AG Köln: Zum fliegenden Gerichtsstand bei isolierter Geltendmachung von Abmahnkosten / Annexkosten

veröffentlicht am 12. Oktober 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammAG Köln, Urteil vom 30.04.2007, Az. 142 C 553/06
§
677 BGB, § 683 BGB; § 97 UrhG; § 32 ZPO

Das AG Köln hat entschieden, dass der so genannte fliegende Gerichtsstand bei Urheberrechtsverletzungen im Internet auch dann gegeben ist, wenn lediglich Annexansprüche (Schadensersatz, Abmahnkosten) geltend gemacht werden. § 32 ZPO sei hier unproblematisch anwendbar. Bei der Höhe des Schadensersatzes für eine Bildnutzung für 90 Tage bei eBay akzeptierte das Gericht den geltend gemachten Betrag vom 450,00 EUR. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Köln

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat das Amtsgericht Köln, Abt. 142 im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit einer Erklärungsfrist bis zum 19.03.2007 durch… für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 980,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe geleistet hat.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Abmahnkosten und Lizenzschadensersatzes wegen einer Urheberrechtsverletzung in Anspruch.

Die Klägerin vertreibt auf der Auktionsplattform „eBay“ im Internet Kosmetik- und Parfümerieartikel, wobei sie die von ihr angebotenen Artikel auf den Auktionsseiten u.a. mit Bildern bewirbt. Die Beklagte hat am 25.04.2006 ebenfall bei „eBay“ eine Auktionsseite unterhalten, auf der sie unter dem Namen „xxx“ einen Kosmetikartikel mit dem Namen „Euphoria 50 ml“ in Verbin­dung mit einem Bild des Produktes angeboten hat. Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen der Nutzung dieses Bildes unter dem 28.04.2005 ab. Nachdem die Beklagte die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgab, erließ das Landgericht Köln auf Antrag der Klägerin am 18.05.2006 eine entsprechende einstweilige Verfügung (LG Köln Az.: 28 0 255/06). Hiergegen legte die Beklagte unter dem 07.06.2006 Widerspruch ein, den sie unter dem 31.07.2006 wieder zurücknahm. Unter dem 12.06.2006 und nochmals unter dem 04.08.2006 forderte die Klägerin die Beklagte zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf. Die Beklagte gab am 17.08.2006 eine Erklärung ab, die sich jedoch nicht auf die Übernahme der außergerichtlichen und im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht erstattungsfähigen Kosten der Abmahnung und der Kosten der Abschlusserklärung erstreckte.

Die Klägerin behauptet, dass sie das Produkt „Euphoria 50 ml“ ebenfalls über „eBay“ vertreibe und mit dem von der Beklagten verwendeten Lichtbild anbiete. Dieses Lichtbild sei von dem Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin erstellt und der Klägerin zur unbeschränkten, ausschließlichen Nutzung überlassen worden.

Durch die Verwendung des Bildes habe die Beklagte Lizenzrechte der Klägerin verletzt. Die Klägerin ist daher der Ansicht, dass die Beklagte der Klägerin die entstandenen Abmahnkosten und Kosten der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung zu ersetzen habe. Für die außergerichtlichen nicht anrechnungsfähigen Kosten der Abmahnung macht die Klägerin auf der Grundlage eines Streitwertes von 6.000,00 Euro eine 1,3 Geschäftsgebühr, insgesamt noch 239,70 Euro geltend, und als Kosten der Abschlusserklärung macht sie auf der Grundlage eines Streitwertes von 6.000,00 Euro eine 0,8 Geschäftsgebühr zzgl. Auslagen und Mehrwertsteuer, insgesamt 290,40 Euro geltend. Schließlich ist sie der Ansicht, dass die Beklagte für die Lizenzrechtsverletzung betreffend des Bildes entsprechend den Honorarempfehlungen der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing (MFM) einen auf Lizenzanalogie gestützten Schadensersatz in Höhe von 450,00 Euro zu zahlen habe, wobei davon auszugehen sei, dass die Beklagte das Bild 90 Tage bei „eBay“ und damit in einem Online-Shop eingestellt hatte und zudem die Urheberschaft nicht nur verletzt sondern mangels Angabe der Bildquelle auch verschwiegen hatte.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 980,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Köln. Hinsichtlich des geltend gemachten Schadens sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte das Bild höchstens 10 Tage im Internet genutzt habe.

