AG Frankfurt a.M.: Zur Deckelung der Kosten einer Filesharing-Abmahnung auf 100,00 EUR / Viel Lärm um Nichts II

veröffentlicht am 28. April 2010

AG Frankfurt a.M., Urteil vom 01.02.2010, Az. 30 C 2353/09-75
§ 97a Abs. 2 UrhG

Das im Folgenden besprochene Urteil des AG Frankfurt a.M. wird in diesen Tagen durch die Foren der Filesharer gereicht. Demnach sind die Kosten einer Filesharing-Abmahnung auf 100,00 EUR beschränkt? Weit gefehlt – und es wäre falsch, wollte man aus diesem Urteil ableiten, dass die Situation ja dann so gefährlich nicht sein kann. Zunächst sollte man sich damit befassen, was das Amtsgericht entschied und sodann die Frage stellen, ob und inwieweit das Urteil verallgemeinerungsfähig ist.

1. Die Entscheidung:

Die Beklagte hafte als Inhaberin des Internetanschlusses als Störerin, da aufgrund der Ausführungen davon auszugehen sei, dass über ihren Internetanschluss die Tonaufnahme im Internet angeboten worden sei. Dies könne sie entweder selbst getan haben, was sie bestreite oder aber ein Dritter, der ihren Internetanschluss zum maßgeblichen Zeitpunkt mit ihrem Einverständnis genutzt habe. Die Beklagte treffe insoweit die sekundäre Darlegungslast, da die Klägerin hierüber keine Kenntnis haben könne. Vortrag zur Nutzung anderer sei indes nicht erfolgt, so dass von der Nutzung der Beklagten selbst auszugehen sei.

Der hiernach bestehenden Erstattungspflicht dem Grunde nach stehe die bloße Behauptung des Beklagten, wonach es zwischen der Klägerin und deren Prozessbevollmachtigten eine Pauschalvereinbarung gebe, nicht entgegen, da es sich dabei um eine bloße Vermutung handelt, die durch keinerlei fakten substanziiert ist.

Auch sei nicht relevant, ob die Klägerin die Rechtsanwaltsgebührennote bereits beglichen habe, da in Fällen, in denen sich der zur Freistellung Verpflichtete ernsthaft und endgültig weigere, die Freistellung vorzunehmen, sich der Freistellungsanspruch in einen unmittelbaren Zahlungsanspruch umwandele (vgl. BGH NJW 2004, 1868).

Die Höhe der Abmahnkosten sei jedoch lediglich in Höhe von 100,00 EUR begründet, da insoweit § 97a Abs. 2 UrhG einschlägig sei, der normiere, dass für den Fall einer erstmaligen Abmahnung einer einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs die erstattungs fähigen Aufwendungen auf 100,00 EUR beschränkt seien.

Die vier genannten Voraussetzungen lägen hier vor.

Die Beklagte habe bislang keine identischen oder in ihrem Kern im Wesentlichen gleich gelagerten Verletzungshandlungen im Verhältnis zum Kläger begangen. Im Weiteren werfe auch die rechtliche Bewertung keine Schwierigkeiten (mehr) auf, da inzwischen hinsichtlich der Frage der Erstattungsfähigkeit von Abmahnkosten in vergleichbaren Fällen auf eine umfangreiche und gefestigte Rechtsprechung zurückgegriffen werden könne. Insoweit kehrt das Amtsgericht von einer früher vertretenen Rechtsauffassung ab (AG Frankfurt a.M., Urteil vom 09.12.2008, Az. 32 C 1539/08 – 84).

Auch der hinsichtlich der Frage des einfach gelagerten Falles von der Klagepartei in Bezug genommene Rechercheaufwand sei mittlerweile durch den Auskunftsanspruch aus § 101 UrhG stark vereinfacht. Allein die Tatsache, dass der Gestattungsantrag über das Gericht zu stellen sei, mache den Vorgang nicht zu einern „rechtlich“ Schwierigen. Schließlich könnten die Abmahnenden regelmäßig auf vorformulierte Schreiben zurückgreifen, da die rechtliche Bewertung unabhängig von der Art des angebotenen Werkes sei. Es müssen lediglich der Abgemahnte, das konkrete Werk, die Höhe der Kosten und die Nachweise eingefügt werden, was keines großen Aufwands (mehr) bedürfe (vgl. zur Subsumtion von „Massenabmahnungen“unter die einfach gelagerten Fälle Ewert/von Hartz, Neue kostenrechtliche Voraussetzungen bei der Abmahnung im Urheberrecht, MMR 2009, 84 (87)); Prof. Dr. Thomas Hoeren, zur Frage der Begrenzung der Abmahngebühren nach § 97 a UrhG in CR 6/2009). Soweit im Einzelfall ein erhöhter Aufwand erforderlich sein mag, möge dies gegen eine Anwendbarkeit des § 97a sprechen. Vortrag hierzu sei jedoch nicht geführt.

