Gute kommen, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass andere Gerichte sich dieser Argumentation zukünftig anschließen. Zum Volltext der Entscheidung:


Amtsgericht Düsseldorf

Urteil

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin gestattet das Gericht, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin gehört zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Unter der zu diesem Zeitpunkt dem Beklagten zugeordneten IP-Adresse ###### kam es am 10.08.2009 um 22:02 Uhr zu einer Nutzung einer auf dem BitTorrent-Protokoll beruhenden Filesharingsoftware, wobei das Musikdoppelalbum „N“, bestehend aus 24 Einzeltiteln, von der Musikgruppe „T“ zum Upload zur Verfügung gestellt worden ist. Weiter stand oben genanntes Musikalbum am 05.08.2009 um 03:36 Uhr, am 06.08.2009 um 06:20 Uhr und am 07.08.2009 um 05:20 Uhr unter einer zum Internetanschluss des Beklagten gehörenden IP-Adresse zum Upload zur Verfügung.

Nach Ermittlung der IP-Adresse sandte die Klägerin an den Beklagten unter Angabe der konkreten vom Filesharing umfassten Werke ein Abmahnschreiben vom 21.10.2009, mit dem sie ihn aufforderte es zu unterlassen, geschütztes Musikrepertoire der Klägerin im Internet verfügbar zu machen. Für die Einzelheiten wird auf Anlage K1 der Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen an sie angemessenen Schadenersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie in Höhe von 2‘500 Euro zu zahlen sowie weitere 1‘379, 80 Euro Kosten der Abmahnung nach einem Streitwert von 50‘000 Euro.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt ergänzend vor,

neben dem Beklagten werde der Internetanschluss durch die Ehefrau und die 1987 und 1989 geborenen Söhne des Beklagten genutzt. Die beiden Söhne verfügten dabei über einen eigenen Computer. Zudem seien zu den Tatzeitpunkten die beiden ebenfalls volljährigen Töchter zu Besuch gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1.
Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf ist noch gegeben. Der fliegende Gerichtsstand in Urheberrechtssachen ist in der Rechtsprechung anerkannt und folgt daraus, dass im Internet begangene Rechtsverletzungen von jedem Ort aus bestimmungsgemäß abrufbar sind und daher der Gerichtsstand aus § 32 ZPO überall gegeben ist. Auch aus § 104a UrhG, der wegen § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO hier keine Anwendung findet, ergibt sich, dass außerhalb des privaten Bereiches der fliegende Gerichtsstand weiter vom Gesetzgeber anerkannt wird. Auch bereits vor Inkrafttreten des § 104a UrhG ergeben sich jedoch für den Fall einer nicht im geschäftlichen Bereich handelnden Beklagtenpartei zunehmende Zweifel an der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 32 ZPO. Jedoch ist § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog auch auf die tatsächlichen Grundlagen dieser Zweifel anzuwenden (vgl. für eine Rechtsprechungsänderung BGH NJW 1978, 949). Somit verbleibt es bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf, wenn die tatsächlichen Grundlagen dieser Zweifel erst nach Rechtshängigkeit entstanden sind. Dies ist hier der Fall, denn die Zweifel beruhen auf den Folgen der Morpheus-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2013, 1441), insbesondere die sich hieraus entwickelnde Praxis der Rechteinhaber, den Internetanschluss mitnutzende Personen als Zeugen dafür anzubieten, dass sie selbst kein Filesharing getätigt haben, somit nur der Anschlussinhaber in Betracht kommen kann sowie dafür, dass eine bei noch nicht 18 Jahre alten Mitnutzern etwaig erforderliche Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt sein soll. Diese Zeugen, die wegen der Bedeutung ihrer Aussage für die Entscheidung in vielen Fällen nicht im Rechtshilfeweg vernommen werden können, haben regelmäßig ihren Wohnsitz am Beklagten. Die weiten Anreisen häufig schulpflichtiger oder studierender Zeugen zu einem entfernten Gerichtsstandort erscheinen unzumutbar, wenn kein Interesse der Klägerseite am gewählten Gerichtsstandort erkennbar ist, insbesondere auch die Klägerseite dort nicht ihren Sitz hat und dort nicht anwaltlich vertreten ist. Weiter ergeben sich Bedenken gegen die Anwendung des § 32 ZPO auf Urheberrechtsverletzungen im privaten Bereich, weil der Gesetzgeber mit Einführung der Bundesratsstellungnahme zum Gesetzentwurf des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 23.04.2013 erkennen lässt, dass die Anwendung des fliegenden Gerichtsstand auf Privatpersonen als unseriös betrachtet wird. Gesetzgeberische Überlegungen im Entwurfsstadium können bereits bei der Auslegung bestehender Vorschriften berücksichtigt werden. Im Zeitpunkt des Eingangs dieses Verfahrens beim Streitgericht, nämlich am 04.03.2013, ließen sich weder die Folgen der Morpheus-Entscheidung bereits überblicken, noch war ein Entwurf des jetzt gültigen § 104a UrhG eingeführt, so dass es gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf gemäß § 32 ZPO zu verbleiben hat.

