BGH: Die getrennte Abmahnung von unterschiedlichen Werbemitteln mit identischen Werbeinhalten ist nicht rechtsmissbräuchlich

veröffentlicht am 5. Dezember 2009

BGH, Urteil vom 22.04.2009, Az. I ZR 14/07
§ 4 Nr. 11; 8 Abs. 4 UWG

Der BGH hatte in diese Urteil erneut zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Mehrfachabmahnungen zu entscheiden. Von einem Missbrauch i.S. des § 8 Abs. 4 UWG sei auszugehen, wenn sich der Gläubiger bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs von sachfremden Motiven leiten lasse. Diese müssten allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend sei, dass die sachfremden Ziele überwiegen würden. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten könnten sich unter anderem daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß getrennte Verfahren anstrenge und dadurch die Kostenlast erheblich erhöhe, obwohl eine Inanspruchnahme in einem Verfahren für ihn mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre (BGHZ 144, 165, 170 f. – Missbräuchliche Mehrfachverfolgung; BGH, Urteil vom 17.11.2005, Az. I ZR 300/02, GRUR 2006, 243 Tz. 16 – MEGA SALE).

Ob diese Maßstäbe auf die Beurteilung der Mehrfachverfolgung gleichartiger oder ähnlich gelagerter Wettbewerbsverstöße zu übertragen seien, habe der Senat bislang offengelassen (vgl. BGH, Urteil vom 20.12.2001, Az. I ZR 15/98, GRUR 2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung). Die Übertragung dieser Maßstäbe auf gleichartige oder ähnlich gelagerte Wettbewerbsverstöße jedenfalls zwischen denselben Parteien entspreche dem Normzweck des § 8 Abs. 4 UWG, Missbräuchen bei der Geltendmachung von Abwehransprüchen aus sachfremden, nicht schutzwürdigen Gründen entgegenzuwirken. Im Streitfall seien aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vorhanden, die eine missbräuchliche Rechtsverfolgung durch die Beklagte nahelegten. Zu Recht habe das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte berechtigte Gründe für die Verfolgung der in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße in verschiedenen Prozessen gehabt habe. Diese Gründe hätten sich im Streitfall daraus ergeben, dass die Beklagte bei der Verfahrenseinleitung von einer unterschiedlichen Beweissituation habe ausgehen können (vgl. hierzu BGH GRUR 2002, 713, 714 – Zeitlich versetzte Mehrfachverfolgung; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 8 Rdn. 4.14). Während die Frage, ob die nur in kleiner Schrift unten links auf dem Handzettel angebrachten weiteren Tarifhinweise die Anforderungen an eine ausreichende Lesbarkeit erfüllten, sich ohne weiteres anhand des Werbeträgers hätten beurteilen lassen, hätte die Beklagte davon ausgehen können, dass die entsprechenden Feststellungen für das auf dem Gehweg vor dem Geschäftslokal der Klägerin aufgestellte Werbeplakat nur durch andere Beweismittel (Foto, Zeugenvernehmung) habe getroffen werden können.

Die Klägerin betrieb in Hamburg einen Fachmarkt für elektrische und elektronische Geräte. Sie warb im Sommer 2005 mit dem im Widerklageantrag abgebildeten Handzettel für den Abschluss von Verträgen für Mobilfunktelefone. Der beworbene Netzkartenvertrag sah einen festen Minutenpreis für jedes Telefonat und einen Festpreis für jede SMS vor; eine Grundgebühr war nicht zu zahlen. Die weiteren Informationen zur Vertragslaufzeit, zum einmaligen Anschlusspreis und zum monatlichen Mindestgesprächsumsatz waren in sehr kleiner Schrift gehalten, die etwa der Schriftgröße 4 entsprach. Für den Netzkartenvertrag warb die Klägerin auch mit einem auf dem Gehweg vor ihren Geschäftsräumen aufgestellten Werbeplakat, das inhaltlich, farblich und im Layout dem Handzettel entsprach.

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 10.11.2005, Az. 327 O 616/05
OLG Hamburg, Entscheidung vom 20.12.2006, Az. 5 U 209/06

I