AG Köln: Die MFM-Honorartabelle gilt nicht für Fotos von Laien / Privatfotos

veröffentlicht am 29. Dezember 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtAG Köln, Urteil vom 01.12.2014, Az. 125 C 466/14 – nicht rechtskräftig
§ 97 Abs. 1 UrhG

Das AG Köln hat entschieden, dass die MFM-Honorartabelle nur die Honorarvorstellungen von Fotografen abbildet und für die Nutzung von Fotos von Laien nicht einschlägig ist. Die Berufung war nach § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Köln

Versäumnisurteil und unechtes Versäumnisurteil

In dem Rechtsstreit

hat das Amtsgericht Köln, Abt. 125, auf die mündliche Verhandlung vom 17.11.2014 durch … für Recht erkannt:

1.
Dem Beklagten wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jedoch insgesamt aufgrund dieses Urteils Ordnungshaft von höchstens zwei Jahren, untersagt, das in der Anlage zum Urteil wiedergegebene Lichtbild im Intemet öffentlich zugänglich zu machen, wie am 02.06.2014 im Rahmen der Anzeige Nr. … auf der Handelsptattform eBay-Kleinanzeigen und aus der Anlage … 1 ersichtlich geschehen.

2.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 275,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2014 zu zahlen.

3.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 15 % der Klägerin und zu 85 % dem Beklagten auferlegt.

5.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet

6.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin züchtet als Hobby Geflügel und veröffentlicht selbstgefertigte Fotos ihrer Zuchterfolge über ihre Homepage. Eines dieser Fotos zeigt zehn Junggänse auf einem Rasenstück.

Der Beklagte betreibt einen landwirtschaftlichen Erwerbsbetrieb. Er verkauft über die Kleinanzeigenseite des Internetportals eBay u.a. Junggänse. Um seine Angebote zu illustrieren verwandte er das Foto der Klägerin in zwei Kleinanzeigen.

Die Klägerin beantragt,
1.) dem Beklagten wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, jedoch insgesamt aufgrund dieses Urteils Ordnungshaft von höchstens zwei Jahren, untersagt, das nachfolgend wiedergegebene Lichtbild im Internet öffentlich zugänglich zu machen, wie am 2. Juni 2014 im Rahmen der Anzeige Nr. auf der Handelsplattform eBay-Kleinanzeigen und aus der Anlage … 1 ersichtlich geschehen;
2.) der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 613,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat keine Verteidigungsanzeige gegeben, sich zu der Klage nicht geäußert und ist zum Verhandlungstermin nicht erschienen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Klageschrift nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Klageantrag zu 1.) ist durch Versäumnisurteil zuzusprechen. Die Klägerin kann von dem Beklagten nach § 97 Abs. 1 UrhG die Unterlassung der Bildnutzung verlangen. Sie ist Urheberin des streitgegenständlichen Bildwerks; der Beklagte hat es ohne ihre Genehmigung veröffentlicht, indem er es in zwei seiner Kleinanzeigen bei eBay übernahm.

Der Zahlungsanspruch ist lediglich teilweise i. H. v. insgesamt 275,86 EUR begründet Die Klägerin kann 20,00 EUR Lizenzschaden gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG von dem Beklagten fordern. Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift berechtigt die Urheberrechtsverletzung, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig vorgenommen wird, zum Schadensersatz. Davon ist hier auszugehen: Für den Beklagten war erkennbar, dass ein fremdes Urheberrecht an dem übernommenen Foto bestehen musste, sodass die unerlaubte Übernahme zumindest fahrlässig geschah.

Die Höhe des Schadensersatzanspruches kann auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Das Gericht hält insofern einen Betrag von 20,00 EUR für angemessen. Höhere Beträge werden zumeist unter Verweis auf die Honorartabelle der MFM (Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing) begründet, die eine Interessenvertretung beruflich tätiger Fotografen ist. Dementsprechend bildet die Honorartabelle nur die Honorarvorstellungen von Fotografen ab und ist für die Nutzung von Fotos von Laien nicht einschlägig. Für die Fotos von Laien gibt es im Allgemeinen keinen Markt; lediglich ausnahmsweise werden in der Regel dann niedrigere Beträge gezahlt. Das zeigt die allgemeine Lebenserfahrung; sie wird aber auch durch den Umstand bestätigt, dass Stockagenturen, also Onlinemarktplätze, für Fotos, wie beispielsweise Fotolia.de Lizenzen für Fotos von Hobbyfotografen entweder gratis oder für wenige Euro, nur selten für mehr als 20,00 EUR, anbieten. Bei dieser Sachlage erscheint das Zubilligen wesentlich höherer Beträge auf der Grundlage der MFM-TabeHen als bewusste Überkompensation des recht geringfügigen Schadens.

