BGH: Eine irrtümliche Falschbezeichnung des Beklagten kann die Abweisung der Klage zur Folge haben

veröffentlicht am 7. März 2013

BGH, Urteil vom 24.01.2013, Az. VII ZR 128/12
§ 253 ZPO

Der BGH hat entschieden, dass die irrtümlich falsche Bezeichnung des Beklagten zur Abweisung der Klage führen kann. Eine Berichtigung des Rubrums komme nicht in Frage, wenn es sich bei dem irrtümlich bezeichneten Beklagten um eine existierende juristische Person handele und sich aus der Klage kein Anhaltspunkt ergebe, dass diese nur irrtümlich benannt wurde. Vorliegend sei auf Grund eines vorangegangenen Mahnbescheidsverfahrens nicht erkennbar gewesen, dass der Kläger eine andere juristische Person gemeint habe. Vgl. auch hier. Zum Volltext der Entscheidung:


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Bundesgerichtshof

Urteil

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2013 durch … für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11.04.2012 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn. Im Revisionsverfahren streiten die Parteien nur darüber, wer Beklagte des Rechtsstreits ist.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden einheitlich: Klägerin) verpflichtete sich durch Generalunternehmervertrag vom 11. März 2003 mit der S. Projektentwicklung GmbH zur Errichtung eines Einkaufszentrums in F. Am 29. März 2007 stellte die Klägerin der S. Projektentwicklung GmbH mit ihrer Schlussrechnung noch 1.147.987,30 € in Rechnung.

Die Klägerin hat am 27. Dezember 2010 beim Amtsgericht einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides unter Bezugnahme auf eine „Schlussrechnung – ZO F. vom 29.03.07“ gestellt und Zahlung von 1.147.987,30 € nebst Zinsen begehrt. Als Antragsgegnerin war die S. Real Estate GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer H. in K., angegeben. Dieser Mahnbescheid ist der Beklagten am 29. Dezember 2010 zugestellt worden. Nach deren Widerspruch ist die Sache zur Durchführung des streitigen Verfahrens an das Landgericht abgegeben worden, wo der Aktenauszug am 28. Februar 2011 eingegangen ist. Am 11. März 2011 hat die Klägerin ihren Anspruch begründet. Dort heißt es u.a.: „Die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin … hatte mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die früher unter dem Namen S. Projektentwicklung GmbH firmierte, einen Werkvertrag bezüglich des Bauvorhabens … am 11.03.2003 abgeschlossen“.

Tatsächlich existieren zwei unterschiedliche Gesellschaften, nämlich die S. Projektentwicklung GmbH und die S. Real Estate GmbH. Beide haben dieselbe Anschrift und denselben Geschäftsführer.

Nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hat, dass sie weder Vertragspartnerin der Klägerin sei noch aus sonstigen Rechtsgründen für die Klageforderung hafte, hat die Klägerin beantragt, das Passivrubrum dahingehend zu berichtigen, dass nicht die Firma S. Real Estate GmbH, sondern die Firma S. Projektentwicklung GmbH als Beklagte geführt wird. Zur Begründung hat sie angegeben, dass die Klägerin bei Beantragung des Mahnbescheides unrichtigerweise die Firma S. Real Estate GmbH in Anspruch genommen habe, weil ihr von dritter Seite mitgeteilt worden sei, dass die S. jetzt unter dieser Firmierung auftrete. Auch aufgrund des Internetauftritts der Firma S. sei sie darin bestärkt worden, dass es sich bei der S. Real Estate GmbH um die Rechtsnachfolgerin handele. Es habe schon aufgrund der Klagebegründung keinem Zweifel unterliegen können, dass die Klägerin lediglich dem Irrtum unterlegen gewesen sei, dass hier eine Rechtsnachfolge vorliege. Dass die frühere Vertragspartnerin der Klägerin, also die Firma S. Projektentwicklung GmbH, nach wie vor bestehe, sei der Klägerin nicht bekannt gewesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge auf Berichtigung des Passivrubrums sowie auf Zahlung von 1.147.987,30 € nebst Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich das Verfahren nicht von Anfang an gegen die S. Projektentwicklung GmbH, sondern gegen die im Mahnbescheidsantrag und Rubrum als Beklagte bezeichnete Gesellschaft gerichtet habe, so dass das Passivrubrum nicht zu berichtigen sei. Zwar sei eine Parteibezeichnung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung sei grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar bei objektiver Deutung aus Sicht der Empfänger, nämlich Gericht und Gegenpartei, durch die Parteibezeichnung betroffen werden sollte. Deshalb sei eine Auslegung des Antrags der Klägerin als gegen die S. Projektentwicklung GmbH gerichtet nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es die bezeichnete Beklagte als juristische Person tatsächlich gebe. Vorliegend bestehe jedoch die Besonderheit, dass das Verfahren von der Klägerin durch Mahnbescheidsantrag eingeleitet worden sei. Weitere Mittel zur Auslegung als die dort enthaltenen Angaben hätten dem Mahngericht bei Erlass des Mahnbescheides nicht zur Verfügung gestanden. Insoweit liege der Fall anders als die bisher vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Fälle, in denen das Verfahren durch Klageschrift eingeleitet wurde, bei der für die Auslegung der gewählten Parteibezeichnung deren gesamter Inhalt und die beigefügten Anlagen herangezogen werden könnten.

