BGH: Dem an Enteritis mit Diarrhoe und Erbrechen leidenden Einzelanwalt ist zuzumuten, dass er einen Kollegen anruft, um ein Fristverlängerungsgesuch zu stellen

veröffentlicht am 7. April 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBGH, Beschluss vom 26.09.2013, Az. V ZB 94/13
§ 233 ZPO

Der BGH hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allgemeine Vorkehrungen dafür treffen muss, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen, treffen. Die unvorhergesehene Erkrankung könne den Rechtsanwalt zwar außerstande setzen, noch irgendwelche fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen. So habe es vorliegend jedoch nicht gelegen. Danach habe der Anwalt an einer Enteritis mit Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen gelitten und das Haus nicht verlassen können. Daraus ergebe sich indes nicht, dass er auf Grund dieser Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, einen Vertreter zu benachrichtigen und diesen zu bitten, in der Sache um Verlängerung der Frist zu bitten, die, da es sich um die erste Fristverlängerung gehandelt hätte, auch nicht aufwendig hätte begründet werden müssen. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Beschluss

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26.09.2013 durch die … beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 10. Mai 2013 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
Durch dem Kläger am 14. Dezember 2012 zugestelltes Urteil ist die auf Ableitung von Niederschlagswasser gerichtete Klage abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 2. Januar 2013 Berufung eingelegt. Durch gerichtliches Schreiben vom 20. Februar 2013 ist der Kläger auf das Ausbleiben der Berufungsbegründung hingewiesen worden. Mit am 26. Februar 2013 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der anwaltlich versicherten Begründung beantragt, sein Prozessbevollmächtigter sei am 14. Februar 2013 unvorhersehbar erkrankt und dadurch bedingt nicht in der Lage gewesen, seine Kanzlei aufzusuchen.

Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde, mit welcher er die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen will.

II.
Das Berufungsgericht meint, dem Kläger sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu versagen, weil er diese schuldhaft nicht eingehalten habe. Die Versäumung der Frist könne der Kläger nicht mit einer unvorhergesehenen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten entschuldigen. Sein Prozessbevollmächtigter habe Vorsorge für den Fall treffen müssen, dass er unvorhergesehen an der Wahrnehmung seiner Aufgaben gehindert werde. Das gelte gerade dann, wenn er seine Kanzlei allein und ohne eigenes Personal betreibe. Eine Ausnahmesituation, der mit solchen Vorsorgemaßnahmen nicht zu begegnen sei, liege nicht vor.

III.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1.
Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO ohne Zulassung statthaft. Zulässig ist sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Das ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Insbesondere hat das Berufungsgericht keine überzogenen Anforderungen gestellt, die dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschweren (vgl. dazu nur Senat, Beschluss vom 12. April 2010 – V ZB 224/09, NJW-RR 2010, 1096 Rn. 4 mwN).

2.
Die Begründung, mit der das Berufungsgericht dem Kläger die form- und fristgerecht beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt hat, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die weder fortzubilden noch zu ergänzen ist.

a)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss ein Rechtsanwalt allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Er muss seinem Personal die notwendigen allgemeinen Anweisungen für einen solchen Fall geben. Ist er als Einzelanwalt ohne eigenes Personal tätig, muss er ihm zumutbare Vorkehrungen für einen Verhinderungsfall, z.B. durch Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen treffen (BGH, Beschlüsse vom 6. März 1990 – VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026 und vom 18. Mai 1994 – XII ZB 62/94, FamRZ 1994, 1520). Durch konkrete Maßnahmen im Einzelfall muss sich der Rechtsanwalt allerdings nur dann vorbereiten, wenn er einen solchen konkreten Ausfall vorhersehen kann (BGH, Beschlüsse vom 18. Oktober 1984 – III ZB 13/84, VersR 1985, 139, 140 und Senat, Beschlüsse vom 23. November 1995 – V ZB 20/95, NJW 1996, 997, 998 und vom 18. September 2008 – V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 9).