Die Akte betreffend des einstweiligen Verfügungsverfahrens (LG Köln 28 O 255/06) ist beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Es wird ferner auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

Das Amtsgericht Köln ist gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. In Hinblick auf die geltend gemachte unerlaubte Handlung – Verbreitung des streitgegenständlichen Lichtbildes im Internet unter Verletzung eines Lizenzrechtes – ist die Zuständigkeit des Amtsgerichtes Köln aus dem Gesichtspunkt des sog. „fliegenden Gerichtsstandes“ gegeben. Da sich zudem der Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO – nicht nur auf die Feststellung der Rechtsgutverletzung sondern auch auf Annexansprüche wie Schadensersatz, Auskunft, Unterlassung und Kostenerstattung bezieht, ist das Amtsgericht Köln auch für die hier streitigen Kostenerstat­tungsansprüche für Abmahnung und Abschlussschreiben sowie für den Lizenzschadensersatzanspruch zuständig.

II.

Der Klägerin stehen sowohl die noch geltend gemachten Kosten der Abmahnung in Höhe von 239,70 Euro als auch die Kosten des Abschlussschreibens in Höhe von 290,40 Euro aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB) zu. Ferner ist die Beklagte zum Ersatz eines Schadens in Höhe von 450,00 Euro aus § 97 UrhG verpflichtet.

Zunächst ist festzustellen, dass die seitens der Klägerin behauptete Lizenzrechtsverletzung durch die Beklagte trotz deren Bestreiten als zugestanden anzusehen ist. Die Beklagte hat sich in ihrer Abschlusserklärung vom 17.08.2006 verpflichtet, die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln 28 O 255/06 als endgültige und verbindliche Regelung zu akzeptieren. Die Beklagte hat sich weiter zum Ersatz aller nachweisbar entstandenen und entstehenden Schäden verpflichtet. Einen Vorbehalt hinsichtlich eines abweichenden eigenen Standpunktes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht hat die Beklagte nicht formuliert. Sinn und Zweck des Abschlussschreibens ist es gerade, den Streit zwischen den Parteien zu einem die Parteien bindenden Ende zu führen, um weitere gerichtliche Verfahren zur Beschaffung eines Titels zu vermeiden. Diese titelersetzende Wirkung hat aber nicht nur Bedeutung für das Hauptsacheverfahren, sondern auch für weitere Folgeverfahren, wie etwa hier über die Kostenerstattung und den Schadensersatz. Die von den Parteien beabsichtigte Wirkung des Abschlussschreibens würde in wesentlichen Bereichen leer laufen, wenn der Verletzer trotz einer bereits ohne Vorbehalt eingestandenen Rechtsgutverletzung in Folgeverfahren diesen Punkt in tatsächlicher Hinsicht bestreiten könnte. Letztlich würde dies zu inzidenter Prüfung der Hauptsache führen, was gerade vermieden werden sollte. Damit ist das Bestreiten der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht unbeachtlich. Vielmehr ist nicht nur unstreitig, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist und die Beklagte ein von der Klägerin tatsächlich verwendetes Lichtbild in ihrem Internetangebot nutzte, sondern auch, dass die Klägerin dieses Bild betreffend das ausschließliche Lizenzrecht hatte.

Sowohl die dem Verletzten entstandenen Abmahnkosten als auch die Kosten eines Abschlussschreibens oder besser des „Abschlussverfahrens“ sind nach h.M. aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähig. Sowohl die Abmahnung als auch das Abschlussschreiben waren im vorliegenden Fall notwendig und die Klägerin durfte auch die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für erforderlich halten.

Die Notwendigkeit einer Abmahnung, die bezweckt, den Abgemahnten ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu rechtskonformem Verhalten dem Gläubiger gegenüber anzuhalten, entfällt in der Regel nur dann, wenn bereits ein anderer Gläubiger die Abmahnung vorgenommen hat. Die hierfür entstandenen Kosten hat der Abgemahnte bei Bestehen des materiellrechtlichen Unterlassungsanspruches unabhängig davon, ob die Abmahnung Erfolg hatte oder nicht. Da zudem nicht ersichtlich ist oder behauptet wird, dass die Klägerin selbst über die personelle und sachliche Ausstattung verfügt um Abmahnungen zu verfassen, stellt sich auch die Einschaltung von Rechtsanwälten als erforderlich dar.

Auch die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung hat sich als notwendig erwiesen.

