AG Köln: eBay-Händler hat bei einer unberechtigten Negativbewertung Anspruch auf Erstattung doppelter Abmahnkosten

veröffentlicht am 22. Januar 2014

AG Köln, Urteil vom 30.12.2013, Az. 147 C 139/12
§ 823 Abs. 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG

Das AG Köln hat entschieden, dass ein eBay-Händler, der sich gegen eine unberechtigte negative Bewertung richtet, Anspruch auf Erstattung der doppelten Abmahnkosten hat, also sowohl der Kosten für die Abmahnung der Firma eBay (Aufforderung zur Löschung) als auch des konkret bewertenden eBay-Mitglieds. Es handele sich, so die Kammer, um unterschiedliche Angelegenheiten gemäß § 15 Abs. 2 RVG. Zum Volltext der Entscheidung:


Amtsgericht Köln

Urteil

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 527,00 EUR (in Worten: fünfhundertsiebenundzwanzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.05.2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 19 Abs. 3, 2 Abs. 1 GG in Höhe der Klageforderung zu.

Mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 04.04.2012, Az. 28 O 1132/11 steht rechtskräftig fest, dass der Beklagte rechtswidrig in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin eingegriffen hat, indem er am 05.12.2011 eine unwahre Tatsachenbehauptung betreffend die Klägerin im Bewertungsportal der Firma eBay eingestellt hat.

Entgegen der Ansicht des Beklagten umfasst die aus diesem rechtswidrigen Eingriff resultierende Verpflichtung zum Schadensersatz auch die hier geltend gemachten Rechtsanwaltskosten für die anwaltliche Löschungsaufforderung gegenüber der Firma eBay vom 16.12.2011 (Anlage K 2 = Bl. 18 GA). Es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung, die erstattungsfähig sind. Das Gericht schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 28.01.2010, Az. 4 U 157/09 = Anlage K 5, Bl. 29 ff. GA) an, das ausgeführt hat:

Um die Rechtsverletzung so schnell wie möglich zu beenden und um den drohenden Schaden auch dadurch so gering wie möglich zu halten, konnte es die Klägerin für erforderlich halten, nicht nur den Beklagten wegen des Wettbewerbsverstoßes abzumahnen, sondern auch die Firma F, auf deren Seiten der Ratgeber eingestellt war, zur Entfernung aufzufordem. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin damit rechnen konnte, dass allein die Abmahnung des Beklagten zur sofortigen Beendigung der Beeinträchtigung führen konnte. Die Klägerin durfte vielmehr insoweit den sichersten Weg gehen, wobei ihr der Erfolg außerdem auch Recht gab. Dem durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten mit der Aufforderung zur Entfernung des Ratgebers entstandenen Schaden steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin von der Firma F die Erstattung der Kosten hätte verlangen können. Zum einen handelte es sich überhaupt nicht um eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung im Sinne des § 12 UWG, sondern um die Meldung einer Störung auf den Seiten eines Dienstanbieters, der diese auch Mitbewerbern zur Verfügung stellte. Zum anderen ist ein Schadensersatzanspruch gegen die Firma F mangels Verantwortlichkeit im Hinblick auf das Privileg der Diensteanbieter nach § 7 Abs. 2 TMG nicht gegeben. Die Firma F traf hier keine Überwachungspflicht; ein Verschulden vor der Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß im Übrigen ist auch nicht ersichtlich.

