BGH: Auch ein Vorführwagen mit 500 km Laufleistung ist noch ein „neuer Personenkraftwagen“ im Sinne der Pkw-Energiekennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV)

veröffentlicht am 18. Juni 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBGH, Urteil vom 21.12.2011, Az. I ZR 190/10
§ 4 Nr. 11 UWG, § 1 Abs. 1 Pkw-EnVKV, § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV, Art. 1 EU-RL 1999/94

Der BGH hat entschieden, dass ein „neuer Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV nicht nur dann vorliegt, wenn er unbenutzt ist. Vielmehr sei zu prüfen, ob es sich um ein Fahrzeug handele, welches „noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung“ verkauft worden sei. Damit sei das Verständnis von einem neuen Personenkraftwagen an objektivierbaren Umständen auszurichten, aus denen sich ergebe, dass das betreffende Fahrzeug vom Händler alsbald veräußert werden soll. Eine kurzfristige Zwischennutzung des Personenkraftwagens im Betrieb des Händlers etwa als Vorführwagen sei damit nicht ausgeschlossen. Als objektiver Umstand eignet sich hierzu die Kilometerleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt seines Angebots zum Verkauf. Biete ein Händler ein Fahrzeug mit einer geringen Kilometerleistung (bis 1.000 Kilometer) zum Verkauf an, sei im Allgemeinen davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs erworben habe. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.12.2011 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13.10.2010 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 10. Zivilkammer 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mainz vom 30.03.2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Tatbestand

Die Beklagte bot am 20.04.2009 auf einer Internet-Verkaufsplattform ein Fahrzeug an, das unter anderem wie folgt beschrieben war: „Vorführfahrzeug …, EZ 3/2009, 500 km“. Angaben zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen, wie sie § 1 der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) für die Bewerbung „neuer Personenkraftwagen“ vorsieht, enthielt die Anzeige nicht.

Der Kläger, der Verband sozialer Wettbewerb, sieht hierin einen Verstoß gegen die in § 1 Pkw-EnVKV geregelte Informationspflicht und gleichzeitig auch einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), da es sich bei dem angebotenen Fahrzeug um einen „neuen Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV handele.

Der Kläger hat die Beklagte daher auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vor allem geltend gemacht, bei dem im Internet angebotenen Pkw handele es sich nicht um einen „neuen Personenkraftwagen“, weil das Fahrzeug bereits im Straßenverkehr genutzt worden sei. Vom Begriff des „Neuwagens“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV würden zwar Fahrzeuge mit Tageszulassung, nicht aber Vorführwagen erfasst.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für neue Personenkraftwagen im Sinne von § 2 Nr. 1 der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung im Internet mit der Angabe der Motorleistung/Motorisierung und/oder für ein bestimmtes neues Pkw-Fahrzeugmodell zu werben,

1. ohne zugleich auch die Werte des offiziellen Kraftstoffverbrauchs im kombinierten Testzyklus und die Werte der offiziellen spezifischen CO2-Emissionen im kombinierten Testzyklus anzugeben;
2. ohne den Hinweis aufzunehmen:

„Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem ‚Leit-faden für den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen neuer Personen-kraftwagen‘ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei (… Verweis auf die benannte deutsche Stelle oder die direkte Verknüpfung zu der Organisation, die mit der Verbreitung der Informationen in elektronischer Form beauftragt ist …) unentgeltlich erhältlich ist“

sofern dies geschieht wie in der Anlage K 2 wiedergegeben.

Das Berufungsgericht hat die in erster Instanz erfolgreiche Klage abgewiesen (OLG Koblenz, Urteil vom 13. Oktober 2010 9 U 518/10, juris). Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat einen Verstoß der Beklagten gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV verneint. Dazu hat es ausgeführt:

Bei den im Streitfall maßgeblichen Bestimmungen der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung handele es sich zwar um gesetzliche Vorschriften im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, die auch dazu bestimmt seien, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Die Beklagte sei jedoch nicht gemäß § 1 Abs. 1, § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV in Verbindung mit der Anlage 4 zur Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung verpflichtet gewesen, in die beanstandete Internet-Verkaufsanzeige Angaben zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und zu den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen aufzunehmen, weil der von ihr beworbene Pkw kein „neuer Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV gewesen sei. Das angebotene Fahrzeug sei bereits als Vorführwagen im Straßenverkehr genutzt worden und habe auch schon eine Laufleistung von 500 km aufgewiesen. Damit habe es sich nicht um ein Kraftfahrzeug gehandelt, das noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft worden sei (§ 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV).