2.
Die Klage ist unbegründet.

Eine täterschaftliche Haftung des Beklagten aus § 97 Abs. 2 UrhG ist nicht gegeben, weil nicht bewiesen ist, dass der Beklagte das Filesharing betrieben hat. Ebenso kommt mangels Störereigenschaft die Störerhaftung aus § 97 Abs. 1 UrhG nicht in Betracht.

(a)
Nach obergerichtlicher Rechtsprechung soll eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass der Anschlussinhaber für eine von seinem Anschluss ausgehende Rechtsverletzung verantwortlich ist, woraus sich eine sekundäre Darlegungslast ergeben soll, wenn geltend gemacht wird, eine andere Person sei für die Rechtsverletzung verantwortlich (BGH NJW 2010, 2061 Rn. 12). Insbesondere soll die tatsächliche Vermutung dann entkräftet sein, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter ohne Mitwirkung des Anschlussinhabers den Internetzugang für die Rechtsverletzung genutzt hat. In diesem Fall soll der Kläger Umstände, die die Täterschaft des Anschlussinhabers begründen, in vollem Fall darzulegen und zu beweisen haben (BGH NJW 2013, 1441 Rn. 34f).

Bei einer gesetzlichen Vermutung genügt es, lediglich die die Vermutung begründenden Tatsachen vorzutragen, nicht aber die vom Gesetz vermutete Tatsache selbst. Die gesetzliche Vermutung führt dann dazu, dass der Gegner nach § 292 S.1 ZPO den vollen Gegenbeweis dafür zu führen hat, dass die vermutete Tatsache nicht eingetreten ist (MüKo-Prütting ZPO § 292 Rn. 23ff.). Hingegen findet § 292 ZPO auf tatsächliche Vermutungen, die lediglich auf einem Erfahrungssatz beruhen, nach obergerichtlicher Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung der Literatur keine Anwendung. Vielmehr wird den tatsächlichen Vermutungen lediglich eine Bedeutung bei der Beweiswürdigung zugemessen, die einen Anscheins- oder Indizienbeweis für die behauptete Tatsachen begründen können (BGH NJW 2010, 363 Rn. 15 mwN). Dabei kommt die tatsächliche Vermutung so lange zur Anwendung, bis ihre Grundlagen im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert sind, die die Partei, zu deren Lasten die tatsächliche Vermutung wirkt, darzulegen und zu beweisen hat (BGH NJW 2001, 1127 (1129)). Eine so verstandene tatsächliche Vermutung führt also gerade nicht nur zu einer sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers (so aber BGH NJW 2010, 2061 Rn. 12), sondern vielmehr dazu, dass ihn im Streitfall auch die Beweislast dafür trifft, dass die ernsthafte Möglichkeit der Alleintäterschaft eines Dritten bestand. Indes würde selbst die Annahme einer derartigen tatsächlichen Vermutung nicht dazu führen, dass der Anschlussinhaber beweisen müsste, dass eine andere Person mit überwiegender oder gar an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt. Grundlage der tatsächlichen Vermutung ist nämlich lediglich die Annahme, dass der Anschlussinhaber die bewusste Tatherrschaft über sämtliche Internetzugriffe ausübt, die über seinen Anschluss stattfinden(LG München I MMR 2013, 396). Diese Grundlage ist bereits dann erschüttert, wenn dargelegt und bewiesen ist, dass andere Personen im Tatzeitraum selbstständig den Internetanschluss genutzt haben.

