BGH: Ein Spediteur, der Markenfälschungen aus dem Ausland annimmt und in das Ausland weiterführt, ohne sie zwischenzeitlich zu entpacken, haftet nicht als Markenverletzer / Clinique happy

veröffentlicht am 22. Oktober 2012

BGH, Urteil vom 25.04.2012, Az. I ZR 235/10
§ 823 Abs. 2 BGB, § 1004 BGB, Art. 40 Abs. 1 S.1 EGBGB, § 14 Abs. 2 MarkenG, Art. 5 Marken-RL, Art. 9 GMV

Der BGH hat entschieden, dass ein Spediteur, der im Rahmen eines sog. „durchgehenden Zollschlussverfahrens“ Ware aus dem Ausland annimmt, um es in das (russische) Ausland weiterzutransportieren, nicht gegen das Markenrecht, aber auch nicht gegen das Wettbewerbs- oder Deliktsrecht verstößt. Im vorliegenden Verfahren erreichte am 2007 eine aus Dubai kommende Lieferung von Parfümprodukten den Flughafen Tegel. Auf den Kartons der Lieferung war die Bezeichnung „Clinique Labs“ angebracht. Die Kartons enthielten gefälschte Parfümprodukte, die mit „Clinique happy“ oder „Clinique happy heart“ gekennzeichnet waren. Die in Deutschland ansässige Beklagte sollte diese Ware im Rahmen eines durchgehenden Zollverschlussverfahrens nach Russland transportieren. Der Senat urteilte insbesondere, dass keine wettbewerbsrechtlichen Ansprüche bestünden, weil die Parteien im Hinblick auf die insoweit allein in Betracht kommenden Speditionsleistungen nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stünden. Ein Deliktsanspruch scheitere daran, dass mit dem Bestehen eines russischen Markenrechts kein deutsches Schutzrecht verletzt werde. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Urteil



Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts vom 12.10.2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Unternehmen der E. -Gruppe und repräsentiert diese in Deutschland. Sie macht gegen die Beklagte, ein Speditionsunternehmen, Rechte aus den deutschen und den EU-Wortmarken „Clinique“ und „Clinique happy“ geltend, die für ihre in New York ansässige Schwestergesellschaft Clinique Laboratories, LLC. unter anderem für Parfümerien eingetragenen sind (im Weiteren: Klagemarken). Im Rahmen ihrer Vertretung der E. -Gruppe hatte die Klägerin für diese Marken in Deutschland Grenzbeschlagnahmeanträge gestellt, um bei verdächtigen Einfuhrsendungen die Aussetzung der Überlassung der Waren zu erreichen.

Am 26. März 2007 erreichte eine aus Dubai kommende Lieferung von Parfümprodukten den Flughafen Tegel. Auf den Kartons der Lieferung war die Bezeichnung „Clinique Labs“ angebracht. Die Kartons enthielten gefälschte Parfümprodukte, die mit „Clinique happy“ oder „Clinique happy heart“ gekennzeichnet waren. Die in Deutschland ansässige Beklagte sollte diese Ware im Rahmen eines durchgehenden Zollverschlussverfahrens nach Russland transportieren. Aufgrund der von ihr gestellten Grenzbeschlagnahmeanträge wurde die Klägerin mit Bescheid vom 29. März 2007 vom Hauptzollamt Potsdam über die Aussetzung der Überlassung eines Teils des Warenkontingents wegen des Verdachts einer Markenrechtsverletzung informiert. Mit einstweiliger Verfügung vom 9. April 2007 untersagte das Landgericht Berlin der Beklagten, ohne Zustimmung der Markeninhaberin Parfüms mit den Marken „Clinique“ oder „Clinique happy“ ein- und/oder auszuführen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder diese Handlungen vornehmen zu lassen. Der Beklagten wurde ferner aufgegeben, die beschlagnahmte Ware bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung oder bis zu einer außergerichtlichen Einigung der Parteien in der Verwahrung der Zollbehörden zu belassen. Die Parteien einigten sich dahingehend, dass die einstweilige Verfügung vom 9. April 2007 bis zur rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Hauptsacheverfahren Bestand haben soll.