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

1.
Der Unterlassungsantrag ist entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht mangels Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig.

a)
Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, der Unterlassungsantrag genüge nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, weil er mit dem darin enthaltenen Begriff „neue Personenkraftwagen“ in unzulässiger Weise nur den Wortlaut des im Streitfall allein in Betracht kommenden Verbotstatbestands des § 1 Abs. 1 Pkw-EnVKV wiederhole.

b)
Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Juli 2009 I ZR 13/07, GRUR 2009, 977 Rn. 21 = WRP 2009, 1076 Brillenversorgung; Urteil vom 29. April 2010 I ZR 202/07, GRUR 2010, 749 Rn. 21 = WRP 2010, 1030 Erinnerungswerbung im Internet). Danach sind Unterlassungsanträge, die lediglich den Gesetzeswortlaut wiedergeben, in der Regel als zu unbestimmt und damit unzulässig anzusehen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn entweder bereits der gesetzliche Verbotstatbestand selbst eindeutig und konkret gefasst oder sein Anwendungsbereich durch eine gefestigte Auslegung geklärt ist. Unbedenklich ist ein solcher Antrag ferner dann, wenn der Kläger hinreichend deutlich macht, dass er nicht ein Verbot im Umfang des Gesetzeswortlauts beansprucht, sondern sich mit seinem Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiert (BGH, GRUR 2010, 751 Rn. 21 Erinnerungswerbung im Internet; BGH, Urteil vom 07.04.2011, Az. I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Rn. 17 = WRP 2011, 873 Leis-tungspakete im Preisvergleich, mwN).

c)
Der Bestimmtheit des Verbotsantrags steht hier nicht die in ihm enthaltene Wendung „neue Personenkraftwagen“ entgegen. Der Antrag ist durch Bezugnahme auf die ihm beigefügte Anlage K 2 allein auf die konkrete Verletzungsform beschränkt. Anders als Antragsfassungen, die die konkrete Verletzungsform nur als Beispiel heranziehen, wird durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Werbung mit dem Vergleichspartikel „wie“ oder so im Streitfall durch einen Konditionalsatz („sofern dies geschieht wie …“) in der Regel deutlich gemacht, dass Gegenstand des Antrags allein die konkret beanstandete Werbung sein soll (BGH, Urteil vom 10. Februar 2011 I ZR 183/09, GRUR 2011, 340 Rn. 21 = WRP 2011, 459 Irische Butter; BGH, GRUR 2011, 742 Rn. 17 Leistungspakete im Preisvergleich, mwN).

Als neue Personenkraftwagen werden danach nur solche Fahrzeuge erfasst, die der nicht auslegungsbedürftigen Beschreibung in der Werbeanzeige (Vorführwagen, Zulassungsdauer etwa zwei Monate, 500 km) entsprechen. Der Streit darüber, ob das auf diese Weise beschriebene Fahrzeug ein „neuer Personenkraftwagen“ im Sinne der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung ist, betrifft die Begründetheit und nicht die Zulässigkeit der Klage.

2.
Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt (vgl. Art. 4 der Richtlinie; BGH, Beschluss vom 5. Juni 2008 I ZR 4/06, GRUR 2008, 807 Rn. 17 = WRP 2008, 1175 Millionen-Chance I) und regelt daher die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern wie insbesondere die in diesem Verhältnis bestehenden Informationspflichten abschließend. Dementsprechend kann ein Verstoß gegen derartige nationale Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG nur noch insoweit begründen, als die betreffenden – hier: in der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung aufgestellten – Informationspflichten eine Grundlage im Unionsrecht haben (vgl. Erwägungsgrund 15 Satz 2 der Richtlinie 2005/29/EG; BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 I ZR 66/09, GRUR 2010, 852 Rn. 15 = WRP 2010, 1143 Gallardo Spyder; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 6a und 6b; Sosnitza in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, 5. Aufl., Einf. PAngV Rn. 24). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

3.
Das Berufungsgericht hat die den Herstellern und Händlern in § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV auferlegte Verpflichtung sicherzustellen, dass die von ihnen verwendeten Werbeanzeigen Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen der betreffenden Modelle neuer Personenkraftwagen nach Maßgabe von Abschnitt I der Anlage 4 enthalten, mit Recht als Marktverhaltensregelung angesehen (BGH, GRUR 2010, 852 Rn. 16 Gallardo Spyder).

