BGH: Eine Markenverletzung kann auch vorliegen, wenn der Verkehr irrtümlich lizenzvertragliche Beziehungen zwischen Nutzer und Markeninhaber annimmt

veröffentlicht am 19. März 2014

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBGH, Beschluss vom 06.02.2013, Az. I ZR 67/12
§ 23 Nr. 3 MarkenG, § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Der BGH hat entschieden, dass die Herkunftsfunktion einer Marke auch beeinträchtigt sein kann, wenn jemand die Marke unberechtigt benutzt und den Eindruck erweckt, er sei dazu lizenzvertraglich berechtigt. Im vorliegenden Fall sei jedoch von einem solchen Verkehrsverständnis nicht auszugehen, so dass die Markennutzung zur Beschreibung einer Dienstleistung nicht untersagt wurde. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Beschluss

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2013 durch … beschlossen:

1.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. März 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2.
Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke Nr. 30403580 „SIPARI“, die für die Dienstleistungen eines Musik- und Sprachtherapeuten Schutz genießt. Die Klägerin hat eine Therapieform für Patienten entwickelt, die an einer oft durch einen Schlaganfall bedingten chronischen Sprachstörung (Aphasie) leiden. Die Klägerin behandelt Patienten nach dieser Methode und bietet Seminare zum Erlernen der Therapie an.

Die Beklagte warb im Internet für eine von ihr angebotene Musiktherapie mit dem Hinweis „SIPARI-Methode nach J. “ wie folgt:

Eine Therapieausbildung bei der Klägerin hat die Beklagte nicht absolviert.

Die Klägerin sieht in der Verwendung der Bezeichnung „SIPARI“ für eine Musiktherapie, für die die Beklagte keine Ausbildung absolviert hat, eine Verletzung ihrer Marke „SIPARI“ und eine über die Herkunft der Dienstleistungen täuschende und den Ruf ausbeutende Verwendung des Kennzeichens im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG sowie eine irreführende Werbung.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzverpflichtung und Zahlung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte bis auf einen Teil des Auskunftsanspruchs antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG Hamm, GRUR-RR 2012, 384). Die Revision hat es nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin. Mit der Revision will sie ihre Klageanträge weiterverfolgen.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

1.
Das Berufungsgericht hat marken- und wettbewerbsrechtliche Ansprüche verneint. Es hat angenommen, es liege ein Fall der Doppelidentität (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) vor. Die angegriffene Verwendung beeinträchtige aber nicht die Herkunftsfunktion der Klagemarke. Eine Beeinträchtigung der anderen Markenfunktionen sei nicht gegeben, weil es sich bei der Klagemarke nicht um eine bekannte Marke handele. Zudem greife die Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG ein. Die Nennung der Marke sei notwendig, um die angesprochenen Verkehrskreise über die Bestimmung der Dienstleistung der Beklagten zu informieren. Ein Verstoß gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel sei nicht gegeben.

Die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche bestünden ebenfalls nicht. Es liege keiner der Unlauterkeitstatbestände im Sinne von § 4 Nr. 9 UWG vor. Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen das Irreführungsverbot nach § 5 UWG seien verjährt.

2.
Die Beschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Verneinung einer Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Klagemarke mache die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

a)
Die Beschwerde rügt, im Streitfall bestehe eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Klagemarke, weil der Verkehr aufgrund der beanstandeten Werbung von Lizenzverbindungen zwischen den Parteien ausgehe. Die Klägerin biete Seminare nach der von ihr entwickelten Therapie an. Andere Therapeuten verwendeten die Bezeichnung „SIPARI“ nur, wenn sie die Seminare besucht und eine von der Klägerin erteilte befristete Lizenz erlangt hätten. Ohne den Besuch der Seminare der Klägerin könne die „SIPARI-Therapie“ nicht angewandt werden. Deshalb nähmen wesentliche Teile des Verkehrs an, es bestünden Lizenzverbindungen zwischen den Parteien.

b)
Diesen Ausführungen der Beschwerde kann nicht zugestimmt werden.

Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass die Annahme lizenzvertraglicher Verbindungen ausreichen kann, eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktionen der Klagemarke anzunehmen (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 I ZR 88/08, GRUR 2010, 726 Rn. 24 = WRP 2010, 1039 Opel-Blitz II). Es hat im Streitfall eine solche Annahme aufgrund der konkreten Verwendung der Bezeichnung „SIPARI“ mit dem Zusatz „nach J. “ verneint. Die Beschwerde zeigt keine Anhaltspunkte auf, aus denen sich ein entgegenstehendes Verkehrsverständnis ergibt. Allein der Umstand, dass die Klägerin die Verwendung der Klagemarke lizenziert und gegen eine nicht lizenzierte Verwendung vorgeht, reicht nicht für die Annahme aus, der Verkehr gehe bei der angegriffenen Angabe „SIPARI nach J. “ von Lizenzbeziehungen der Parteien aus. Deshalb greift auch die Rüge der Beschwerde nicht durch, das rechtliche Gehör der Klägerin sei verletzt.

