AG Flensburg: Keine Verpflichtung zur Überlassung der Recovery-CD bei Verkauf eines gebrauchten PC

veröffentlicht am 23. Oktober 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammAG Flensburg, Urteil vom 15.04.2009, Az. 61 C 13/09
§ 119 Abs. 2 Var. 2 BGB, § 123 Abs. 1 BGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 323 BGB, § 346 BGB, § 348 BGB, § 437 Nr. 2, § 440 BGB, § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB

Das AG Flensburg hat entschieden, dass der Verkauf eines gebrauchten PCs keineswegs auch die Überlassung der sog. Recovery-CD für das auf dem PC aufgespielte Betriebssystem mitumfasse. Es falle nicht unter die gängige Praxis, dass bei dem Kauf eines gebrauchten PC grundsätzlich ein Betriebssystem mitgeführt werde, außer es sei zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart worden. So habe die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen können, dass er ihr ein vollständiges Betriebssystem mitgibt. Dass der Beklagte dennoch ein Betriebssystem vorinstalliert habe, lasse nicht den Rückschluss zu, dass bei dem Kauf des Computers eine Vereinbarung über ein Betriebssystem getroffen worden sei. Vielmehr hätte sich dann die Klägerin im eigenen Interesse vor Vertragsschluss bei dem Beklagten erkundigen müssen, ob der zum Verkauf stehende PC ein Betriebssystem mitführe. Zum Volltext der Entscheidung:


Amtsgericht Flensburg

Urteil

In dem Rechtsstreit

gegen

hat das Amtsgericht Flensburg durch … im schriftlichen Verfahren gemäß § 495 a ZPO nach der Sachlage am 15.04.2009 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die Klage der Klagerin ist unbegründet.

Der Klagerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 335,90 EUR aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB zu.

Die Parteien schlossen über die Internetplattform der Firma ebay am 04.05.2009 einen Kaufvertrag über einen Personalcomputer mit der Modell- und Herstellerbezeichnung „HP Dualcore Slimline PC Pavillion s3047?, nachdem die Klägerin den Zuschlag fur den PC erhalten hatte. Der Kaufpreis des Gerätes betrug 335,90 EUR. Auf der Festplatte war ein vorinstalliertes Betriebssystem „Windows Vista“ aufgespielt. Die eigens für das Betriebssystem angefertigte sogenannte Wiederherstellungs-CD, die es ermöglicht, den PC beispielsweise nach einem Virusbefall oder anderweitigen Datenverlust vollständig wiederherzustellen und welche auch für diesen Computer nur einmal angefertigt werden kann, wurde vom Beklagten nicht mitgeliefert. Der PC selbst befand sich in einem technisch einwandfreien Zustand. Die Klägerin zahlte den Kaufpreis an den Beklagten und erhielt daraufhin den besagten Computer zugesendet.

Der rechtliche Grund für den Kaufvertrag ist nicht durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB rückwirkend erloschen.

Tatsachen, dass der Beklagte bei Kaufvertragsabschluss die Klagerin arglistig getäuscht haben soll, weil dieser nicht die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass die Wiederherstellungs-CD bei dem Verkauf des PC nicht mitgeführt ist, liegen nicht vor.

Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht. Entscheidend dabei ist, ob der Vertragspartner nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. Denn grundsätzlich ist es Sache jeder Partei ihre eigenen Interessen selbst wahrzunehmen.

Der Beklagte hat keine Aufklärungspflicht verletzt. Er ist nicht angehalten gewesen, der Klägerin mitzuteilen, dass eine Wiederherstellungs-CD nicht im Lieferumfang des PC enthalten ist.

Es fällt nicht unter die gängige Praxis, dass bei dem Kauf eines gebrauchten PC grundsätzlich ein Betriebssystem mitgeführt wird, ausser es ist zwischen den Parteien etwas anderes vereinbart worden. So hat die Klägerin vom Beklagten nicht verlangen können, dass er ihr ein vollständiges Betriebssystem mitgibt. Dass der Beklagte dennoch ein Betriebssystem vorinstalliert hat, lässt nicht den Rückschluss zu, dass bei dem Kauf des Computer eine Vereinbarung über ein Betriebssystem getroffen wurde. Vielmehr hätte sich dann die Klägerin im eigenen Interesse vor Vertragsschluss bei dem Beklagten erkundigen müssen, ob der zum Verkauf stehende PC ein Betriebssystem mitführt.

Zudem hat der Beklagte nicht arglistig gehandelt.