4.
Der vom Kläger geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 5a Abs. 2 und 4 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV und entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 4 Abschn. I Nr. 1 PkW-EnVKV begründet.

a)
Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klage darauf gestützt, dass es sich bei dem von der Beklagten beworbenen Pkw nicht um einen „neuen Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV gehandelt habe. Es hat angenommen, ein Vorführwagen, der bereits 500 km im Straßenverkehr gefahren sei, falle nicht mehr unter den Neuheitsbegriff gemäß § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kraftfahrzeug, das zum Verkauf angeboten werde und bereits als Vorführwagen genutzt worden sei, ein „neuer Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV sei, müssten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze zur Ermittlung des Bedeutungsgehalts eines Rechtsbegriffs angewendet werden. Es müsse vor allem aber auch beachtet werden, dass die Vorschriften der Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung die Richtlinie 1999/94/EG in nationales Recht umgesetzt hätten. Daraus ergebe sich die Verpflichtung, Bestimmungen des nationalen Rechts im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen. Dies bedeute für das deutsche Recht, dass die anerkannten Grundsätze der Gesetzesauslegung und Gesetzesfortbildung heranzuziehen seien, um ein den Vorgaben der Richtlinie entsprechendes Ergebnis zu erreichen. Die grammatikalische Auslegung gehe vom allgemeinen Sprachgebrauch der Normalsprache oder der Fachsprache aus. Ein Fahrzeug, das bereits 500 km weit gefahren und als Vorführwagen genutzt worden sei, könne nicht mehr als „neu“ bezeichnet werden, weil es schon gebraucht worden sei. Die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung enthalte auch keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass gebrauchte Fahrzeuge unter den Neuheitsbegriff der Verordnung fallen sollten. In den Materialien zur Richtlinie 1999/94/EG und zur Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung fänden sich ebenfalls keine eindeutigen Hinweise für die Annahme, dass Vorführwagen grundsätzlich als „neue Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV anzusehen seien. Schließlich führe auch eine teleologische Auslegung nicht zu diesem Ergebnis.

b)
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

aa)
Nach § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV sind „neue Personenkraftwagen“ Kraftfahrzeuge gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 1999/94/EG, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden. Die Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung, mit der die Richtlinie 1999/94/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen (ABl. EG 2000 Nr. L 12, S. 16), umgesetzt worden ist, enthält damit eine eigenständige Definition des Begriffs „neuer Personenkraftwagen“. Aus diesem Grund kann nicht auf den im nationalen Recht entwickelten Begriff des „Neuwagens“ zurückgegriffen werden, den der Bundesgerichtshof im Kaufrecht (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2010 VIII ZR 61/09, NJW 2010, 3710 Rn. 14 ff. mwN) oder im Wettbewerbsrecht bei der Frage der Irreführung zugrunde legt (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 1999 I ZR 44/97, GRUR 1999, 1122, 1124 = WRP 1999, 1151 EG-Neuwagen I; Urteil vom 19. August 1999 I ZR 225/97, GRUR 1999, 1125, 1126 = WRP 1999, 1155 EG-Neuwagen II, mwN).

Beruht das nationale Recht wie im Streitfall auf einer Umsetzung von Unionsrecht, so ist es im Lichte des Wortlauts und der Ziele des Unionsrechts auszulegen und anzuwenden. Daraus und aus Art. 288 AEUV ergibt sich die Verpflichtung, Bestimmungen des nationalen Rechts im Regelungsbereich einer Richtlinie richtlinienkonform, also vor allem unter Berücksichtigung des Zwecks der Richtlinie, auszulegen (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2006 C212/04, Slg. I2006, 6057 Rn. 108 = NJW 2006, 2465 Adeneler; BGH, Beschluss vom 17. August 2011 I ZR 84/09, GRUR 2011, 1142 Rn. 17 = WRP 2011, 1615 PROTI; Köhler in: Köhler/Bornkamm aaO Einl. UWG Rn. 3.13).

bb)
Die Definition des Begriffs „neue Personenkraftwagen“ in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV stimmt weitgehend mit der Begriffsbestimmung in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 1999/94/EG überein, wonach der Ausdruck „neue Personenkraftwagen“ Personenkraftwagen bezeichnet, die noch nicht zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs oder der Auslieferung verkauft wurden. Die gesetzlichen Definitionen sowohl in Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 1999/94/EG als auch in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV stellen maßgeblich auf die Motivlage des Händlers Anschaffung zum Zweck des Weiterverkaufs oder der Auslieferung im Zeitpunkt des Erwerbs des fraglichen Fahrzeugs ab. Das kann zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Gesetzesanwendung führen, weil die konkreten Vorstellungen, die sich der Händler beim Erwerb eines Fahrzeugs in der Regel geht es um den Erwerb vom Hersteller macht, kaum zuverlässig ermittelt werden können. Der nach Art. 1 der Richtlinie 1999/94/EG mit den Angaben über den offiziellen Kraftstoffverbrauch und die offiziellen spezifischen CO2-Emissionen verfolgte Zweck sicherzustellen, dass die Verbraucher Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen von neuen zum Kauf oder Leasing angebotenen Personenkraftwagen erhalten und so ihre Entscheidung in voller Sachkenntnis treffen können (BGH, GRUR 2010, 852 Rn. 16 Gallardo Spyder), wäre gefährdet, wenn allein die Motivlage des Händlers dafür maßgeblich wäre, ob es sich bei einem von ihm beworbenen Kraftfahrzeug um einen „neuen Personenkraftwagen“ im Sinne von § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV handelt. Die nicht fernliegende Angabe des Händlers, er habe das betreffende Fahrzeug ursprünglich in der Absicht erworben, es längerfristig in seinem Betrieb zu nutzen, wäre in vielen Fällen nur schwer zu widerlegen.