Der Betrag ist – entgegen einer verbreiteten Meinung – nicht wegen der fehlenden Benennung des Urhebers zu verdoppeln. Von der Klägerin in der Klageschrift hierfür angeführte § 13 UrhG postuliert das Benennungsrecht, aber keinen Zahlungsanspruch. Dieser ist in § 97 Abs. 2 Satz 4 UrhG geregelt; er nimmt erkennbar Bezug auf die Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche im Falle der Verletzung allgemeiner Persönlichkeitsrechte (zu dem das Urheberrecht auch gehört). Demgemäß ist für einen Zahlungsanspruch eine erhebliche, nachwirkende Beeinträchtigung zu fordern. Diese ist im vorliegenden Fall ersichtlich nicht gegeben.

Auch Schadensersatzansprüche nach §§ 249, 255 BGB wegen des Entgangs von Gewinn durch die fehlende Urheberbenennung scheidet ersichtlich aus, weil die Klägerin mit ihren Fotos nicht handelt.

Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter die Zahlung von 255,85 EUR Abmahnkosten gemäß § 97 Abs. 3 UrhG verlangen. Der Betrag von 255,85 EUR entspricht den Kosten einer Abmahnung bei Zugrundelegung eines Streitwertes von 2.000,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Ein höherer Streitwertansatz erscheint nicht als gerechtfertigt. Das Interesse der Klägerin an der exklusiven Nutzung ihres Fotos erscheint als überschaubar. Es übersteigt das Interesse an der Unterbindung einer privaten Urheberechtsverletzung – das nach § 97 Abs. 3 UrhG regelmäßig auf 1.000,00 EUR zu veranschlagen ist – kaum. Es ist nicht erkennbar, dass die illegale Nutzung ihres Fotos durch den Beklagten die Klägerin ernsthaft tangiert; daher erscheint ein höherer Streitwertansatz als nicht gerechtfertigt. Das Zuerkennen von Fantasiestreitwerten durch manche Gerichte ist auch deswegen abzulehnen, weil nach aller Lebenserfahrung der Urheberrechtsinhaber und Anwalt die „erbeuteten“ Beträge nach vereinbarten Quoten unter sich aufteilen, so dass eine Praxis gefördert wird, die mit Schadensersatzrecht sehr wenig zu tun hat. Nicht von ungefähr hat der Gesetzgeber bei der neuerlichen Deckelung der Abmahngebühren durch § 97 a Abs. 3 UrhG n. F. von unseriösen Geschäftspraktiken gesprochen und es spricht rein gar nichts dafür, dass sich diese Wertung einzig und allein auf die privaten Urheberrechtsverletzungen beziehen sollte.

Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 288, 291 BGB. Die Rechtshängigkeit ist mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten am 1. August 2014 eingetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war nach § 511 Abs. 4 Nr. 2 ZPO zuzulassen.

Streitwert: 2.613,64.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen das Versäumnisurteil ist der Einspruch statthaft. Dieser muss innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Amtsgericht Köln, Luxemburger Str. 101, 50939 Köln, eingehen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieses Urteils. Diese Frist kann nicht verlängert werden.

Der Einspruch ist schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts einzulegen.

Der Einspruch muss die Bezeichnung des angefochtenen Urteils, sowie die Erklärung enthalten, dass Einspruch eingelegt wird. Er ist zu unterzeichnen und zu begründen, insbesondere sind Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzutragen. Nur die Frist zur Begründung des Einspruchs kann auf Antrag verlängert werden, wenn dadurch der Rechtsstreit nicht verzögert wird oder wichtige Gründe für die Verlängerung vorgetragen werden. Dieser Antrag muss ebenfalls innerhalb der Einspruchsfrist bei Gericht eingehen. Wenn der Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig begründet wird, kann allein deshalb der Prozess verloren werden.

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