BGH: Das Kennzeichen „XVIII PLUS“ kann nicht als Herkunftshinweis für pornografische Erzeugnisse dienen

veröffentlicht am 6. Mai 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBGH, Urteil vom 02.10.2012, Az. I ZR 37/10
§ 14 MarkenG

Der BGH hat entschieden, dass die Kennzeichnung „XIII PLUS“ keine Unterscheidungskraft für pornografische Erzeugnisse, inbesondere Erotik-DVDs, hat. Der angesprochene Verkehr würde dies lediglich als Hinweis darauf verstehen, dass das Produkt nicht an unter 18-jährige abgegeben werden dürfe. Daran ändere auch die Darstellung in römischen Ziffern nichts. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2012 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten und des Streithelfers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 13. Januar 2010 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Klage zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 22. August 2008 abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers trägt der Kläger.

Tatbestand

Der Kläger war Inhaber der am 23. und 26. April 2004 unter anderem für die Waren „DVDs“ eingetragenen deutschen Wortmarken Nr. 30 34 77 19.9

„18+“

und Nr. 30 34 77 18.0

„18 Plus“.

Diese Marken sind zwischenzeitlich gelöscht worden.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, vertreibt DVDs mit pornographischem Inhalt. Aufgrund einer Lizenzvereinbarung mit ihrem Streithelfer versieht sie diese DVDs mit einem Siegel, das der Marke des Streithelfers entspricht, ergänzt durch eine in Weiß und kleiner Schrift gehaltene dritte Zeile mit der Buchstabenfolge „INO“:

Der Streithelfer der Beklagten ist Inhaber der am 10. April 2007 angemeldeten und unter anderem für die Vermietung und den Verleih von Videos und DVDs sowie Filmproduktion am 21. Juni 2007 eingetragenen deutschen Wort-Bild-Marke Nr. 30 72 31 63:

Abb. [XVIII PLUS]

Der vom Kläger gegen die Eintragung dieser Marke eingelegte Widerspruch ist durch Entscheidung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt vom 10. September 2010 zurückgewiesen worden.

Der Kläger hat eine Verletzung der beiden Klagemarken und hilfsweise eine Verletzung der Firmenrechte der 18+-GmbH, die einen Erotik-Fachhandel sowie Kabinen und Kinos betreibe, geltend gemacht. Er hat dazu eine Ermächtigung vom 1. Dezember 2007 und eine Vereinbarung vom 20. Januar 2009 vorgelegt, nach denen er ermächtigt ist, die Firmenrechte der 18+-GmbH sowie sich hieraus ergebende Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche im eigenen Namen geltend zu machen. Ausweislich der Vereinbarung hat die 18+-GmbH dem Kläger ferner sämtliche bereits entstandenen und künftig noch entstehenden Schadensersatzansprüche abgetreten, die ihr aufgrund einer Verletzung ihrer Firmenrechte gegen die Beklagte zu 1 zustehen.

Mit Anwaltsschreiben vom 29. November 2007 hat der Kläger die Beklagte zu 1 wegen der Verletzung seiner Markenrechte abgemahnt.

Das Landgericht hat es der Beklagten zu 1 unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt,
im geschäftlichen Verkehr Filme, insbesondere DVDs, die mit nachfolgenden Zeichen versehen sind, anzubieten und/oder zu bewerben.

Außerdem hat es, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, die Beklagte zu 1 zur Auskunft verurteilt und die Schadensersatzpflicht beider Beklagten festgestellt.

Die Widerklage, mit der die Beklagte zu 1 Erstattung von Kosten in Höhe von 1.288 € begehrt hatte, weil sie anwaltliche Hilfe zur Abwehr der vom Kläger mit der Abmahnung angedrohten gerichtlichen Maßnahmen in Anspruch genommen hatte, hat das Landgericht abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und – nach entsprechender Klageerweiterung im Wege der Anschlussberufung – die Pflicht der Beklagten auch zum Ersatz des der 18+-GmbH aus den verbotenen Handlungen entstandenen Schadens festgestellt.