Noch auf die erste Aufforderung vom 12.06.2006 – nach Zugang der einstweiligen Verfügung – zur Abgabe einer Abschlusserklärung bis zum 26.06.2006 hat die Beklagte am selben Tag mitteilen lassen, dass eine Klage zur Hauptsache unumgänglich ist. Die Beklagte hat sich auch keine weitere Bedenkzeit ausbedungen, die die Klägerin noch hätte beachten müssen. Allein die Rücknahme des Widerspruches im einstweiligen Verfügungsverfahren führt nicht zu der beabsichtigten endgültigen Klärung zwischen den Parteien. Schließlich ist die Abschlusserklärung dann erst auf das Erinnerungsschreiben der Klägerin vom 04.08.2006 mit Fristsetzung bis zum 11.08.2006 am 17.08.2006 abgegeben worden.

Ein Abschlussschreiben dient auch dem Grunde nach der Vermeidung eines Rechtsstreites und stellt damit ein Geschäft des Verletzers dar, im eigenen Interesse weitere Kosten zu vermeiden. Soweit dem vereinzelt (AG Lahr NJW-RR 2002, 1125 ff.) widersprochen wird, vermag sich das Gericht dieser Ansicht nicht anzuschließen. Wenn darauf hingewiesen wird, dass keine Handlung des Verletzten den Rechtsstreit vermeidet sondern nur die für den Verletzten kostenneutrale Verzichtserklärung des Verletztes, so ist festzustellen, dass die Trennung zwischen Aufforderung des Gläubigers und Verzicht des Schuldners künstlich ist. Tatsächlich handelt es sich bei den Abschlusserklärungen um ein weitgehend standardisiertes Verfahren nach Erlass einer einstweiligen Verfügung, um aus der nur vorläufigen Regelung eine endgültige zu machen. Die Herbeiführung eines solchen endgültige Rechtssicherheit schaffenden Zustandes ist unabhängig von den einzelnen hierzu führenden Handlungen aber in beiderseitigem und auch nicht nur auf Kostenvermeidung gerichtetem Interesse.

Es kann daher durchaus ein Fremdgeschäftsführungswille auf Seiten desjenigen angenommen werden, der das Abschlussverfahren einleitet um letztlich mit dem Verletzer zu einem auch in dessen Interesse liegendem einvernehmlichen Abschluss der Angelegenheit zu gelangen. Da auch in Bezug auf die Durchführung des Abschlussverfahrens ausreichender Sachverstand bei der Klägerin nicht angenommen werden kann oder behauptet wird, erweist sich auch insoweit die Beauftragung eines Anwalts als erforderlich.

Hinsichtlich der Kosten sind seitens der Beklagten der Höhe nach Einwendungen nicht erhoben worden. Seitens des Gerichtes sind weder der angenommene Streitwert noch die angesetzten Geschäftsgebühren (1,3 bei der Abmahnung und 0,8 bei dem Abschlussschreiben) zu beanstanden.

Insgesamt besteht damit ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 530,10 Euro.

Der Schadensersatzanspruch in Höhe von 450,00 Euro wegen des Lizenzverstoßes rechtfertigt sich aus § 97 UrhG.

Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Beklagten greifen nicht durch. Die Schadensersatzpflicht ist seitens der Beklagten in der Abschlusserklärung dem Grunde nach anerkannt worden. Da die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch im vorliegenden Fall aufgrund einer Lizenzanalogie berechnet ist es unerheblich wie lange die Beklagte nun tatsächlich das streitbefangene Bild im Internet für sich nutzte, denn die Berechnung beruhte auf der Annahme, dass die Nutzungsrechte für ein solches Bild für 90 Tage veräußert und erworben werden. Die weitere Berechnung des Schadens auf Grundlage des Tarifwerkes der MFM (150,00 Euro pro Bild) stößt genauso wenig auf Bedenken wie der Zuschlag um 50% für die über die reine Werbung hinausgehende Nutzung zum Zwecke der Präsentation eines Verkaufsangebotes wie auch die Verdoppelung im Hinblick auf die unstreitig von der Beklagten nicht vorgenommene Angabe der Bildquelle.

Insbesondere sind insoweit aber keine auf den Einzelfall bezogenen konkreten Umstände seitens der Beklagten vorgetragen worden, dass diese Berechnungsmaßstäbe aus dem angegebenen Tarifwerk jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht die übliche Lizenzgebühr wiedergeben.

Ein Schadensersatz in Höhe von 450,00 Euro ist daher berechtigt.

III.

Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 288, 291 BGB.

IV.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr.ll, 711 ZPO.

Streitwert: 980,10 Euro.

I