Im vorliegenden Fall war es der Klägerin daher nicht zuzumuten, lediglich den Beklagten abzumahnen und auf eine mögliche Unterlassungserklärung sowie die Veranlassung der Löschung durch diesen zu warten. Dabei spielt es für die Beurteilung der Frage danach, was die Klägerin ex ante für erforderlich halten durfte, keine Rolle, ob die Beeinträchtigung letztlich auf Veranlassung des Beklagten nach der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Köln in dem Verfahren Az. 28 O 1132/11 oder aufgrund der anwaltlicher Löschungsaufforderung vom 16.12.2011 durch Entfernung der eingestellten Bewertung beendet worden ist. Denn unstreitig hat der Beklagte zuvor ausdrücklich an seiner unwahren Tatsachenbehauptung festgehalten und jegliche Unterlassungs- und Zahlungsansprüche der Klägerin zurückgewiesen. Das zeigt, dass die Klägerin zu Recht nicht damit rechnen durfte, eine alleinige Anmahnung des Beklagten werde zur schnellstmöglichen Beendigung des rechtswidrigen Zustandes führen. Sie durfte vielmehr mit der zeitgleichen Löschungsaufforderung gegenüber der Firma eBay den für sie sichersten Weg der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung wählen.

Durch die Inanspruchnahme ihrer Prozessbevollmächtigten zu diesem Zweck hat die Klägerin auch nicht gegen ihre grundsätzliche Pflicht zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 BGB verstoßen: Selbst wenn die Klägerin zahlreiche Verkaufsaktivitäten bei der Firma eBay entfaltet, ist die rechtliche Beurteilung möglicher Löschungsansprüche keine einfach gelagerte Angelegenheit, die die geschäftlich gewandte Klägerin zunächst selbst hätte vornehinen müssen. Sie durfte vielmehr dazu ihre jetzigen Prozessbevollmächtigten beauftragen.

Soweit der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, dass das Anwaltsschreiben vom 16.12.2011 überhaupt an eBay versandt worden sei, kann das dahinstehen. Denn klageweise geltend gemacht wird eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG. Diese entsteht als Grundgebühr in allen Angelegenheiten mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Erhalt des – hier unstreitigen – Auftrags, also in der Regel mit der Entgegennahme von Informationen. Sie fällt auch an, wenn eigentlicher Schriftwechsel nicht geführt wird (Madert, in: Gerold/Schmidtiv. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl. 2006, Rdnr. 13 zu Nr. 2300 VV).

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die geltend gemachte Forderung auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insbesondere handelt es sich gebührenrechtlich nicht um „dieselbe“ Angelegenheit im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG. Vorliegend wurden mit den Schreiben vom 16.12.2011 an den Beklagten und an die Firma eBay verschiedene Ansprüche in getrennten Briefen gegen getrennte Anspruchsgegner geltend gemacht, so dass gebührenrechtlich zwei Angelegenheiten vorliegen (vgl. Madert, aaO, § 15 RVG Rdnr. 8). Der Streitwert von 6.000,00 EUR orientiert sich zutreffend an der rechtskräftigen Festsetzung des Landgerichts Köln, da das streitwertbestimmende Interesse der Klägerin an der Beseitigung der Störung gegenüber eBay nicht geringer zu bewerten ist als gegenüber dem Beklagten.

Nach alledem war der Klage zur Hauptforderung in vollem Umfang stattzugeben. Die Klägerin war auch nicht auf einen bloßen Freistellungsanspruch zu verweisen. Sie hat den Beklagten mit Schreiben vom 2.05.2012 (Anlage K 4 = Bl. 27 f. GA) zur Zahlung des hier streitgegenständlichen Schadensersatzes unter Fristsetzung bis zum 09.05.2012 aufgefordert. Der Beklagte hat indes lediglich einen Teilbetrag der mit Schreiben vom 2.05.2012 geltend gemachten Gesamtsumme unter Abzug der nunmehr streitgegenständlichen Kosten beglichen. Darin wie auch in der Stellung des Klageabweisungsantrages im hiesigen Verfahren liegt eine endgültige Zahlungsverweigerung des Beklagten mit der Folge, dass eine weitere Fristsetzung nebst Ablehnungsandrohung gemäß § 250 BGB entbehrlich war (vgl. BGH NJW 2004, 1868 und NJW-RR 2011, 910) und sich der Freistellungsanspruch der Klägerin in einen Zahlungsanspruch gemäß § 250 BGB umgewandelt hat.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Auf die Entscheidung hingewiesen hat openjur (hier).

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