Auf den Widerspruch des Streithelfers sind die Klagemarken am 16. November 2011 im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes gelöscht worden. Daraufhin hat der Kläger die Klage zurückgenommen, soweit sie auf die Klagemarken gestützt war. Die Beklagte hat in die Teil-Klagerücknahme eingewilligt. Der Kläger macht nunmehr ausschließlich noch eine Verletzung der Firmenrechte der 18+-GmbH geltend.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten und ihr Streithelfer ihre Anträge auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Beklagte zu 1 wendet sich zudem gegen die Abweisung der Widerklage. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten weitgehend auf eine Verletzung der inzwischen gelöschten Marken des Klägers gestützt. Allein die Feststellung der Schadensersatzpflicht hat es, soweit sie sich auf den der 18+-GmbH entstandenen oder künftig entstehenden Schaden bezieht, mit der Verletzung der Firmenrechte der 18+-GmbH begründet. Dazu hat es ausgeführt:

Der Firmenbestandteil „18+“ sei von Haus aus schutzfähig, da er hinreichende Kennzeichnungskraft aufweise. Insbesondere handele es sich dabei nicht um eine rein beschreibende Angabe. Die Verwendung des angegriffenen Zeichens begründe Verwechslungsgefahr mit dem Firmenbestandteil. Es bestehe Branchennähe, weil auch die 18+-GmbH DVDs mit pornografischem Inhalt vertreibe. Da die Beklagten die Markenrechte des Klägers verletzt hätten, habe das Landgericht die Widerklage zu Recht abgewiesen.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat weitgehend Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der Klage. Das Berufungsurteil hat nur insoweit Bestand, als die Widerklage als unbegründet abgewiesen worden ist.

1.
Die Klage ist gegen den Beklagten zu 2 unzulässig und im Übrigen unbegründet.

a)
Der gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Schadensersatzfeststellungsantrag ist als unzulässig abzuweisen, weil dem Kläger insoweit die Prozessführungsbefugnis fehlt.

Zwar ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Vereinbarungen mit der 18+-GmbH, dass er von dieser ermächtigt worden ist, ihre Firmenrechte sowie die sich daraus ergebenden Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche in eigenem Namen geltend zu machen. Die Prozessführungsbefugnis erfordert aber zusätzlich ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Geltendmachung der Firmenrechte der 18+-GmbH, wobei auch ein wirtschaftliches Interesse genügen kann (BGH, Urteil vom 23. September 1992 I ZR 251/90, BGHZ 119, 237, 242 – Universitätsemblem; Urteil vom 5. Februar 2009 – III ZR 164/08, NJW 2009, 1213 Rn. 21 mwN; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., vor § 50 Rn. 44). Ausweislich der überreichten Vereinbarungen mit der 18+-GmbH sind dem Kläger indes ausschließlich Schadensersatzansprüche gegen den Streithelfer und die Beklagte zu 1 abgetreten worden. Schadensersatzansprüche der 18+-GmbH gegen den Beklagten zu 2 werden von der Abtretung nicht umfasst. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Klägers, firmenrechtliche Ansprüche der 18+-GmbH gegen den Beklagten zu 2 zu verfolgen, ist daher nicht ersichtlich.

b)
Die Revision ist auch begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zu 1 wendet. Die Beklagte zu 1 hat keine Firmenrechte der 18+GmbH verletzt.

