AG Düsseldorf: Die komplexe Erstellung einer Internetpräsenz ist als Werkvertrag zu werten

veröffentlicht am 7. Mai 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammAG Düsseldorf, Urteil vom 02.09.2009, Az. 32 C 5799/09
§§ 535 Abs. 2; 631 BGB

Das AG Düsseldorf hatte die Rechtsnatur eines „Internet-System-Vertrags“ zu beurteilen (vgl. hierzu jetzt auch BGH, Urteil vom 04.03.2010, Az. III ZR 79/09). Die Leistungsschuldnerin war verpflichtet, eine Internetseite zu erstellen und hierzu die Recherche nach der Verfügbarkeit der angegebenen Wunschdomain und die Gestaltung einer individuellen Internetpräsenz nebst Hosting, Nutzung des Servers und „Vor Ort Beratung“ durchzuführen. Ferner schuldete sie nach diesem Vertrag die Bereitstellung einer Beratungshotline, bis zu dreimal pro Jahr eine Aktualisierung der Inhalte der Internetseite und eine Suchmaschinenoptimierung ohne zusätzliche Kosten. Der Schwerpunkt des Vertrages lag in der Gestaltung, Programmierung und Aktualisierung der individuellen Internetpräsenz, nicht in der Zurverfügungstellung der fertiggestellten Homepage bzw. der Speicherkapazitäten. Auf den vorliegenden Vertrag sei daher, so das Amtsgericht, Werkvertragsrecht anzuwenden.

„Entgegen der Auffassung der Klägerin finden auf den von den Parteien geschlossene typengemischte Vertrag die Bestimmungen der §§ 631 ff BGB Anwendung, da es sich um einen Vertrag mit überwiegend werkvertraglichem Charakter handelt. Welches Recht bei einem typengemischten Vertrag anzuwenden ist, ist umstritten. Nach einer Ansicht ist das Recht der Hauptleistungspflicht anwendbar. Eine andere Ansicht wendet das Recht an, das für den betreffenden Vertragsbestandteil maßgebend ist und versucht, sich dabei ergebende Gegensätzlichkeiten nach dem mutmaßlichen Parteiwillen auszugleichen (vgl. Palandt – Grüneberg, BGB, 66. Auflage, vor § 311 Rn. 24). Das Gericht folgt der erstgenannten Auffassung, da so für die Parteien leichter zu ermitteln ist, welches Recht auf den Vertrag anzuwenden ist und Widersprüchlichkeiten von vornherein vermieden werden. Hinsichtlich der Frage des anwendbaren Rechts ist daher entscheidend auf den Schwerpunkt des Vertrages abzustellen.

Die Klägerin ist nach dem abgeschlossenen Vertrag verpflichtet, für die Beklagte eine Internetseite zu erstellen und hierzu die Recherche nach der Verfügbarkeit der angegebenen Wunschdomain und die Gestaltung einer individuellen Internetpräsenz nebst Hosting, Nutzung des Servers und „Vor Ort Beratung“ durchzuführen. Ferner schuldet die Klägerin nach diesem Vertrag die Bereitstellung einer Beratungshotline, bis zu dreimal pro Jahr eine Aktualisierung der Inhalte der Internetseite und eine Suchmaschinenoptimierung ohne zusätzliche Kosten. Der Schwerpunkt des Vertrages liegt in der Gestaltung, Programmierung und Aktualisierung der individuellen Internetpräsenz, nicht in der Zurverfügungstellung der fertiggestellten Homepage bzw. der Speicherkapazitäten. Auf den vorliegenden Vertrag ist daher Werkvertragsrecht anzuwenden.

Bei der Bestimmung des Schwerpunkts des Vertrages ist entscheidend auf den Vertragszweck abzustellen. Soll der Überlassende für einen Erfolg einstehen, spricht dies für die Annahme eines Werkvertrages ( BGH NJW-RR 1999, 1204; MüKo – Häublein, BGB, 5. Auflage, vor § 535 Rn. 14). Dies ist vorliegend der Fall. Die wesentliche von der Klägerin zu erbringende Leistung ist die Erstellung und spätere Aktualisierung einer individuellen Internetpräsentation für ihren Vertragspartner. Sowohl bei der Erstellung der Internetseite als auch bei jeder Aktualisierung handelt es sich um eigenständige Erfolge, die von der Klägerin zu erbringen sind. (vgl. zu der Einordnung eines Vertrages über die Erstellung einer Internetpräsentation als Werkvertrag auch Schmidt in Spindler, Vertragsrecht der Internet-Provider, Seite 537; Härting, Internetrecht, 3. Auflage, Rn 373). Dass ein Erfolg geschuldet wird, ergibt sich daraus, dass die Klägerin ihren Vertragspartner eine fertige Internetseite zur Verfügung zu stellen hat. Wenn nur eine Dienstleistung Gegenstand des Vertrages wäre, die Klägerin also nicht dafür einzustehen hätte, dass die Internetseite tatsächlich erstellt wird, würde die Pflicht zur Bereithaltung der Internetseite nicht erfüllt werden können. Die Klägerin schuldet also insgesamt je nach Wunsch ihres Vertragspartners bis zu 13 Erfolge verteilt über den gesamten Vertragszeitraum.