Im Weiteren sei auch die Voraussetzung der „Unerheblichkeit“der Rechtsverletzung zu bejahen. Zwar habe die Tauschbörse in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucksache 16/8783,50) nicht explizit Eingang gefunden, soweit dort das öffentliche Zugänglichmachen eines Stadtplanausschnitts auf einer privaten Hornepage, eines Liedtextes auf einer privaten Hörnepage bzw. die Verwendung eines Lichtbildes in einern privaten Angebot einer Internetversteigerung erwähnt worden seien. Die Aufzählung dort habe jedoch nur beispielhaften Charakter. Dass nicht sämtliche einschlägigen Sachverhalte in die Aufzählung hätten Eingang finden können, zeige der Verweis der Gesetzesbegründung auf den Einzelfall. Allen Beispielen der Aufzählung der Gesetzesbegründung sei nun mit dem hiesigen Sachverhalt gemein, dass es sich um eine einmalige Rechtsverletzung durch das Zugänglichmachen eines einzelnen Werkes handele.

Gemein sei den Sachverhalten auch, dass die abstrakte Gefährdung des Downloads durch andere und die Verbreitung durch diesen Personenkreis gleichermaßen bestehe. Entgegen der Ansicht der Klägerin könne zur Frage der Erheblichkeit der Rechtsverletzung auch nicht etwa auf die zu § 101 UrhG entwickelten Kriterien zum gewerblichen Ausmaß der Rechtsverletzung zurückgegriffen werden.

2. Was hat das Amtsgericht entschieden?

Das Amtsgericht hat entschieden, dass der erstmalige Download eines einzelnen Musikstücks als einfach gelagerter Fall im Sinne von § 97 Abs. 2 UrhG zu werten ist und die mit der Abmahnung des illegalen Downloads entstandenen Rechtsanwaltskosten auf 100,00 EUR beschränkt sind. Das Amtsgericht hat sich nicht geäußert zu dem Schadensersatz für die lizenzlose Nutzung, welches dem abmahnenden Unternehmen generell zusteht.

3. Ist die Entscheidung verallgemeinerungsfähig?

Bedingt. Sie gilt gleichartige Fälle vor dem AG Frankfurt a.M. In Filesharing-Fällen gilt allerdings der Grundsatz des fliegenden Gerichtsstandes und zwar auch für die sog. Annexkosten. Ob die Meinung des AG Frankfurt a.M. von anderen Amtsgerichten oder sogar der nächsthöheren Instanz geteilt wird, bleibt abzuwarten.

4. Inwieweit ist die Entscheidung verallgemeinerungsfähig?

Bei einer Verallgemeinerung sollte größte Vorsicht angewendet werden. Die Entscheidung gilt jedenfalls nicht für das Filesharing von aktuellen Kinofilmen oder aktueller Software. Sie gilt auch nicht für Filesharer, die als „Wiederholungstäter“ erwischt werden. Sie dürfte schließlich nicht für Filesharer gelten, die sich gleich einen ganzen Chart-Container (z.B. „Germany Top 100 Single Charts [Tagesdatum]“) mit einer Vielzahl von Titeln aus dem Internet heruntergeladen haben.

5. Was wir davon halten?

Die Aufregung ist wohl eher eine Folge der Tatsache, dass (wirklich neue) Urteile und Beschlüsse zum Filesharing in den letzten Wochen und Monaten zur Mangelware geworden sind. Die vom AG Frankfurt a.M. aufgegriffene Frage des „einfach gelagerten Verstoßes“ wurde jedenfalls auch schon von anderen Gerichten erörtert (u.a. LG Hannover, Urteil vom 19.11.2009, Az. 25 O 10/09).

Es bleiben unsere vier Hinweise vom gestrigen Tage.

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