aa)
Es ist bereits zweifelhaft, ob der Beurteilung des Berufungsgerichts zugestimmt werden kann, dem Firmenbestandteil „18+“ komme von Haus aus kennzeichnungsrechtliche Unterscheidungskraft zu. Zwar ist besondere Originalität nicht Voraussetzung für die Unterscheidungskraft. Der Namensbestandteil muss aber ohne weiteres geeignet sein, bei einer Verwendung im Verkehr als Name eines bestimmten Unternehmens zu wirken (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1995 – I ZR 199/93, GRUR 1996, 68, 69 = WRP 1997, 446 Cotton Line; Urteil vom 21. Juli 2005 – I ZR 318/02, GRUR 2005, 873, 874 = WRP 2005, 1246 – Star Entertainment; Urteil vom 31. Juli 2008 – I ZR 171/05, GRUR 2008, 1104 Rn. 17 = WRP 2008, 1532 – Haus & Grund II). Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist dafür ohne Bedeutung, dass die Beklagte zu 1 – wie sie vorträgt – durch Verwendung des Zeichens „XVIII PLUS“ darauf hinweisen will, die Darsteller in den so gekennzeichneten Filmen seien volljährig. Entscheidend ist vielmehr, wie der Verkehr die Angabe „18+“ bei einem Unternehmen versteht, das wie die 18+-GmbH einen Erotik-Fachhandel mit Kabinen und Kinos betreibt.

bb)
Die Frage, ob dem Firmenbestandteil „18+“ von Haus aus kennzeichnungsrechtliche Unterscheidungskraft zukommt, kann indes offenbleiben. Denn jedenfalls benutzt die Beklagte zu 1 das angegriffene Zeichen „XVIII PLUS“ nicht kennzeichenmäßig, sondern allein beschreibend.

Die beanstandete Verwendung des Zeichens „XVIII PLUS“ durch die Beklagte zu 1 als Siegel auf DVDs mit pornographischem Inhalt wird vom Verkehr lediglich als beschreibender Hinweis darauf verstanden, dass diese DVDs für die Kundengruppe ab 18 Jahre bestimmt sind und an jüngere Kunden nicht abgegeben werden dürfen.

Durch die Kombination der Zahl „18″ mit dem Wort „plus“ oder dem mathematischen Zeichen „+“ ergibt sich die sprachübliche Bezeichnung einer Zielgruppe (vgl. zur Löschung der Marke „18+“ BPatG, Beschluss vom 18. August 2011 – 25 W (pat) 10/11, juris). Dem Verbraucher ist die Zeichenbildung aus einer Zahl und dem Zusatz „+“ oder „plus“ mit der Bedeutung, dass die entsprechend beworbenen Produkte für Kunden mit einem über der Zahl liegenden Alter bestimmt oder besonders geeignet sind, aus den verschiedensten Bereichen bekannt und geläufig. Das gilt auch für die von der Beklagten zu 1 verwendete Zusammensetzung „XVIII PLUS“, bei der für die Zahl 18 keine arabischen, sondern römische Ziffern verwendet werden.

Es kommt hinzu, dass beim Vertrieb pornografischer Medien die Einhaltung der jugendschutzrechtlichen Bestimmungen von zentraler Bedeutung ist. Die maßgeblichen Verkehrskreise erwarten daher gerade in diesem Bereich entsprechende Angaben und sind mit der gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG vorgeschriebenen Kennzeichnung durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) vertraut (in diesem Sinne auch HABM, Entscheidung der Beschwerdekammer vom 10. September 2010 – R 1384/2009-4 Rn. 16, zur Widerspruchsmarke des Klägers „18 Plus“). Der hier maßgebliche Verkehr ist insbesondere mit dem auffälligen roten Zeichen „FSK ab 18″ vertraut, das zur Kennzeichnung von Filmen zu verwenden ist, die allein für Volljährige freigegeben sind.

Dass ein maßgeblicher Teil des Verkehrs die Angabe „XVIII PLUS“ als einen Hinweis auf das Alter der Darsteller versteht, die in dem angebotenen pornografischen Film mitwirken, kann vernünftigerweise ausgeschlossen werden. Herstellung, Vertrieb und Besitz von kinder- und jugendpornografischen Schriften, zu denen gemäß § 11 Abs. 3 StGB auch DVDs zählen, ist gemäß §§ 184b, 184c StGB strafbar. Daher geht der Verkehr als selbstverständlich davon aus, dass die Darsteller im Handel angebotener pornografischer Filme mindestens 18 Jahre alt sind, so dass er keine entsprechende Angabe auf den DVDs erwartet.