Nach Ansicht der Klägerin verletzt die Einfuhr der Produkte nach Deutschland deutsche Marken- und Firmenrechte. Sie hat ferner geltend gemacht, ein etwaiger Transit der Waren von Berlin durch Deutschland nach Russland sei als unlauterer Wettbewerb sowie als unerlaubte Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB anzusehen. Weiter drohe eine Verletzung von russischen Markenrechten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die auf Unterlassung der Ein- und/oder Ausfuhr, des Anbietens und des Inverkehrbringens von mit den Marken „Clinique“ oder „Clinique happy“ gekennzeichneten Parfüms ohne Zustimmung der Clinique Laboratories, LLC/USA, auf Herausgabe der beschlagnahmten Waren zum Zwecke der Vernichtung und auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung gerichtet ist. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte entsprechend einem in der Berufungsinstanz gestellten Hilfsantrag unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, Parfüms nach Russland einzuführen und/oder in Russland in den Verkehr zu bringen, die ohne Zustimmung der Firma Clinique Laboratories Inc./USA oder der Firma E. Ltd./Canada die Kennzeichnung „Clinique happy heart“ oder die Kennzeichnung „Clinique happy“ tragen, wenn dies geschieht wie hinsichtlich der Parfüms „Clinique happy heart“ 30 ml und „Clinique happy“ 4 ml, für die vom Hauptzollamt Potsdam (Zollamt Berlin-Flughafen-Tegel) die Aussetzung der Überlassung angeordnet worden ist (SV 1203 B C1. 07DE210510618370A8).

Ferner hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, das im Zolllager befindliche Kontingent der Parfüms an die Klägerin zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben (KG, GRUR-RR 2011, 263).

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Ein Unterlassungsanspruch folge nicht aus einer Verletzung der deutschen und der Gemeinschafts-Wortmarken „Clinique“ und „Clinique happy“ oder aus der Verletzung eines Unternehmenskennzeichens. Diese Kennzeichen seien in Deutschland nicht markenrechtlich benutzt worden, weil die Waren im durchgehenden Zollverschlussverfahren (zollrechtliches Nichterhebungsverfahren) nach Russland gebracht werden sollten. Die Klägerin habe keine hinreichenden konkreten Handlungen vorgetragen, die gegen ein in Deutschland 5 durchgehendes Zollversandverfahren und für ein Inverkehrbringen in Deutschland sprechen könnten.

Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich jedoch aus einem (außermarkenrechtlichten) deliktsrechtlichen Schutz der Klägerin. Zwar sei zweifelhaft, ob ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch gegeben sei. Nach dem für die Bestimmung des Kollisionsrechts maßgebenden Marktortprinzip sei russisches Wettbewerbsrecht anzuwenden. Darauf habe sich die Klägerin aber nicht berufen. Ein Unterlassungsanspruch folge im Streitfall jedoch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit russischen markenrechtlichen Schutzvorschriften. Jedenfalls sei russisches Markenrecht als ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Rechtsgut anzusehen. Wirke ein Speditionsunternehmen im Inland an einer Versendung von Markenfälschungen in solche Länder mit, in denen Markenschutz bestehe, könne bereits die bloße Durchfuhr ein in Deutschland begangener Teil einer unerlaubten Handlung sein. Im Streitfall bestehe Markenschutz im Bestimmungsland Russland. Die Beklagte hafte unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung auf Unterlassung, weil sie den objektiv markenrechtswidrigen Besitz zu Gunsten des russischen Käufers und Importeurs aufrechterhalten habe, nachdem sie von der Klägerin darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass es sich bei der Ware um Markenfälschungen handele. Der Anspruch auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung folge zwar nicht aus § 18 Abs. 1 MarkenG, weil ein inländisches Kennzeichenrecht nicht verletzt sei. Der Anspruch ergebe sich aber – ebenso wie der Unterlassungsanspruch – aus § 1004 BGB.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 9 1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe im Hinblick auf die geplante Einfuhr der beanstandeten Produkte nach Russland oder deren Inverkehrbringen in Russland ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 BGB zu, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a)
Allerdings hat der Senat unter der Geltung des Warenzeichengesetzes angenommen, dass dann, wenn die Beförderung zu einer Verletzung eines im Bestimmungsland geschützten Zeichens führt, in der Durchfuhr ein im Inland begangener Teilakt einer Beeinträchtigung des ausländischen Schutzrechts gesehen werden kann, der als unlauterer Wettbewerb sowie als unlautere Handlung im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB im Inland verfolgt werden kann (BGH, Urteil vom 15. Januar 1957 – I ZR 56/55, GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner/Pertussin II; Urteil vom 24. Juli 1957 – I ZR 21/56, GRUR 1958, 189, 197 – Zeiß).

