AG Hamburg: Zum Schadensersatz bei unberechtigter Abmahnung einer vermeintlichen Urheberverletzung durch illegales Filesharing

veröffentlicht am 22. Februar 2009

AG Hamburg, Urteil vom 11.12.2007, Az. 316 C 127/07
§§ 823 Abs. 1, 249 ff. BGB

Das AG Hamburg hat darüber zu entscheiden, wer die Kosten einer unberechtigten Abmahnung wegen verbotenen Filesharings zu tragen hat. Die Beklagten, zwei führende deutsche Tonträgerhersteller, hatten die Klägerin wegen des illegalen Angebots 696 Dateien, davon 515 Audio-Dateien, strafrechtlich verfolgen lassen und sodann nach Erhalt einer IP-Nummer abgemahnt. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten machten dabei Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 10.000,00 EUR geltend und boten einen pauschalierten Schadensersatz von 4.000,00 EUR an. Zunächst informierte der Ehemann der Klägerin die Tonträgerhersteller darüber, dass der Vorwurf nicht zutreffe, sodann ihr Prozessbevollmächtigter, der die Beklagten aufforderte, bis zum 19.02.2007 zu bestätigen, keinerlei Ansprüche gegen die Klägerin herzuleiten und die Kosten der Inanspruchnahme ihrer Rechtsanwältin zu tragen. Mit Schreiben vom 19.02.2007 teilte die Staatsanwaltschaft Lüneburg den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit, dass ein Täter nicht mehr habe ermittelt werden können, weil nach einer zunächst erteilten falschen Auskunft „eine falsche Personalsverantwortliche“ ermittelt worden sei und nunmehr die Daten wegen Löschungsfrist von 90 Tagen nicht mehr vorlägen. Mit Anwaltsschreiben vom 22.02.2007 nahmen die Beklagten die Vorwürfe zurück und teilten mit, es habe sich herausgestellt, dass die behördlichen Ermittlungen fehlerhaft gewesen seien; wegen entstandener Anwaltskosten möge sich die Klägerin an die Staatsanwaltschaft Lüneburg wenden. Die Klägerin machte gegenüber den Beklagten Anwaltskosten geltend, was die Beklagten zurückwiesen. Das AG verurteilte die Beklagten antragsgemäß.

Die Klägerin habe einen Anspruch darauf, dass die Beklagten den gegen die Klägerin gerichteten Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung unterlassen, weil schon in der Erhebung, jedenfalls aber in der Aufrechterhaltung dieses Vorwurfs eine erhebliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin gelegen habe. Diese Rechtsverletzung sei rechtswidrig gewesen. Den Prozessbevollmächtigten der Beklagten hätten keine Rechtfertigungsgründe zur Seite gestanden. Sie erfolgte auch schuldhaft, nämlich jedenfalls fahrlässig. Das schlichte Beharren darauf, dass die Klägerin als Urheberrechtsverletzerin anzusehen sei, sei angesichts der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin nicht nur als sorgfaltswidrig, sondern als leichtfertig zu beurteilen. Denn aus Sicht von Rechtsanwalt …, auf die es entscheidend ankomme, stand schlicht Aussage der Staatsanwaltschaft gegen Aussage der Klägerin, vermittelt durch ihren Ehemann. Zumindest eine Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft wäre bei dieser Sachlage dringend geboten gewesen. Die Klägerin, die in keiner Weise mit Urheberrechtsverletzungen durch Verwendung von Filesharing-Systemen in Verbindung zu bringen ist, sei nicht gehalten gewesen, von sich aus Tatsachen oder gar Beweise dafür vorzulegen, dass die gegen sie gerichteten Vorwürfe nicht zutrafen. Diese Prüfungspflichten hätten ausschließlich die Beklagten bzw. die für sie handelnden Rechtsanwälte betroffen. Das schuldhafte Verhalten der von ihnen beauftragten Rechtsanwälte müssten sich die Beklagten gemäß § 831 BGB oder aus dem Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens zurechnen lassen.

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