AG Schleswig: Gemeinnütziger Anbieter von kostenlosen Gerichtsentscheidungen kann bei Anforderungen von Gerichtsentscheidungen im Volltext nicht von den amtlichen Gebühren befreit werden

veröffentlicht am 9. Januar 2012

AG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2011, Az. 1 AR -6-34
§ 7a Abs. 3 JVKostO

Das AG Schleswig hat entschieden, dass die freie Datenbank für Gerichtsentscheidungen openjur.de die Volltexte der Entscheidungen nur kostenpflichtig erwerben kann. Der bloße Umstand, dass der Erinnerungsführer die erbetene Entscheidung in seine Datenbank zur kostenfreien Nutzung einstelle, stelle kein überwiegend öffentliches Interesse im Sinne des Gebührenverzeichnisses zu Nr. 5 LJVKostG in Verbindung mit § 7a Abs. 3 JVKostO (Justizverwaltungskostenordnung) dar. Was wir davon halten? Bei openjur finden sich häufig Entscheidungen, die sich – zumindest kostenlos – anderswo nicht oder deutlich später abrufen lassen. Die Qualität des Projekts bedarf eigentlich keiner vertieften Erörterung; es erhielt die Auszeichnung als „Bestes freies juristisches Internetprojekt 2009“ vom EDV Gerichtstag 2009 in Saarbrücken. Andererseits: Wo kämen wir denn hin, wenn hier jeder einfach die Öffentlichkeit mit kostenlosen Informationen zu Gerichtsentscheiden versorgt? Zum Volltext der Entscheidung, die openjur hier veröffentlicht hat:

Amtsgericht Schleswig

Beschluss

Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 12.10.2011 in Höhe von 12.50 EUR wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe

Der Erinnerungsführer ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Hamburg, der die Datenbank openJur betreibt. Die Nutzung von openJur ist kostenlos. Dies gilt für private wie auch gewerbliche Nutzer. Der Vereinszweck ist die Förderung der Veröffentlichung und Verbreitung des freien juristischen Wissens. Im Rahmen dieser Tätigkeit stellt der Verein Informationen wie Gerichtsentscheidungen, Gesetzestexte, Fachaufsätze oder Artikel dem interessierten Nutzer kostenfrei zur Verfügung.

Unter dem 27.09.2011 beantragte der Erinnerungsführer bei der Erinnerungsgegnerin die Übersendung der Entscheidung 16 U 140/10 vom 15.09.2011. Diesem Ersuchen kam die Erinnerungsgegnerin nach. Hierfür stellte sie mit Kostenrechnung vom 12.10.2011 einen Betrag von 12,50 EUR in Rechnung. Hiergegen hat der Erinnerungsführer unter dem 25.10.2011 Erinnerung eingelegt. Er ist der Ansicht, dass in der Veröffentlichungstätigkeit von openJur ein überwiegend öffentliches Interesse anzunehmen sei und dieses damit unter den Befreiungstatbestand des § 7a Abs. 3 JVKostO bzw. Nr. 5 Anmerkung 2 zu § 1 Abs. 2 LJVKostG falle.

Die Erinnerungsgegnerin beantragt die Erinnerung zurückzuweisen. Sie ist der Ansicht, eine Befreiung von der Zahlung der Gebühr gemäß Gebührenverzeichnis Nr. 5 Anmerkung 2 LJVKostG komme nicht in betracht, weil jedermann der kostenfreie Zugriff auf die bei dem Erinnerungsführer vorgehaltenen Entscheidung möglich sei und die Daten somit auch für gewerbliche Zwecke genutzt werden könnten. Ein überwiegend öffentliches Interesse liege insoweit nicht vor.

Die Erinnerung ist zulässig. Das Amtsgericht Schleswig, in dessen Bezirk das die Kosten festsetzende Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht seinen Sitz hat, ist gem. § 13 JVKostO zur Entscheidung über Einwendungen gegen die Festsetzung oder den Ansatz der Kosten oder gegen Maßnahmen gem. § 7 Abs. 2, 3 JVKostO zuständig.

Die Erinnerung ist jedoch unbegründet.