b)
An dieser Rechtsprechung, auf die der Senat bereits in der Entscheidung „Durchfuhr von Originalware“ (Urteil vom 21. März 2007 – I ZR 66/04, GRUR 2007, 875 = WRP 2007, 1184) nicht mehr zurückgekommen ist, wird nicht festgehalten.

aa)
Allerdings hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, dass auf die beanstandete Handlung deutsches Deliktsrecht anzuwenden ist.

Da es im Streitfall um einen Sachverhalt mit Auslandsberührung geht, dem eine vor dem 11. Januar 2009 vorgenommene Handlung der Beklagten zugrunde liegt, findet die Rom-II-Verordnung noch keine Anwendung (vgl. Art. 31 f. ROM-II-VO). Für die kollisionsrechtliche Prüfung ist vielmehr Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblich. Danach unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat oder – bei der Annahme eines Unterlassungsdelikts – hätte handeln müssen (vgl. Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl., (IPR) EGBGB Art. 40 Rn. 4). Im Streitfall 11 liegt der Handlungsort in Deutschland. Das Berufungsgericht hat das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten darin gesehen, dass sie den objektiv markenrechtswidrigen Besitz zu Gunsten des russischen Käufers und Importeurs aufrechterhalten habe, obwohl sie von der Klägerin auf den Umstand der Markenfälschung aufmerksam gemacht worden sei. Es ist mithin von einer in Deutschland verletzten Handlungspflicht ausgegangen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man die maßgebende Handlung im (drohenden) Transport durch Deutschland sähe (so BGH, GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner/Pertussin II; GRUR 1958, 189, 197 – Zeiß).

bb)
Der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch lässt sich jedoch nicht auf § 823 BGB stützen, weil diese Vorschrift russische Markenrechte nicht schützt.

(1)
Das Deliktsstatut bestimmt über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer unerlaubten Handlung (vgl. MünchKomm.BGB/Junker, 5. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 99) und damit auch über die geschützten Rechtsgüter (Erman/Hohloch, BGB, 13. Aufl., Art. 40 EGBGB Rn. 41). Russisches Markenrecht kommt als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. Unter den Begriff des Gesetzes im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches fallen allein nationale sowie solche internationalen Rechtsnormen, die für den Bürger unmittelbar im Inland gelten (Art. 2 EGBGB; vgl. Bamberger/Roth/Spindler, BGB, 3. Aufl., § 823 Rn. 147; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn. 56a; MünchKomm.BGB/Wagner aaO § 823 Rn. 336). Diese Voraussetzungen erfüllt das russische Markenrecht nicht. Für nationale Immaterialgüterrechte gilt der völkerrechtlich und unionsrechtlich anerkannte Grundsatz der Territorialität, wonach diese Rechte einen auf das staatliche Territorium begrenzten Schutz genießen und nur im Inland vorgenommene Handlungen geahndet werden können (EuGH, Urteil vom 22. Juni 1994 – C-9/93, Slg. 1994, I-2789 = GRUR Int. 1994, 614 Rn. 22 – Ideal Standard II; Urteil vom 14. Juli 2005 – C-192/04, Slg. 2005, I-7199 = GRUR 2006, 50 Rn. 46 – Lagardre; BGH, Urteil vom 22. Januar 1964 – Ib ZR 92/62, 16 BGHZ 41, 84, 87 – Maja; Urteil vom 13. Oktober 2004 – I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493 – HOTEL MARITIME; Urteil vom 24. März 2011 – I ZR 211/08, GRUR 2011, 1112 Rn. 22 = WRP 2011, 1621 – Schreibgeräte; Büscher in: Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 14 Rn. 67). Ausländische Marken können daher nur aufgrund von – im Streitfall nicht ersichtlichen – Sonderregelungen oder zwischenstaatlicher Anerkennung in Deutschland Schutz genießen (Ingerl/Rohnke; MarkenG, 3. Aufl., Einl. Rn. 15; Erman/Hohloch aaO Art. 40 EGBGB Rn. 46) und kommen deshalb weder als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB noch als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Katzenberger, ZHR 131 (1968), 174, 177 f.; Leitzen, GRUR 2006, 89, 95; im Ergebnis ebenso Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 14 Rn. 164; ders., MarkenR 2009, 7, 9).