3.
Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, eine der anderen Markenfunktionen als die Herkunftsfunktion sei ebenfalls nicht betroffen.

Allerdings ist der Schutz der Marke vor einer Beeinträchtigung der weiteren Markenfunktionen beim Identitätsschutz nicht auf eine bekannte Marke beschränkt (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2010 C236/08 bis C238/08, Slg. 2010, I2417 = GRUR 2010, 445 Rn. 92 Google und Google France; Urteil vom 22. September 2011 C323/09, GRUR 2011, 1124 Rn. 62 = WRP 2011, 1550 Interflora).

Der Senatsrechtsprechung ist Gegenteiliges ebenfalls nicht zu entnehmen.

Andererseits führt nicht zwangsläufig eine Verwendung einer Marke im Identitätsbereich zu einer Beeinträchtigung der neben der Herkunftsfunktion bestehenden weiteren Markenfunktionen (vgl. EuGH, GRUR 2010, 445 Rn. 95 Google und Google France; GRUR 2011, 1124 Rn. 57 und 64 Interflora).

Dass vorliegend von einer Beeinträchtigung der sonstigen Markenfunktionen auszugehen ist, zeigt die Beschwerde nicht auf.

4.
Die Beschwerde wendet sich auch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es liege ein Fall des § 23 Nr. 3 MarkenG vor. Sie meint, die Markennennung sei nicht notwendig im Sinne dieser Bestimmung. Die Beklagte könne die Informationen über ihre Dienstleistungen auch sinnvoll anders und zwar durch Angabe der Langform der Therapie übermitteln. Zudem liege auch ein Verstoß gegen die guten Sitten vor. Eine Herkunftstäuschung sei nicht ausgeschlossen, und es werde der Eindruck erweckt, die Beklagte habe die Therapie in einem Seminar bei der Klägerin erlernt.

Mit diesen Ausführungen hat die Beschwerde im Ergebnis keinen Erfolg. Allerdings ist die Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift ist die Verwendung einer Marke als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware oder Dienstleistung möglich. Die Vorschrift erlaubt die Verwendung eines geschützten Zeichens, um die Ware oder Dienstleistung des Kennzeicheninhabers zu bestimmen, für die die Ware oder Dienstleistung des Verwenders dienen soll (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 23 Rn. 109). Darum geht es im vorliegenden Fall nicht. Die Beklagte erbringt keine Dienstleistung, die für Originalprodukte oder Originaldienstleistungen der Klägerin bestimmt ist. Es geht vielmehr um eine beschreibende Verwendung im Sinne von § 23 Nr. 2 MarkenG. Entsprechend hat der Senat auch die Verwendung der Angabe „Feldenkrais“ und „Feldenkrais-Methode“ im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Ausbildung im Bereich der Bewegungstherapie an der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG gemessen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 2002 I ZR 103/00, GRUR 2003, 436, 439 = WRP 2003, 384 Feldenkrais).

Die Voraussetzungen der Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG sind im Streitfall gegeben. Das kann der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts selbst beurteilen. Die Beklagte verwendet die angegriffene Bezeichnung als Angabe über Merkmale und Eigenschaften ihrer Dienstleistungen. Die Benutzung verstößt auch nicht gegen die anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel. Insoweit gelten die Erwägungen des Berufungsgerichts zu § 23 Nr. 3 MarkenG entsprechend.

5.
Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt im Ergebnis ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe zu Unrecht wettbewerbsrechtliche Ansprüche verneint.

Allerdings sind etwaige wettbewerbsrechtliche Ansprüche der Klägerin anders als vom Berufungsgericht angenommen nicht verjährt. Geht man davon aus, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Abmahnung am 4. Oktober 2010 den beanstandeten Internetauftritt noch benutzt hat, trat Verjährung nach § 11 Abs. 1 und 2 UWG nicht vor dem 4. April 2011 ein. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche schon geltend gemacht (Schriftsatz vom 8. Februar 2011, S. 5 und 6). Der Schriftsatz ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten auch zugegangen (Schriftsatz der Beklagten vom 25. März 2011, S. 1). Damit ist ein etwaiger Zustellungsmangel geheilt (§ 172 Abs. 1 Satz 1, § 189 ZPO). Eine Änderung des Klageantrags war nicht erforderlich. Die Klägerin hat sich auch gegen die konkrete Verletzungsform gewandt.

Gleichwohl hat die Beschwerde keinen Erfolg. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zu der Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG und zum Fehlen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 UWG lässt sich insgesamt entnehmen, dass auch keine Täuschung des Verkehrs darüber erfolgt, die Beklagte habe bei der Klägerin eine Ausbildung absolviert.

6.
Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Bochum, Entscheidung vom 13.07.2011, Az. I-12 O 202/10
OLG Hamm, Entscheidung vom 01.03.2012, Az. I-4 U 135/11

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