BGH: Bei freiverkäuflichen Arzneimitteln ist der fehlende Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die …“ wettbewerbswidrig

veröffentlicht am 19. April 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBGH, Urteil vom 09.10.2008, Az. I ZR 100/04
§ 4 Abs. 3 S. 1, S. 4 HWG

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass bei frei verkäuflichen Arzneimitteln, die gesundheitsrelevante Nebenwirkungen haben, nach dem  Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 und 4 HWG die Angabe „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ zu erfolgen habe. Vorstehende Regelung sei keineswegs verfassungswidrig und verstoße auch nicht gegen EU-Recht. Das Interesse der Beklagten an einer ungestörten Werbung für die von ihr verkauften Erzeugnisse habe hinter dem mit § 4 Abs. 3 HWG bezweckten Schutz der Volksgesundheit zurückzustehen. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von der Beklagten angebotenen Mittel um ein Arzneimittel handele, das trotz gegebener Risiken frei verkäuflich sei.

Die Beklagte bot in dem von ihr betriebenen Reformhaus das frei verkäufliche Arzneimittel „Schoenenberger Artischockensaft“ an. In dessen Gebrauchsinformation heißt es unter „Gegenanzeigen“: „Bekannte Allergie gegen Artischocke und andere Korbblütler. Bei Verschluss der Gallenwege oder Vorhandensein von Gallensteinen nur nach Rücksprache mit dem Arzt anwenden!“.  Die Beklagte warb für das Mittel „Schoenenberger Artischockensaft“ in  einer Zeitungsanzeige ohne den Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“.  Der Kläger, der Verband Sozialer Wettbewerb e.V., sah hierin einen Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 1 und 4 HWG und zugleich ein wettbewerbswidriges Verhalten. Nach Ansicht der Beklagten verstößt § 4 Abs. 3 Satz 1 und 4 HWG gegen Art. 12, 5 und 3 GG. Außerdem gehe die Regelung unzulässigerweise über  die Anforderungen des Art. 4 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 92/28/EG des Rates über die Werbung für Humanarzneimittel hinaus.

I