(2)
Entgegen der Ansicht der Revision erfordert der Gesichtspunkt der Schutzbedürftigkeit des Markeninhabers keine abweichende Beurteilung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Streitfall dadurch gekennzeichnet ist, dass im Bestimmungsstaat der beanstandeten Warenlieferung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Markenschutz besteht. Das Bedürfnis an einem Rechtsschutz bereits im Transitstaat ist für die Markeninhaberin mithin geringer als bei einer Durchfuhr in schutzrechtsfreie Bestimmungsländer, bei der ein Schutz nach dem Deliktsrecht des Transitstaates von vornherein ausscheidet. Hinzu kommt, dass den Interessen des Schutzrechtsinhabers bei einem Transit in einen Bestimmungsstaat, in dem gewerbliche Schutzrechte bestehen, auch durch eine Zusammenarbeit der Zollbehörden Rechnung getragen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – C-446/09, C-495/09, GRUR Int. 2012, 134 Rn. 65 – Philips und Nokia).

2.
Aus den vorstehenden Gründen fehlt es auch an einer Anspruchsgrundlage für den vom Berufungsgericht zugesprochenen Antrag auf Herausgabe des im Zolllager befindlichen Parfümkontingents zum Zwecke der Vernichtung. 18 III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1.
Das Berufungsgericht hat wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus dem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb abgelehnt, weil die Parteien im Hinblick auf die insoweit allein in Betracht kommenden Speditionsleistungen nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Auf das nach dem Recht des Marktorts in Betracht kommende russische Wettbewerbsrecht habe sich die Klägerin im Streitfall nicht berufen. Diese Beurteilung lässt keine Rechtsfehler erkennen (vgl. auch Leitzen, GRUR 2006, 89, 95). Auch die Revisionserwiderung erinnert insoweit nichts. Die Klägerin hat ihre Anträge in der Revisionsinstanz vielmehr in erster Linie auf § 823 Abs. 1 und 2 BGB und in zweiter Linie unmittelbar auf die Verletzung russischer Markenrechte gestützt.

2.
Auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen sich die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung auch nicht unmittelbar aus russischem Markenrecht.

a)
Aus dem Territorialitätsgrundsatz folgt, dass das nationale Immaterialgüterrecht nur die Handlungen mit Sanktionen belegen kann, die im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates vorgenommen worden sind (EuGH, GRUR Int. 1994, 614 Rn. 22 – Ideal Standard II; GRUR 2006, 50 Rn. 46 – Lagardre; BGH, GRUR 2005, 431, 432 – HOTEL MARITIME). Daher wird eine bloße Vorbereitungshandlung wie der Transport durch das Transitland vom Recht des Bestimmungsstaates nicht erfasst (Leitzen, GRUR 2006, 89, 95; vgl. auch Heinze/Heinze, GRUR 2007, 740, 746). 20 b) Etwas anderes kann jedoch im Hinblick auf die vom Unterlassungsantrag der Klägerin erfasste Einfuhr von mit den Klagemarken gekennzeichneten Parfüms nach Russland sowie auf ein Inverkehrbringen solcher Waren in Russland gelten. Diese Handlungen betreffen ein Verhalten innerhalb des russischen Territoriums und kommen daher als Verletzungshandlungen nach russischem Markenrecht in Betracht.

c)
Ob sich der Unterlassungsantrag im Streitfall auf eine Verletzung von russischem Markenrecht stützen lässt, kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beantwortet werden.