Für die Anwendung des Werkvertragsrechts auf die Frage der Wirksamkeit der Vorleistungspflicht spricht auch die von der Klägerin überreichte Leistungsbeschreibung. Diese beschreibt im Wesentlichen nur die Schritte der Erstellung der Internetseite sowie den Inhalt der Internetseite. Dass die Webseite auf den Servern der Klägerin auch bereitgestellt werden soll, ergibt sich zwar ebenfalls aus der Leistungsbeschreibung. Allein der Umfang der Leistungsbeschreibung, der sich auf die Erstellung der Internetseite bezieht, im Vergleich zu dem Umfang der Leistungsbeschreibung, die sich auf deren spätere Bereitstellung bezieht, spricht jedoch deutlich dafür, dass die Erstellung der Seite als wesentlicher Teil des Vertrages anzusehen ist. Hierfür spricht auch die Argumentation der Klägerin, die richtigerweise vorträgt, dass der Schwerpunkt der Leistungserbringung bei Vertragsbeginn liegt, weil die nach Erstellung der Internetseite zu erbringenden Leistungen von untergeordneter Bedeutung seien.

Im Übrigen wäre die geschuldete Bereithaltung der Internetseite über einen Zeitraum von 4 Jahren ohne die Erstellung der Seite nicht möglich, so dass diese Pflicht nicht als vertragszweckbestimmend anzusehen ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin keine gesonderte Vergütung für die Erstellung der Internetseite geltend macht, sondern nur eine Anschlussgebühr in Höhe von 199,00 € netto erhebt. Allein die von der Klägerin festgelegten Zahlungsmodalitäten, nämlich eine sukzessive Zahlung über einen Zeitraum von 4 Jahren, hat keinen Einfluss darauf, dass die von der Klägerin zu erbringende Hauptleistung die Erstellung der Internetseite ist.

Die Erstellung der Internetseite ist auch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur Mittel zum Zweck der Vermietung dieses Internetauftritts. Insbesondere die Verpflichtung zu Aktualisierungen während der Vetragslaufzeit, aber auch der Umstand, dass der Internetauftritt individuell auf die Bedürfnisse des Vertragspartners der Klägerin zugeschnitten war, grenzt den vorliegend zu beurteilenden Vertrag von Verträgen, mit denen beispielsweise der Aufbau und die Bereitstellung eines Großzeltes oder eines Baugerüsts geschuldet ist, ab. Bei diesen Verträgen, die ebenfalls werkvertragliche und mietvertragliche Elemente enthalten, liegt der Schwerpunkt auf dem Mietrecht (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 13.01.2004, Az: 5 W 21/04; zitiert nach Juris). Allerdings wird dort nur der einmalige Aufbau einer Sache geschuldet, die später gegebenenfalls in veränderter Form erneut genutzt werden kann. Im Gegensatz zu der „Vermietung“ eines Großzeltes oder Baugerüsts soll vorliegend eine nur für die Beklagte gedachte und nutzbare Leistung von der Klägerin erbracht werden, die nach Beendigung des Vertragsverhältnisses für die Klägerin nicht mehr brauchbar ist. Es besteht daher für den Vertragspartner der Klägerin ein besonderes Interesse an der Erstellung der Internetseite, dass bei der Errichtung einer weniger individuell auf den Vertragspartner zugeschnittenen Sache nicht in einem vergleichbaren Umfang besteht. Im Gegensatz zu der Errichtung und Zurverfügungstellung eines Zeltes oder Baugerüsts liegt daher im vorliegenden Fall der Schwerpunkt der Leistung nicht auf der Zurverfügungstellung des hergestellten Gegenstandes, sondern in der Erstellung der Internetseite selbst. Hierfür spricht auch, dass die Vermietung eines Baugerüsts oder Zeltes grundsätzlich auch ohne den Aufbau möglich wäre, während die Bereithaltung der Internetseite ohne deren Erstellung nicht möglich wäre. Die Erstellung der Internetseite ist daher nicht nur als Mittel zum Zweck der Vermietung, sondern andersrum die Zurverfügungstellung gegen monatliche Zahlung als besondere Art der Bezahlung der Werkleistung anzusehen.

Gegen eine Anwendung Werkvertragsrechts spricht auch nicht, dass die Internetseite auf Dauer über den Server der Klägerin betrieben werden soll. Zwar stellt die Nutzung dieses Servers eine Gebrauchsüberlassung dar, die für einen Mietvertrag typisch ist. Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine gegenüber der Erstellung der Internetseite untergeordnete Leistung, so dass der Schwerpunkt der von der Klägerin geschuldeten Leistung weiterhin im Bereich des Werkvertragsrechts anzusiedeln ist.

Für einen Werkvertrag spricht auch, dass die Beklagte nach Ablauf der Vertragslaufzeit Inhaber der Urheberrechte an der Internetseite werden sollte. Der Übergang von Rechten an der Mietsache entspricht nicht dem typischen Mietvertrag. Dort wird vielmehr nur die Gebrauchsüberlassung auf Zeit geschuldet, während vorliegend eine Übertragung der Rechte an der Internetseite geschuldet ist.

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