Indes ist allerdings nicht davon auszugehen, dass der Bundesgerichtshof in seinen neueren urheberrechtlichen Entscheidungen den Begriff der tatsächlichen Vermutung im oben geschilderten technischen Sinn verstanden haben wollte, weil die bloße Anknüpfung einer sekundären Darlegungslast und nicht auch der Beweislast hierzu nicht passt (Solmecke MMR 2013, 217 (218)). Hierfür spricht auch, dass es an einer ausreichenden Grundlage für eine echte tatsächliche Vermutung fehlt. Es scheint schon zweifelhaft, ob es im Hinblick auf die mit der Ähnlichkeit zum Begriff der gesetzlichen Vermutung drohenden Missverständnisse der gesonderten Kategorie der tatsächlichen Vermutung bedarf, da sie von ihren Folgen für die Beweiswürdigung dem Anscheinsbeweis nahekommt (MüKo-Prütting ZPO § 292 Rn. 28). Zur Wahrung der rechtsstaatlichen Beweislastverteilung ist jedenfalls sicherzustellen, dass die tatsächliche Vermutung wie auch der Anscheinsbeweis nur begründet werden darf, wenn ein entsprechender Erfahrungssatz für die Richtigkeit der von ihr getroffenen Annahme besteht. Dabei ist zu verlangen, dass eine objektive Fundierung dadurch gewährleistet ist, dass der anzuwendende Erfahrungssatz in seinem Wahrscheinlichkeitswert ausreichend gesichert ist (Musielak JA 2010, 561 (565)). An die objektive Fundierung ist dabei ein hoher Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass Anscheinsbeweis oder tatsächliche Vermutung Einfallstor für empirisch nicht gesicherte Vorurteile werden oder die Konstruktionen dafür benutzt werden, ohne ausreichende Erfahrungsgrundlage den Kläger aus einer Beweisnot zu verhelfen, die ihre Ursache in der Beweislastverteilung eines rechtsstaatlichen Zivilprozesses hat.

Einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Anschlussinhaber seinen Internetzugang in erster Linie nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert, gibt es entgegen LG München I MMR 2013, 396 nicht (die zitierte Entscheidung des LG München I ist zudem deswegen inkonsequent, weil sie einerseits von einem Erfahrungssatz wie bei einem Anscheinsbeweis ausgeht, andererseits aber dem Anschlussinhaber lediglich die Darlegungslast, nicht aber die Beweislast, für einen atypischen Lebenssachverhalt auferlegt) . Vielmehr streitet die alltägliche Erfahrung für das Gegenteil. Dies gilt in jedem Fall, wenn der Internetanschluss sich in einem Mehrpersonenhaushalt befindet, weil es in diesem Fall üblicher Lebenserfahrung entspricht, dass jeder Mitbewohner den Internetanschluss selbstständig nutzen darf, ohne dass der Anschlussinhaber Art und Umfang der Nutzung bewusst kontrolliert. Selbst im Fall eines Einpersonenhaushaltes ist die mögliche eigenverantwortliche Mitnutzung durch Gäste nicht derart selten, dass es gerechtfertigt erschiene, zu Lasten der Täterschaft des Anschlussinhabers einen Anscheinsbeweis wirken zu lassen, dessen Grundlagen er widerlegen müsste. So ist es durchaus in weiten Kreisen der Bevölkerung üblich, dass Besucher auf Bitte hin ohne weitere Überwachung Gelegenheit erhalten, über einen in der Wohnung installierten PC Zugang zum Internet zu erhalten oder ihnen Zugriff auf das W-LAN gewährt wird, um mitgebrachte eigene Notebooks, Tablet-PCs oder Smartphones mit dem Internet zu verbinden.

