AG Mettmann: Amazon-Händler können sich nicht auf die Widerrufsbelehrung von Amazon berufen

veröffentlicht am 6. Januar 2015

Rechtsanwalt Dr. Ole DammAG Mettmann, Urteil vom 06.08.2014, Az. 21 C 304/13
§ 126b BGB, § 355 BGB

Das AG Mettmann hat entschieden, dass ein Amazon-Händler für die gesetzlich geforderte Widerrufsbelehrung des Verbrauchers nicht auf Hinweise des Plattformbetreibers Amazon verweisen kann. Dies allein sei für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht ausreichend. Zum Volltext der Entscheidung:

Amtsgericht Mettmann

Urteil

hat das Amtsgericht Mettmann im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 06.08.2014 durch … für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2014 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägern 76,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.02.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß §§ 312 d (a.F.), 355 (a.F.), 357 Abs. 1 (a.F.), 346 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat keinen aufrechenbaren Anspruch auf Wertersatz gemäß §§ 312 e (a.F.), 346 Abs. 2 Nr. 3, 357 Abs. 3 BGB (a. F.). Ihr steht auch aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch zu, mit dem sie aufrechnen konnte.

Es handelt sich bei dem Kaufvertrag über die streitgegenständliche Tapete um einen Fernabsatzvertrag gemäß § 312b BGB (a.F.).

Die Klägerin ist Verbraucherin gemäß § 13 BGB (a.F.). Sie hat die Tapete als natürliche Person für einen Zweck gekauft, der weder ihrem gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden konnte.

Die Beklagte ist Unternehmerin gemäß § 14 BGB. Sie nimmt als gewerbliche Verkäuferin bei Amazon teil.

Die Willenserklärung der Klägerin auf Abschluss des Vertrages wurde wirksam widerrufen.

Eine Frist zum Widerruf war noch nicht erloschen gemäß § 355 Abs. 4 S. 3 BGB (a.F.). Eine Widerrufsbelehrung mit dem Inhalt des § 360 Abs. 1 BGB (a.F.) in Textform ist der Klägerin durch die Beklagte nämlich nicht zugegangen.

Ein pauschaler Hinweis auf die AGB auf der Homepage genügt den Anforderungen der Textform nicht gemäß § 355 Abs. 3 S.1 BGB (a.F.). Die Textform gemäß § 126 b BGB (a.F.) umfasst auch die Übermittlung durch Fax oder E-Mail. Eine lediglich auf die Homepage des Betreibers gestellte Belehrung reicht grundsätzlich nicht aus. Entscheidend ist, dass für den Verbraucher eine dauerhafte Wiedergabe möglich ist. Es muss zu einer Perpetuierung bei dem Verbraucher kommen. Eine lediglich im Internet veröffentlichte Widerrufsbelehrung könnte jeder Zeit geändert werden und kann daher keine Rechtssicherheit leisten. Der Umstand, dass die AGB des jeweiligen Plattformbetreibers unter der Option „meine Bestellungen“ für den Käufer abrufbar sind, ist daher irrelevant. Auch kann dahinstehen, ob die Klägerin eine E-Mail von Amazon mit einer Widerrufsbelehrung erhalten hat. Denn maßgeblich ist, dass der Unternehmer als Vertragspartner den Verbraucher belehrt. Darüber hinaus wird durch diese Belehrung den Voraussetzungen des § 360 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB (a.F.) nicht Genüge getan, da ausweislich der Teilnahmebedingungen von Amazon in der Fassung vom 29.08.2013 unter B. I. 5. geregelt ist, dass der Widerruf an den Verkäufer zu richten ist, in der von der Beklagten vorgelegten E-Mail aber als Adressat Amazon selbst angegeben ist.

Nach der Rücksendung der streitgegenständlichen Tapetenrolle war die Beklagte zur Rückzahlung des von der Klägerin gezahlten Kaufpreises verpflichtet. Ein aufrechenbarer Gegenanspruch auf Wertersatz oder auf Schadensersatz steht ihr nicht zu.

Ein ordnungsgemäßer Hinweis auf das Entstehen eines Wertersatzanspruchs gemäß § 312 e Abs. 1 S.1 Nr. 2 BGB (a.F.) erfolgte nicht. Diesbezüglich kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Dass die Klägerin anderweitig über ihre Rechte und einer eventuellen Wertersatzpflicht Kenntnis erlangt habe, ist durch die Beklagte nicht bewiesen worden. Insbesondere reicht dafür nicht aus, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, die AGB zu lesen, da eine positive Kenntnis damit nicht bewiesen ist. Auch reichen dahingehende Indizien, die sich aus der Widerrufserklärung der Klägerin ergeben, nicht aus, zumal daraus nicht zwingend herzuleiten ist, dass die Klägerin bereits bei Prüfung der Ware die entsprechenden Kenntnisse gehabt hat.

Ein Schadensersatzanspruch der Beklagten ist zu verneinen, da ein der Klägerin vorwerfbares Verhalten, das der Beklagten einen Schaden zugefügt habe, nicht erkennbar ist. Die Prüfung einer Ware kann sich im Gegensatz zu einer Prüfung im Laden, wo insbesondere Beratungs- und Vergleichsmöglichkeiten bestehen, intensiver ausfallen. Die Beklagte kann nicht darauf verweisen, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, Musterbögen zu bestellen, zumal dies nicht zwingend für die Bestellung der Tapete selbst war. Im Rahmen der Prüfung kann es sogar zu einem ersatzlosen Wertverlust der Ware kommen. Das Öffnen der Folie einer Tapete war auch nicht zur Prüfung unüblich und ist damit der Klägerin nicht anzulasten.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die 30-tägige Zahlungsfrist gemäß § 357 Abs. 1 S. 2, 3 BGB (a.F.) bezieht sich nicht auf die Fälligkeit, sondern auf den Verzug. Dieser ist dadurch eingetreten, dass die Beklagte mit E-Mail vom 27.10.2013 die Leistung verweigerte, indem sie mitteilte, dass sie nur originalverpackte Artikel zurücknehme und auszahle. Der Rechtsanwalt wurde am 28.10.2013 tätig. Auch der Einwand der Beklagten, dass die Aufforderung der Klägerin zur Zahlung auf ihr Konto nicht den vereinbarten Bedingungen entspreche, greift nicht durch. In der Widerrufserklärung sind keine Angaben zu der Form der Rückabwicklung zu machen. Dass die Klägerin um Zahlung auf ihr Konto gebeten hat, kann den Widerruf bzw. die Fälligkeit der Rückzahlungverpflichtung nicht negativ berühren.

Der Zinsanspruch ergibt sich jeweils aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr.11, 711, 713 ZPO .

Der Streitwert wird auf 29,90 EUR festgesetzt.

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