Die Kostenfestsetzung ist zu Recht erfolgt. Sie entspricht Ziffer 1 LJVKostG in Verbindung mit Ziffer 5 des Gebührenverzeichnisses. Danach sind für die Überlassung einer gerichtlichen Entscheidung auf Antrag nicht am Verfahren beteiligter Dritter 12,50 EUR je Entscheidung an Gebühren fällig.

Zwar ergibt sich aus Nr. 5 Ziff. 2 und 3 des Gebührenverzeichnisses zum LJVKostG in Verbindung mit § 7a Abs. 3 der JVKostO, dass die Behörde von der Erhebung der Gebühr ganz oder teilweise absehen kann, wenn die gerichtliche Entscheidung für Zwecke verlangt wird, deren Verfolgung überwiegend im öffentlichen Interesse liegt. Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Zwar ist die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen grundsätzlich eine öffentliche Aufgabe. Es handelt sich um eine verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und damit eines jeden Gerichtes (vgl. BVerwGE 104, S. 105 ff; so auch OLG Köln, NJW – RR 2003, S. 429; Landgericht Berlin – NJW 2002, S. 838). In diesen Entscheidungen ging es aber in erster Linie darum, ob Gerichte sich der Veröffentlichung ihrer Entscheidungen widersetzen können bzw. ob es Ansprüche Dritter auf Herausgabe entsprechender Urteilsabschriften oder ähnliches gibt. Zu berücksichtigen ist hier, dass dem Erinnerungsführer die erbetene Abschrift erteilt wurde, wenn auch kostenpflichtig. Die Kostenpflichtigkeit der Abschriften wird in den genannten Entscheidungen auch nicht in Zweifel gezogen (vgl BVerwG a.a.O am Ende; LG Berlin a.a.O am Ende)). Jedenfalls stellt der bloße Umstand, dass der Erinnerungsführer die erbetene Entscheidung in seine Datenbank zur kostenfreien Nutzung einstellt, kein überwiegend öffentliches Interesse im Sinne des Gebührenverzeichnisses zu Nr. 5 LJVKostG in Verbindung mit § 7a Abs. 3 JVKostO dar. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, hatte der Gesetzgeber die Verbilligung oder die kostenlose Abgabe beispielsweise dann im Blick, wenn ein Forschungsvorhaben öffentlichen Zwecken dient oder wenn die Entscheidungen im öffentlichen Interesse für Zwecke der Aus- und Fortbildung verwendet werden (vgl. Bundestags Drucksache 13/9438, S. 10). Es sind daher immer besondere Gründe für die Bejahung eines öffentlichen Interesses notwendig. Allein der Umstand, dass die Entscheidung veröffentlicht wird und von Jedermann einsehbar ist, vermittelt für sich genommen kein solches überwiegendes Interesse, welche das Absehen von zu erhebenden Kosten rechtfertigen würde. Dies lässt sich auch aus dem Umstand ableiten, dass im § 4 Abs. 3 JVKostO ausdrücklich die Erhebung einer Dokumentenpauschale für Ablichtungen und Ausdrucke gerichtlicher Entscheidungen, die zur Veröffentlichung in Entscheidungssammlungen oder Fachzeitschriften beantragt werden, vorgesehen ist. Diese Regelung erübrigte sich, wenn der Gesetzgeber allein die Veröffentlichung einer Entscheidung als hinreichenden Grund, von der Kostenerhebung abzusehen, angesehen hätte (so auch AG Münster, Beschluss vom 06.10.2008, Az. 56-28.27).

Schließlich liegt auch der Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 7 JVKostO nicht vor. Danach sind keine Kosten zu erheben, wenn Daten im Internet zur nichtgewerblichen Nutzung bereit gestellt werden. Hier hat die Erinnerungsgegnerin aber zu Recht darauf hingewiesen, was sich im Übrigen auch aus der Homepage des Erinnerungsführers ergibt, dass Daten auch von gewerblichen Nutzern abgefragt werden können und damit auch zur gewerblichen Nutzung bereitstehen.

Nach alledem war die Erinnerung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 JVKostO in Verbindung mit § 14 Abs. 9 KostO.

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