(b)
Die durch die zitierte Rechtsprechung dem Anschlussinhaber auferlegte sekundäre Darlegungslast folgt also mangels gesicherter Erfahrungsgrundlage nicht aus einer tatsächlichen Vermutung. Vielmehr beruht sie darauf, dass der Nutzerkreis des Internetanschlusses in der Sphäre des Anschlussinhabers liegt und demnach nur er – nicht aber die Klägerseite – in der Lage ist, zum Nutzerkreis näher vorzutragen. Die Zumutbarkeit der sekundären Darlegungslast für die Beklagtenseite beruht also gerade darauf, dass diese zu Tatsachen vortragen soll, zu der sie sich – im Gegensatz zur Klägerseite – aus eigener Kenntnis üblicherweise erklären können muss (ständige Rechtsprechung; BGH NJW 1999, 1404 (1406) mwN). . Eine sekundäre Darlegungslast betrifft anders als ein Anscheinsbeweis nur die abweichende Verpflichtung zum Parteivortrag, aber gerade nicht die Beweisverteilung (BGH NJW 2008, 982 (984); Beck-OK-ZPO-Bacher § 284 Rn. 84). Sie darf daher nicht dazu verwendet werden um zu Ergebnissen zu kommen, die dem hier mangels ausreichender Erfahrungsgrundlage nicht gegebenen Anscheinsbeweis entsprechen. Daher ist es nicht richtig pauschal anzunehmen, dass die Anforderungen an den Detailgrad und die Plausibilität des Vortrags zur Wahrung der sekundären Darlegungslast hoch anzusetzen sind, denn im Hinblick auf den regelmäßig erheblichen Zeitablauf seit der behaupteten Urheberrechtsverletzung wird dies in der Praxis häufig unmöglich sein (dennoch für eine pauschale Notwendigkeit eines hohen Detailgrades und hoher Plausibilität LG München I MMR 2013, 396). Überlegungen dieser Art scheinen auf der Überlegung zu fußen, dass eine wirksame „Bekämpfung“ des Filesharing im Internet nur möglich ist, wenn eine Entlastung des Anschlussinhabers nur in Ausnahmefällen gelingt. Indes darf aber die Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Missstände kein Anlass sein, für Urheberrechtsverletzungen eine Art Sonderbeweisrecht zu Gunsten der Rechteinhaber zu schaffen. Es gehört zu den rechtsstaatlichen Grundlagen des Zivilprozesses, dass der Kläger die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt. Abweichungen sind nur im Einzelfall veranlasst und dürfen nicht dazu führen, dass der Beklagte sich regelmäßig zu entlasten hat. Abweichungen von der Beweisverteilung sind vielmehr rechtsstaatlich nur dann akzeptabel, wenn die allgemeine Lebenserfahrung einen bestimmten typischen Lebenssachverhalt nahelegt – siehe hierzu die Anwendungen der Regeln des Anscheinsbeweises im Straßenverkehrsrecht – nicht aber bereits dann, wenn es absehbar ist, dass die Klägerseite den Beweis nur schwer wird führen können, die allgemeine Lebenserfahrung aber die von der Klägerseite behaupteten Tatsachen nicht nahe legt. In einem solchen Fall obliegt vielmehr dem Beklagten lediglich eine sekundäre Darlegungslast zu den Tatsachen, die er üblicherweise kraft Sachnähe vortragen kann. Der Grad der Detailliertheit des Vortrages des Anschlussinhabers wird also letztlich davon abhängig zu machen, in welchem Umfang je nach Sachverhalt eine Erklärung aus eigener Kenntnis zumutbar erscheint. Bei einem Einpersonenhaushalt wird man hier im Regelfall vergleichsweise detailreiche Erläuterungen erwarten können, weil der Besuch durch Gäste meist ein Vorgang ist, an den man sich auch längere Zeit später noch in gewissem Umfang erinnern kann; bei einem Mehrpersonenhaushalt dagegen werden nachvollziehbare Ausführungen dazu, wer zum Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung noch in der Wohnung gewohnt hat, ob und mit welchem Gerät diese weiteren Personen den Internetanschluss genutzt haben und wie sich der zeitliche Umfang der Nutzung und die Internetkenntnisse der mitnutzenden Personen in groben Zügen gestalten, genügen müssen; denn darüber hinausgehende Kenntnisse sind von einem Anschlussinhaber im Hinblick auf die im Regelfall fehlende ständige Überwachung nicht zu erwarten und können daher im Rahmen der Erfüllung einer sekundären Darlegungslast auch nicht gefordert werden. Dass dies letztlich dazu führt, dass in vielen Fällen die Klagen der Rechtsinhaber abzuweisen sein werden, ist hinzunehmen. Dieses – von manchen Instanzgerichten offenbar als unerträglich angesehene Ergebnis – könnte letztlich nur der Gesetzgeber ändern, nämlich durch Einführung einer Gefährdungshaftung des Anschlussinhabers. Es gehört nicht zum Aufgabenkreis der Rechtsprechung, eine Gefährdungshaftung durch eine den Grundlagen des Zivilprozesses widersprechende praktisch nicht erfüllbare sekundäre Darlegungslast faktisch zu schaffen. Im Übrigen begegnet eine weit reichende Haftung des Anschlussinhabers weit größeren rechtspolitischen Bedenken als die Problematik der klägerischen Beweisführung. Eine weit reichende Haftung des Anschlussinhabers würde im Ergebnis dazu führen, dass sowohl andere Haushaltsmitglieder als auch Besucher unter ständiger Beobachtung durch den Anschlussinhaber stehen müssten. Insbesondere dürfte der Anschlussinhaber, um sich nicht der Gefahr auszusetzen, mit Forderungen überzogen zu werden die das Durchschnittsnettoeinkommen der Bevölkerung bei weitem überschreiten, nicht zulassen, dass Besucher seines Haushaltes mittels mitgebrachter Laptops oder Handys über W-LAN den Internetzugang benutzen bzw. müsste zumindest detailliert Buch darüber führen, wer wann in seinem Haushalt zu Besuch war, über welches Endgerät er das Internet genutzt hat und wie dessen Nutzungsverhalten war. Dies aber ist nicht nur lebensfremd, sondern würde in nicht zumutbarer Weise das soziale Zusammenleben beeinträchtigen. Fremde Internetzugänge – sei es in der eigenen Familie oder bei Freunden – unbeaufsichtigt zu benutzen, ist fester Bestandteil des modernen Alltagslebens. Dass auf diese Art und Weise jedem die Möglichkeit gegeben wird, kurzfristig und flexibel auf Informationen jedweder Art zuzugreifen, ist ein bedeutender kultureller Wert, der durch eine überzogene Haftung des Anschlussinhabers massiv gefährdet ist. Eine Rechtsprechung, die im Ergebnis bewirkt, dass der Anschlussinhaber zur Vermeidung hoher zivilrechtlicher Forderungen gegen ihn nicht anders kann als Besucher und Familienangehörige ständig zu überwachen oder ihnen die Anschlussnutzung zu verbieten, gefährdet die kulturellen Werte einer modernen liberalen Gesellschaft weit mehr als möglicherweise schwer verfolgbare Urheberrechtsverletzungen.