Allerdings habe für die Beklagte bei Erhalt des Mahnbescheides erkennbar gewesen sein dürfen, dass sich die von der Klägerin geltend gemachte Forderung nicht gegen sie richten konnte. Denn die erwähnte Schlussrechnung sei zu keiner Zeit an die Beklagte gerichtet worden und diese sei auch nicht Vertragspartnerin des genannten Bauvorhabens gewesen. Dieser Umstand sei jedoch für das Mahngericht als Empfänger des Mahnbescheidsantrags nicht erkennbar gewesen. Die Angaben der Klägerin zur Antragsgegnerin im Mahnbescheidsantrag seien nicht unklar, unzweideutig oder objektiv unrichtig gewesen, so dass im Mahnverfahren kein Grund und kein Anhaltspunkt für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung des Mahnantrags bestanden habe. Damit sei die S. Real Estate GmbH Antragsgegnerin des Mahnverfahrens geworden. Folglich sei mit Eingang der Akten beim Streitgericht Rechtshängigkeit gegenüber der im Mahnbescheid als Gegnerin bezeichneten Partei, nämlich der Beklagten, eingetreten.

Erst aus der Anspruchsbegründung sei auch für das Gericht zu ersehen gewesen, dass die Klägerin beabsichtigt habe, ihre Vertragspartnerin in Anspruch zu nehmen. Solche späteren Prozessvorgänge könnten aber nur noch einen – von der Klägerin nicht gewollten – Parteiwechsel begründen, nicht jedoch Grund für eine Rubrumsberichtigung sein.

Ein Anspruch gegen die Beklagte stehe der Klägerin nicht zu.

II.
Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1.
Das Berufungsgericht ist von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Wer Partei eines Zivilrechtsstreits ist, ergibt sich aus der in der Klageschrift gewählten Parteibezeichnung, die nach der Rechtsprechung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich ist. Maßgebend ist, welcher Sinn dieser prozessualen Erklärung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts aus der Sicht der Empfänger beizulegen ist. Deshalb ist bei objek-tiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusehen, die erkennbar durch die fehlerhafte Parteibezeichnung betroffen werden soll. Für die Ermittlung der Parteien durch Auslegung ihrer Bezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen. Er greift auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist. Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist dagegen die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (BGH, Urteile vom 10. März 2011 – VII ZR 54/10, BauR 2011, 1041 = NZBau 2011, 416 Rn. 11; vom 27. November 2007 – X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582 Rn. 7 m.w.N.; vom 24. Januar 1952 – III ZR 196/50, BGHZ 4, 328; Beschluss vom 5. Februar 2009 IX ZB 136/06, NJW-RR 2009, 854 Rn. 9; BAG, Urteil vom 12. Februar 2004 2 AZR 136/03, AP Nr. 50 zu § 4 KSchG 1969 juris Rn. 15 m.w.N.; vgl. Musielak/Weth, ZPO, 9. Aufl., § 50 Rn. 7; MünchKommZPO/Lindacher, 4. Aufl., Vorbem. zu den §§ 50 ff. Rn. 12 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., Vor § 50 Rn. 6 ff.).