Arglistig handelt jemand, wenn er die Unrichtigkeit seiner Handlung kennt. Aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen den Parteien lässt sich schließen, dass der Beklagte weder wusste, dass eine für das Betriebssystem persönliche Wiederherstellungs-CD nur einmal angefertigt werden kann und daher bei Weiterverkauf einem Käufer dieses Gerätes diese Form der Wiederherstellung des Betriebssystem abgeschnitten blieb, noch hatte der Beklagte Kenntnis, dass diese CD bei Verkauf des PC als notwendige Komponente mitgeschickt werden muss.

Weiterhin ergibt sich für die Klägerin auch kein Anfechtungsrecht aus § 119 Abs. 2 Var. 2 BGB.

Der Widerruf von Willenserklärungen ist nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, dass die Klägerin die Anfechtung ihrer Willenserklärungen gemeint hat, weil ihr ein Widerrufsrecht bereits nach ihrem eigenen Vortrag erkennbar nicht zusteht.

Die Klägerin ist nicht einem Irrtum über die Eigenschaft einer Sache unterlegen. Irrtum ist das Auseinanderfallen von Vorstellung und Wirklichkeit. Zu der Eigenschaft einer Sache gehören alle wertbildenden Faktoren, die der Sache unmittelbar und dauerhaft anhaften.

Die Klägerin hat sich zwar vorgestellt, dass bei Vertragsschluss des besagten PC eine Recovery-CD mitenthalten ist. Jedoch stellt diese CD weder einen wertbildenden Faktor des PC dar noch ist sie für den PC eine Sache, die unmittelbar mit diesem verbunden ist und deshalb dauerhaft zugeführt werden muss. Der PC funktioniert technisch ordnungsgemäß. Außerdem werden gebrauchte PC auch ohne Betriebssystem verkauft. Weiterhin kann auf diesem Gerät jedes andere Betriebsystem auch ohne diese CD aufgespielt und ohne Einschränkung bedient werden, so dass die CD keinen notwendigen Bestandteil des PC darstellt.

Dass die Klägerin gedacht hat, dass die CD grundsätzlich vom früheren Eigentümer bei Verkauf herausgegeben wird, stellt einen sogenannten Motivirrtum dar, der allgemein unbeachtlich bleibt (vgl. Palandt / Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 119 Rn. 29 ).

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 437 Ziffer 2, 323, 440, 346, 348 BGB.

Ein Mangel am PC gemäß § 434 BGB war nicht gegeben. Ein Sachmangel liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit negativ abweicht.

Unstreitig wies der PC technisch keine Fehler auf. Ein Mangel ist auch nicht daraus ersichtlich, dass die Wiederherstellungs-CD für das Betriebsystem „Windows Vista“ bei der Lieferung des Computers gefehlt hat, so dass die Beschaffenheit der Kaufsache eine andere war, als sie sein sollte. Denn das vollständige Betriebssystem „Windows Vista“ ist in installierter Form auf dem PC vom Beklagten an die Klägerin verschickt worden. Die Klagerin kann daher dieses System unstreitig auf ihrem PC ohne Einschränkung nutzen.

Die vom Beklagten hergestellte Wiederherstellungs-CD ist auch kein zwingender Bestandteil des Betriebssystems gewesen. Diese CD dient lediglich dazu, ein fehlerhaftes Betriebssystem, das zuvor ordnungsgemail funktioniert hat, wieder fehlerfrei zum Laufen zu bringen. Es stellt eine Art Ersatzteil dar, welches für ein anderes fehlerhaftes Stück ausgetauscht wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Beklagte jedoch nicht verpflichtet gewesen, ein solches „Ersatzstück“ für das Betriebssystem bei Verkauf des PC auszuhändigen.

Ohne diese Wiederherstellungs-CD lässt sich der Computer uneingeschränkt bedienen. Zudem ist auch allgemein bekannt, dass für ein Betriebssystem wie Windows vom Hersteller Microsoft eine anderweitige Sicherung oder Wiederherstellung des Systems über sogenannte Datensicherungs-Tools in der Systemsteuerung grundsätzlich möglich ist.

Deshalb hat die Klägerin nicht davon ausgehen können, dass bei dem Kauf eines gebrauchten Computer die Funktion der Herstellung einer Recovery-CD weiterhin möglich ist bzw. dem Verkaufer die Pflicht trifft, solch eine CD auszuhändigen. Eine solche Vereinbarung dafür hat es nicht gegeben. Schließlich hat die Klägerin auch nicht erklärt, dass bei dem Kauf des PC diese Wiederherstellungs-CD von der Vereinbarung mit umfasst gewesen sei. Dafür ist sie darlegungs- und beweislastpflichtig gewesen.

Die Nebenforderung der Klägerin gemäss §§ 286 Abs. 1 S.2, 288 Abs. 1 BGB ist auf Grund der mangelnden Hauptforderung ebenso unbegründet.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat RA Jan Strunk (hier).

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