Im Übrigen wird der Rechteinhaber durch den oben festgezurrten Umfang der sekundären Darlegungslast auch nicht schutzlos gestellt. Der Klägerseite ist es nämlich unbenommen zu behaupten, dass eine Nutzung des Anschlusses nur durch den Anschlussinhaber erfolgt ist oder trotz Mitnutzung durch weitere Personen der Anschlussinhaber der Täter war, und sodann auch hierfür Beweis anzubieten. Zwar ist vom Anschlussinhaber – schon im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 383 ZPO – nicht zu fordern, dass er eigenständig Ermittlungen nach dem Täter aufzunehmen hat und diesen der Klägerseite zu benennen hat (so auch OLG Hamm NJOZ 2012, 275); jedoch ist der beklagte Anschlussinhaber verpflichtet, soweit für die Klägerseite keine anderen Ermittlungsmöglichkeiten bestehen, mögliche seine eigene Täterschaft untermauernde Zeugen – und somit letztlich sämtliche Mitnutzer – auf Verlangen der Klägerseite namhaft zu machen, denn die namentliche Benennung der Zeugen ist dann nur dem Beklagten möglich, da die Zeugen aus dessen Sphäre stammen. Kommt die nicht beweispflichtige Partei der Namhaftmachung bei einer solchen Sachlage schuldhaft nicht nach, liegt eine Beweisverteilung vor (BGH NJW 2008, 982 (984)), die sodann dazu führen kann, dass in entsprechender Anwendung von §§ 427, 441 Abs. 3 ZPO die Täterschaft des Anschlussinhabers als erwiesen zu betrachten ist (MüKo-Prütting ZPO § 286 Rn. 92). Bei der Vernehmung dieser Zeugen wird sodann freilich darauf zu achten sein, dass eine Befragung nur zur Mitbenutzung bzw. zur Täterschaft der beklagten Partei stattfindet; die Beweisaufnahme dagegen nicht dazu verwendet werden darf, die zwischen den Prozessparteien sachfremde Frage auszuforschen, ob eine Täterschaft des Zeugen oder einer anderen Person vorliegt.