Für die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Kunden, an die sich die Anbieter von Erzeugnissen des Erotik-Einzelhandels wenden, liegt es fern, dass ein als Altersklassifizierung verstandenes Zeichen, das zudem den Vorgaben des Jugendschutzrechts entspricht, die betriebliche Herkunft einer DVD bezeichnet.

c)
Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit es die Verurteilung der Beklagten bestätigt und der Anschlussberufung stattgegeben hat. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist mit den nach der teilweisen Klagerücknahme noch verbleibenden Ansprüchen gegen die Beklagten abzuweisen, die der Kläger wegen Verletzung des Unternehmenskennzeichens der 18+-GmbH geltend gemacht hat.

d)
Das Berufungsgericht hat die Widerklage der Beklagten zu 1 zu Recht abgewiesen. Der Beklagten zu 1 steht kein Anspruch auf Kostenerstattung für anwaltliche Beratung zu, weil sie aufgrund der Androhung gerichtlicher Maßnahmen in dem Abmahnschreiben des Klägers vom 29. November 2007 anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen und bei verschiedenen Landgerichten Schutzschriften hinterlegt hat.

Zwar kann die unbegründete Verwarnung aus einem Kennzeichenrecht unter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichten. Die auf die Klagemarken gestützte Abmahnung der Beklagten durch den Kläger war auch unbegründet. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Klagemarken erst während des Revisionsverfahrens gelöscht worden sind. Denn die Löschung der Marken hat zur Folge, dass die Wirkungen der Eintragung als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 50 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 MarkenG; BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 I ZR 98/02, GRUR 2006, 432 Rn. 20 f. = WRP 2006, 468 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II; Beschluss vom 15. Juli 2005 – GSZ 1/04, BGHZ 164, 1, 2 ff. – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).

Dem Kläger kann aber kein Verschulden vorgeworfen werden, so dass die Frage, ob nach Feststellung der Unbegründetheit einer Schutzrechtsverwarnung ihre Rechtswidrigkeit noch gesondert zu prüfen ist, auch im vorliegenden Fall nicht erörtert werden muss (vgl. BGH, GRUR 2006, 432 Rn. 22 ff. Verwarnung aus Kennzeichenrecht II). Der Kläger konnte bei der Schutzrechtsverwarnung von der Rechtsbeständigkeit seiner Marken ausgehen, weil das Deutsche Patent- und Markenamt vor deren Eintragung zu prüfen hatte, ob absolute Eintragungshindernisse nach § 8 MarkenG vorlagen. Die Sorgfaltspflichten eines Markenrechtsinhabers würden im Allgemeinen überspannt, wenn von ihm bei einer Verwarnung eine bessere Beurteilung der Rechtslage verlangt würde, als sie der Eintragungsbehörde möglich war (BGH, GRUR 2006, 432 Rn. 25 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht II).

Umstände, aufgrund deren den Kläger ausnahmsweise eine besondere Sorgfaltspflicht getroffen hätte, sind nicht gegeben. Auch dem Berufungsurteil liegt die – zweifelhafte – Auffassung zugrunde, der Bezeichnung „18+“ komme für die von den Klagemarken erfassten Waren und Dienstleistungen von Haus aus Unterscheidungskraft zu. Die Klagemarken verfügten zudem über die bessere Priorität als die Wort-/Bild-Marke „XVIII PLUS“ des Streithelfers.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 269 Abs. 3 Satz 2, § 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 22.08.2008, Az. 7 O 26/08
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 13.01.2010, Az. 6 U 136/08

I