Zur Erreichung des in Art. 1 der Richtlinie 1999/94/EG genannten Richtli-nienzwecks ist es daher geboten, das Verständnis des Begriffs „neue Personenkraftwagen“ in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV an objektivierbaren Umständen auszurichten, aus denen sich ergibt, dass das betreffende Fahrzeug vom Händler alsbald veräußert werden soll. Eine kurzfristige Zwischennutzung des Perso-nenkraftwagens im Betrieb des Händlers etwa als Vorführwagen ist damit nicht ausgeschlossen. Als objektiver Umstand eignet sich hierzu die Kilometerleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt seines Angebots zum Verkauf. Bietet ein Händler ein Fahrzeug mit einer geringen Kilometerleistung (bis 1.000 Kilometer) zum Verkauf an, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs erworben hat. Liegt die Kilometerleistung des angebotenen Fahrzeugs darüber, spricht dies dafür, dass der Händler den Pkw (auch) zu einem anderen Zweck als dem des Weiterverkaufs nämlich für die nicht ganz unerhebliche Eigennutzung erworben hat.

cc)
Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Vorführfahrzeuge seien hinsichtlich der kennzeichnungspflichtigen Werte nicht mit fabrikneuen Kraftfahrzeugen vergleichbar. Die Revision rügt mit Erfolg, dass das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung unberücksichtigt gelassen hat, dass die Werte zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen eines Fahrzeugmodells sich nicht dadurch ändern, dass das Fahrzeug zugelassen und bereits im Straßenverkehr genutzt worden ist. Die Ingebrauchnahme ändert nichts am Interesse eines Käufers, vollständige Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen zu erhalten. Die Verbraucher sollen ihre Entscheidung in voller Sachkenntnis treffen können (Art. 1 der Richtlinie 1999/94/EG). Es ist kein entscheidender Unterschied darin zu sehen, ob ein Fahrzeug fabrikneu ist oder ob es bereits zugelassen und in geringem Umfang im Straßenverkehr genutzt worden ist.

c)
Bei den in der Werbung anzugebenden Werten zum Kraftstoffverbrauch und zu den CO2-Emissionen handelt es sich um Informationen, die die Werbung und damit die kommerzielle Kommunikation betreffen und die dem Verbraucher aufgrund einer unionsrechtlichen Richtlinie, der Richtlinie 1999/94/EG, nicht vorenthalten werden dürfen (§ 5a Abs. 4 UWG; Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG). Derartige Informationen sind nach der gesetzlichen Regelung stets wesentlich im Sinne von § 5a Abs. 2 UWG und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29/EG. Werden Informationen vorenthalten, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist zugleich geklärt, dass das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG erfüllt ist (vgl. BGH, GRUR 2010, 852 Rn. 21 Gallardo Spyder; Urteil vom 29. April 2009 I ZR 66/08, GRUR 2010, 1142 Rn. 24 = WRP 2010, 1517 Holzhocker; BGH, Urteil vom 29. April 2010 I ZR 99/08, GRUR 2011, 82 Rn. 33 = WRP 2011, 55 Preiswerbung ohne Umsatzsteuer; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5a Rn. 57; ders. WRP 2012, 1, 5).

5.
Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten, da keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung der Richtlinie 1999/94/EG bestehen (vgl., EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 C283/81, Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257, 1258 Cilfit). Die Richtlinie enthält eine Definition des Begriffs der „neuen Personenkraftwagen“. Es bestehen auch keine vernünftigen Zweifel daran, dass für die Frage, ob der Händler das beworbene Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs oder der Auslieferung angeschafft hat, objektivierbare Umstände heranzuziehen sind, zu denen in erster Linie die Kilometerleistung zählt. Die Anwendung der in der Richtlinie getroffenen detaillierten Regelung auf den Einzelfall bleibt dem nationalen Richter überlassen.

III.
Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des Klägers aufzuheben. Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Mainz, Urteil vom 30.03.2010, Az. 10 HKO 80/09
OLG Koblenz, Urteil vom 13.10.2010, Az. 9 U 518/10

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