BGH: Der Fachanwaltstitel kann bei Rückgabe/Widerruf der Anwaltszulassung durch Fortbildungsstunden „konserviert“ werden

veröffentlicht am 2. April 2015

BGH, Beschluss vom 24.02.2015, Az. AnwZ (Brfg) 32/14
§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, § 15 FAO, § 43c Abs. 2 BRAO

Der BGH hat entschieden, dass ein Rechtsanwalt, der seine Zulassung zurück gibt oder seine Zulassung durch Widerruf der zuständigen Rechtsanwaltskammer verliert, den zuvor erworbenen Fachanwaltstitel behält und bei erneuter Zulassung auch führen darf, wenn er in der Zeit zwischen Ende und Neubeginn der Zulassung die notwendige Fachanwalts-Fortbildung durchgeführt hat. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Beschluss

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
hier: Erledigung der Hauptsache

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch … am 24.02.2015 beschlossen:

Das Zulassungsverfahren wird eingestellt.

Das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21.02.2014 ist gegenstandslos.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger war Fachanwalt für Arbeitsrecht. Mit Bescheid vom 18. November 2013 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Klage gegen den Widerrufsbescheid hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs beantragt. Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 26. Oktober 2014 hat der Kläger seine Zulassung „mit sofortiger Wirkung“ zurückgegeben. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 2014 die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO widerrufen. Die Parteien haben den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II.
Nachdem die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO das Zulassungsverfahren einzustellen. Ferner ist zur Klarstellung entsprechend § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Unwirksamkeit des Urteils des Anwaltsgerichtshofs festzustellen.

III.
Für die gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist nach § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Berichterstatter zuständig. Gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 161 Abs. 2 VwGO ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Danach hat der Kläger die Verfahrenskosten zu tragen. Namentlich sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht ersichtlich.

1.
Der Anwaltsgerichtshof ist auf der Grundlage rechtsfehlerfrei getroffener Feststellungen zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger – zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung vom 18. November 2013 (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 – AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 28. Oktober 2011 – AnwZ (Brfg) 20/11, NZI 2012, 106 Rn. 7 und vom 14. November 2013 – AnwZ (Brfg) 65/13, juris Rn. 5) – im Schuldnerverzeichnis eingetragen und daher der Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu vermuten war.

Nach Auffassung des Klägers ist eine Hinausschiebung des Zeitpunkts der Beurteilung einer Widerrufsverfügung aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, da die Verweisung auf ein Wiederzulassungsverfahren zu unverhältnismäßigen oder gar unzumutbaren Ergebnissen führe und gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl verstoße. Denn der Fachanwalt könne nicht einen einfachen Zulassungsantrag stellen.

Diese Argumentation trifft nicht zu. Ein aus der Anwaltschaft ausgeschiedener Rechtsanwalt hat mangels entgegenstehender gesetzlicher oder satzungsrechtlicher Regelungen einen Anspruch darauf, die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne Erfüllung der für die erstmalige Gestattung zu ihrem Führen maßgeblichen Voraussetzungen (Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und besonderer praktischer Erfahrungen) zu erhalten, sofern er die Fortbildungsverpflichtung nach § 43c Abs. 2 BRAO, § 15 FAO erfüllt hat (BVerfG, NJW 2015, 394). Wenn es dem Kläger gelungen wäre, seine Vermögensverhältnisse zu ordnen, und er die Erfüllung der ihn als Fachanwalt bisher ohnehin treffenden Fortbildungsverpflichtung nachgewiesen hätte, wäre er nach Wiederzulassung als Rechtsanwalt daher befugt gewesen, die Fachanwaltsbezeichnung wieder zu führen. Der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führt mithin im Hinblick auf die vom Kläger bis zum Widerruf geführte Fachanwaltsbezeichnung nicht zu unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Ergebnissen.

2.
Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Der Anwaltsgerichtshof hat insofern zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls, in dem die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 – AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 31. Mai 2010 – AnwZ (B) 54/09, juris Rn. 6 und vom 24. Mai 2013 – AnwZ (Brfg) 15/13, juris Rn. 5), vorliegend nicht gegeben sind. Die Annahme einer solchen Sondersituation setzt zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 – AnwZ (B) 43/03, aaO; vom 24. Oktober 2012 – AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9; vom 26. August 2013 – AnwZ (Brfg) 31/13, juris Rn. 5 und vom 4. Januar 2014 – AnwZ (Brfg) 62/13, juris Rn. 6). Besonderes Augenmerk muss dabei der Frage gelten, ob die – eine Gefährdung der Mandanten ausschließenden – arbeitsvertraglichen Beschränkungen vom angestellten Rechtsanwalt und seinen Arbeitgebern eingehalten werden. Es reicht daher nicht aus, wenn ein solcher Vertrag vorgelegt wird; vielmehr muss der Vertrag schon über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei „gelebt“ worden sein (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 – AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 12; vom 6. September 2011 – AnwZ (Brfg) 5/11, juris Rn. 5; vom 4. April 2012 – AnwZ (Brfg) 62/11, juris Rn. 7 und vom 22. Mai 2013 – AnwZ (Brfg) 73/12, juris Rn. 5). Diese Voraussetzungen waren vorliegend zu dem nach der Senatsrechtsprechung maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens nicht gegeben.

IV.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 21.02.2014, Az. 1 AGH 44/13

I