b)
Diesen Anforderungen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, nicht entsprochen. Nach seiner anwaltlichen Versicherung vom 26. Februar 2013 hat er nur für die Annahme von Telefonaten sowie den Empfang und den Versand von Post durch Beauftragung eines Dienstleisters Sorge getragen. Dass er auch Vorkehrungen für eine Vertretung getroffen hat, die etwa Anträge zur Verlängerung von Fristen für ihn bei Gericht einreichen könnte, lässt sich dieser Versicherung dagegen nicht entnehmen.

c)
Dieses Versäumnis hat sich hier auch ausgewirkt.

aa)
Ein Rechtsanwalt muss zwar, wenn er – wie hier – unvorhergesehen erkrankt, nur das, aber auch alles zur Fristwahrung unternehmen, was ihm dann möglich und zumutbar ist (BGH, Beschlüsse vom 11. März 1987 – VIII ZB 2/87, VersR 1987, 785, 786, vom 6. März 1990 – VI ZB 4/90, VersR 1990, 1026 und vom 8. Februar 2000 – XI ZB 20/99, juris Rn. 12; Senat, Beschlüsse vom 18. September 2003 – V ZB 23/03, FamRZ 2004, 182 und vom 18. September 2008 – V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 9). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat hier das ihm Zumutbare nicht unternommen.

bb)
Die unvorhergesehene Erkrankung kann den Rechtsanwalt zwar außerstande setzen, noch irgendwelche fristwahrenden Maßnahmen zu ergreifen (Senat, Beschluss vom 18. September 2008 – V ZB 32/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 12). So lag es hier jedoch nach der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht. Danach litt er an einer Enteritis mit Diarrhoe, Übelkeit und Erbrechen und konnte das Haus nicht verlassen. Daraus ergibt sich indes nicht, dass er auf Grund dieser Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, einen Vertreter zu benachrichtigen und diesen zu bitten, in der Sache um Verlängerung der Frist zu bitten, die, da es sich um die erste Fristverlängerung gehandelt hätte, auch nicht aufwendig hätte begründet werden müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 – V ZB 42/10, NJW-RR 2011, 285 Rn. 8, 10). Seiner anwaltlichen Versicherung ist, wie gesagt, auch nicht zu entnehmen, dass er Absprachen mit einer Vertretung, die er hätte bitten können, getroffen hätte. Dieses schuldhafte Versäumnis wirkte sich in dem jetzt eingetretenen Verhinderungsfall aus.

d)
In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Fall des Klägers von dem Fall, der dem Beschluss des Senats vom 18. September 2008 (V ZB 32/08, NJW 2008, 3571) zugrunde lag. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in jenem Fall hatte für eine Vertretung Vorsorge getroffen (Senat, Beschluss vom 18. September 2008 – V ZB 3/08, NJW 2008, 3571, 3572 Rn. 11). Außerdem war er bettlägerig und so schwer erkrankt, dass er selbst den bereit stehenden Vertreter nicht mehr hatte verständigen können (Senat, aaO Rn. 12). Dergleichen lässt sich der hier maßgeblichen anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26. Februar 2013 nicht entnehmen. Dass dieser in einer nach Erlass der angefochtenen Entscheidung vorgelegten weiteren anwaltlichen Versicherung vom 31. Mai 2013 entsprechende Angaben gemacht hat, ist unerheblich. Auf solche neue Tatsachen kann die Wiedereinsetzung nach § 234 Abs. 1, § 236 Abs. 2 ZPO nicht gestützt werden (BGH, Beschluss vom 27. Februar 1997 – I ZB 50/96, NJW 1997, 1708, 1709).

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
AG Lünen, Entscheidung vom 23.11.2012, Az. 8 C 430/11
LG Dortmund, Entscheidung vom 10.05.2013, Az. 17 S 1/13

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