(c)
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist der Beklagte seiner ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nachgekommen. Der Beklagte hat nachvollziehbar vorgetragen, dass zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung sowohl seine Ehefrau als auch seine vier volljährigen Kinder Zugriff auf den Telekommunikationsanschluss des Beklagten hatten, von denen zwei Töchter zu Besuch waren und zwei Söhne dauerhaft im Haushalt lebten. Zu letzteren hat der Beklagte weiter vorgetragen, dass diese über einen eigenen PC bzw. Laptop verfügen, der sich in ihren jeweiligen Zimmern befindet und die sämtlich über W-LAN freien Zugang zum Internet hatten. Ferner verbringen beide große Teile ihrer Freizeit vor dem PC. Weiter hat der Beklagte vorgetragen, dass auch seine Ehefrau den Internetzugang im Wesentlichen zu Zwecken des Online-Banking und des Skypens mit Familienmitgliedern im Ausland nutzt. Dieser Vortrag stellt einen Sachverhalt dar, der ernsthaft die Alleintäterschaft einer anderen Person, nämlich zumindest einem der Söhne oder der Ehefrau, zulässt, da gemäß Darlegung des Beklagten diese den Internetzugang in einem zeitlichen Umfang unbeaufsichtigt genutzt haben, der die Installation und den Betrieb eines Filesharing-Programms zulässt.

Der somit nunmehr der Klägerin in vollem Umfang obliegenden Beweislast für die Täterschaft des Beklagten, ist diese nicht nachgekommen, da ein Beweisangebot hierfür nicht vorliegt. Zwar kann wie dargestellt eine Verpflichtung des Beklagten in Betracht kommen, zur Vermeidung der Annahme einer Beweisverteilung die Mitnutzer als Zeugen namhaft zu machen, jedoch bedarf es hierfür Ausführungen der Klägerseite dazu, dass anderweitige Ermittlungen (etwa über das Einwohnermeldeamt) nicht erfolgreich waren sowie einer diesbezüglichen Aufforderung unter Ankündigung eines konkreten Beweisthemas. Das allgemeine Klagen der Klägerseite mit Schriftsatz vom 16.09.2013, dort Seite 10, darüber, dass die Klägerin durch den Beklagtenvortrag nicht in die Lage versetzt werde, geeignete Beweisangebote zu formulieren, genügt hierfür nicht. Auch geht die richterliche Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO – gerade gegenüber einer wirtschaftlich starken durch eine spezialisierte Kanzlei vertretenen Partei – nicht so weit, dass ihr gerichtlich nahezulegen wäre, Ermittlungen im Einwohnermelderegister durchzuführen oder die Beklagtenseite aus Gründen der Beweisverteilung zur namentlichen Benennung von Zeugen aufzufordern. Vielmehr ist es Aufgabe der Klägerseite, nach erteiltem Hinweis zur ihr obliegenden Beweislast, selbst nach Möglichkeiten zu suchen, dieser nachzukommen.

(d)
Auch eine Störerhaftung des Beklagten aus § 97 Abs. 1 UrhG auf Erstattung der Abmahnkosten ergibt sich nicht, da dem Beklagten hierzu die Störereigenschaft fehlt. Allein, dass das Filesharing über den Internetanschluss des Beklagten durchgeführt worden ist, genügt hierfür nicht. Vielmehr liegt zur Vermeidung einer ausufernden verschuldensunabhängigen Haftung die Störereigenschaft nur vor, wenn eine Verletzung von Prüfpflichten gegeben ist. Dies ist aber nicht der Fall, weil ohne besonderen Anlass keine Verpflichtung des Anschlussinhabers besteht, die Internetnutzung volljähriger Mitnutzer auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen (BGH NJW 2010, 2061; BGH NJW 2013, 1441). Ob die Erstattung der Abmahnkosten nicht auch daran scheitert, dass es sich bei der Abmahnung trotz Nennung eines konkreten Musiktitels, der Gegenstand des Filesharings war, um eine völlig unbrauchbare anwaltliche Leistung handelt, weil die allgemein auf geschütztes Musikrepertoire bezogene Unterlassungsaufforderung zu unbestimmt und damit gemäß §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist (vgl. hierzu OLG Düsseldorf MMR 2012, 253) und somit selbst bei Abgabe einer wortgleichen Unterlassungserklärung ein einstweiliges Verfügungsverfahren nicht sicher abgewendet ist, kommt es somit nicht mehr an.

3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

I