Entscheidend ist hierbei, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners als Empfänger hat (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 – IX ZB 136/06, aaO; Urteil vom 27. November 2007 X ZR 144/06, aaO; Beschluss vom 15. Mai 2006 – II ZB 5/05, NJWRR 2006, 1569 Rn. 11). Diese Maßstäbe gelten im Grundsatz ebenso bei der Beurteilung der Frage, wer in einem Mahnverfahren Antragsgegner ist (BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 – VIII ZB 35/98, NJW 1999, 1871 unter II. 1. a).

2.
Zutreffend hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage angenommen, beklagte Partei sei die existierende S. Real Estate GmbH.

Auf die vom Berufungsgericht für entscheidungserheblich und klärungsbedürftig angesehene Frage, ob es bei dieser Auslegung nur auf bis zum Erlass des Mahnbescheides erkennbare Tatsachen ankomme oder auch spätere Umstände, insbesondere Erklärungen in der Anspruchsbegründung, zu berücksichtigen seien, kommt es allerdings nicht an. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist das Ergebnis auch dann kein anderes, wenn bei der Auslegung der Beklagtenbezeichnung auch die Anspruchsbegründung berücksichtigt wird. Die Auslegung der prozessualen Erklärung unterliegt der vollen Nachprüfung des Revisionsgerichts (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2000 VIII ZR 289/99, NJW 2001, 445, 447 unter II. 1.; BAG, Urteil vom 12. Februar 2004 2 AZR 136/03, aaO).

Bei einer an sich korrekten Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person kommt ein objektives Verständnis, eine andere Person sei gemeint, nur in Betracht, wenn aus dem übrigen Inhalt der Erklärung unzweifelhaft deutlich wird, dass eine andere und welche Partei tatsächlich gemeint ist. Das ist nach dem Inhalt der Anspruchsbegründung nicht der Fall. Diese ist in sich widersprüchlich und mindestens mehrdeutig. Es lässt sich ihr deshalb nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit entnehmen, die Klägerin habe nicht die S. Real Estate GmbH, sondern die S. Projektentwicklung GmbH in Anspruch nehmen wollen. Sie hat dort nicht – wie das Berufungsgericht meint – zum Ausdruck gebracht, selbst davon auszugehen, dass eine bloße Umfirmierung vorliege und beide Gesellschaften identisch seien. Vielmehr hat sie angegeben, ihre Vertragspartnerin sei die Rechtsvorgängerin der beklagten S. Real Estate GmbH gewesen. Das spricht gerade dafür, dass sie bewusst eine andere Gesellschaft in ihrer angenommenen Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin in Anspruch genommen hat. Der Hinweis auf eine frühere Firmierung ließe sich sinnvoll damit erklären, dass er sich auf die Rechtsvorgängerin beziehen solle. Dass die Klägerin im Folgenden einheitlich nur noch von der Beklagten gesprochen hat, könnte eine nicht unübliche Vereinfachung oder Ungenauigkeit darstellen.

Auch die spätere Begründung des Berichtigungsantrags stützt mehrfach dieses Verständnis. Dort wird wiederholt darauf hingewiesen, dass die Klägerin irrtümlich die Beklagte für die Rechtsnachfolgerin der S. Projektentwicklung GmbH gehalten und sie deshalb in Anspruch genommen habe. Damit nicht vereinbar wird allerdings gleichzeitig von einer Umfirmierung gesprochen. Auch diese Erklärungsversuche sind insgesamt nicht geeignet, die Anspruchsbegründung in einem Lichte verstehen zu können, dass sie eindeutig eine bloße Falschbezeichnung der Beklagten belegt.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Freiburg, Urteil vom 22.07.2011, Az. 14 O 74/11
OLG Karlsruhe in Freiburg, Urteil vom 11.04.2012, Az. 13 U 179/11

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