Zwar ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klagemarken auch in Russland Schutz genießen. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte die Waren vom Flughafen Berlin/Tegel per LKW nach Russland befördern sollte. Das Berufungsgericht hat jedoch – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob ausgehend von dieser Sachlage nach russischem Recht gegen die Beklagte als Spediteurin ein vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht, der den Klageantrag rechtfertigt. Entsprechendes gilt für den Antrag auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung.

IV.
Danach ist das Urteil des Berufungsgerichts auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Für die neue Verhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:

Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen, dass die Klageanträge sich nicht auf russisches Markenrecht stützen lassen, kann sich nachrangig die Frage stellen, ob die Klage nach deutschem oder unionsrechtlichem Markenrecht gerechtfertigt ist. Dies ist zu verneinen. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die ungebrochene Durchfuhr von Waren, die mit einer im Inland geschützten Marke versehen sind, als solche keine Benutzungshandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 MarkenG, Art. 5 MarkenRL, Art. 9 GMV und damit keine Markenverletzung darstellt.

1.
Werden Waren, die mit einer im Inland geschützten Marke versehen sind, im Zollverschlussverfahren durch Deutschland transportiert, kann der Markeninhaber dagegen nur vorgehen, wenn – beispielsweise durch Verkaufsangebote – ein Inverkehrbringen der Waren im Inland oder – im Falle einer Gemeinschaftsmarke – in der Union droht. Die bloße Gefahr, dass die Waren nicht an ihrem Zielort ankommen und eventuell im Durchfuhrmitgliedstaat Deutschland unbefugt in den Verkehr gebracht werden, reicht nicht für die Annahme aus, dass wesentliche Funktionen der Marke in Deutschland beeinträchtigt werden (EuGH, Urteil vom 9. November 2006 – C-281/05, Slg. 2006, I-10881 = GRUR 2007, 146 Rn. 23 ff. – Montex Holdings/Diesel; EuGH, GRUR Int. 2012, 134 Rn. 55 ff. – Philips und Nokia; BGH, Urteil vom 21. März 2007 – I ZR 246/02, GRUR 2007, 876 Rn. 18 = WRP 2007, 1185 – DIESEL II; BGH, GRUR 2007, 875 Rn. 12 – Durchfuhr von Originalware). Es ist insoweit unerheblich, ob die durch Deutschland durchgeführten Waren für einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einen Drittstaat bestimmt sind und ob in dem Bestimmungsstaat Markenschutz besteht oder nicht (vgl. BGH, GRUR 2007, 876 Rn. 18 – DIESEL II; BGH GRUR 2007, 875 Rn. 12 – Durchfuhr von Originalware; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 14 Rn. 581; Hacker in Ströbele/Hacker aaO § 14 Rn. 164; ders. in MarkenR 2009, 7, 9; Leitzen, GRUR 2006, 89, 94).

2.
Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat festgestellt, dass die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin keine hinreichenden konkreten Umstände vorgetragen hat, die gegen ein in Deutsch-30 land durchgehendes Zollversandverfahren und für ein Inverkehrbringen in Deutschland sprechen könnten. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, es sei zu einem Inverkehrbringen in Deutschland gekommen, setzt sie lediglich ihre eigene Beurteilung an die Stelle der nicht erfahrungswidrigen tatrichterlichen Würdigung, wie sie das Berufungsgericht und – von diesem konkret in Bezug genommen – das Landgericht vorgenommen haben.

Vorinstanzen:
LG Berlin, Urteil vom 26.08.2008, Az. 15 O 752/07
KG Berlin, Urteil vom 12.10.2010, Az. 5 U 152/08

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