BGH: Ist bei einer Softwareentwicklung der Vertrag noch nicht erfüllt, bedarf es keiner „qualifizierten Rüge“

veröffentlicht am 8. September 2010

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 25.03.2010, Az. VII ZR 224/08
§ 631 BGB

Der BGH hat entschieden, dass es keiner „qualifizierten Rüge“ bedarf, wenn bei einer Softwareentwicklung der Vertrag noch nicht erfüllt ist und dies vom Besteller beim Auftragnehmer angemerkt wird. Eine Aufforderung zur Leistung mit Fristsetzung sei nicht schon dann unwirksam, wenn der Besteller die Defizite der Leistung nicht im Einzelnen aufführe. Zitat:

2.
Die Leistung der Beklagten ist zur Zeit der Leistungsaufforderung vom 05.10.2004 noch nicht abgenommen gewesen. Der Vertrag befand sich noch im Erfüllungsstadium. In diesem Stadium reicht grundsätzlich eine Aufforderung, die vertragliche Leistung zu bewirken. Das hat der Bundesgerichtshof schon zur Leistungsaufforderung mit Fristsetzung und Ablehnungsandrohung nach § 326 Abs. 1 BGB a.F. entschieden (BGH, Urteil vom 07.07.1987, Az. X ZR 23/86, NJW-RR 1988, 310). Er hat dabei darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an eine Aufforderung zur Erfüllung des Vertrages nicht denjenigen entsprechen, die an die Aufforderung zur Mängelbeseitigung zu stellen sind (dazu BGH, Urteil vom 12.06.1980, Az. VII ZR 270/79, BauR 1980, 574). Diese müssen deshalb konkreter sein, weil sich durch die Abnahme das Werk des Unternehmers konkretisiert hat.

Für eine Leistungsaufforderung mit Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt nichts anderes. Maßgeblich ist, dass der Schuldner durch die Leistungsaufforderung mit Fristsetzung noch einmal in nachhaltiger Form zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages angehalten und ihm klargemacht wird, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Leistung durch ihn abgelehnt werde. Er soll sich entscheiden können, ob er die Folgen mangelnder Erfüllung auf sich nehmen oder durch Tätigwerden innerhalb der Frist von sich abwenden will. Richtig ist allerdings, dass eine Leistungsaufforderung diesen Zweck nicht erfüllen kann und ins Leere geht, wenn der Unternehmer die Leistung nach seiner Auffassung vollständig erbracht hat und durch die erhobene Rüge nicht erkennen kann, warum der Besteller sie nicht als vertragsgemäß akzeptiert (vgl. Alpmann in: jurisPK-BGB, 4. Aufl., § 281 Rdn. 24; MünchKommBGB/Ernst, 4. Aufl., § 281 Rdn. 33; Staudinger/Hansjörg Otto/Roland Schwarze, (2009), § 281 Rdn. B 38).

Daraus kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Leistungsaufforderung mit Fristsetzung schon dann unwirksam ist, wenn der Besteller die Defizite der Leistung nicht im Einzelnen aufführt. Das überspannt die Anforderung an die Leistungsaufforderung, denn dazu ist der Besteller häufig mangels eigener Sachkunde nicht in der Lage. Es reicht vielmehr, wenn er in diesem Fall die fehlende Funktionalität beanstandet. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof eine Aufforderung, eine Basisversion einer Software im vereinbarten Umfang fertig zu stellen, als ausreichend angesehen, ohne dass der Besteller gehalten gewesen wäre, die etwa vorhandenen Mängel der Software aufzuführen (BGH, Urteil vom 24.10.1998, Az. X ZR 21/96, NJW-RR 1999, 347, 348). Auch reicht eine Aufforderung aus, die nach dem Vertrag durch eine Software zu bewirkende Funktion herbeizuführen (BGH, Urteil vom 18.05.1999, Az. X ZR 100/98, juris).

3.
Auf dieser Grundlage kann die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Leistungsaufforderung mit Fristsetzung vom 05.10.2004 sei unwirksam, keinen Bestand haben. Ohne Belang ist, dass das Berufungsgericht das Erfüllungsverlangen der Klägerin als Nachbesserungsverlangen bezeichnet hat. Das ändert nichts daran, dass in der Sache die Erfüllung des Vertrages verlangt wurde.

a)
Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 05.10.2004 unter anderem aufgefordert, die Komplettinstallation vorzunehmen. Damit hat sie, wie sich auch schon aus ihrer E-Mail vom 08.06.2004 ergibt, die Fertigstellung der vertraglich geschuldeten Leistung gefordert. In dieser E-Mail hat sie gefordert, die Beklagte solle das System inklusive Schnittstellen vollständig und lauffähig zur Verfügung stellen. Dass mit dem Schreiben vom 04.10.2004 nichts anderes verlangt wurde, ergibt sich hinreichend deutlich aus dem darin in Bezug genommenen Schreiben vom 03.08.2004. Dort hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, eine Komplettinstallation mit sämtlichen ihr – der Beklagten – bekannten Programm-/Schnittstellenänderungen sowohl in der Test- als auch in der Produktionsumgebung vorzunehmen, so dass die vor Produktionsstart erforderlichen Tests durchgeführt werden könnten und der Produktivstart am 1. September 2004 erfolgen könne. Verlangt war damit eine die vertraglich vereinbarten Funktionalitäten erfüllende abnahmefähige Software.

b)
Es mag Fälle geben, in denen unter Berücksichtigung der besonderen Vertragsverhältnisse und der Probleme bei der Durchführung des Vertrages noch eine weitere Spezifizierung des Erfüllungsverlangens gefordert werden kann. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in den Schriftsätzen vom 30.05.2008 und 18.07.2008 war das Projekt bereits so weit fortgeschritten, dass nicht nur ein Konzept für die Anpassung der Software erstellt, sondern bereits ein Prototyp entwickelt und installiert worden war. Es standen daher entsprechend dem „Dienstleistungsvertrag“ vom 28.07.2004 noch die abnahmefähige Entwicklung des „Piloten“ und das darauf folgende „Roll-Out“ für die Gesamtorganisation der Klägerin aus. Dies war für die Beklagte als Projektentwicklerin ohne weiteres erkennbar. Die Parteien hatten darüber hinaus nach dem Vortrag der Klägerin, von dem mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen ist, in einer gemeinsam geführten Liste festgehalten, welche Fehler noch zu beseitigen waren. Eines Hinweises auf die bei Abfassung des Schreibens vom 5. Oktober 2004 aktuelle Fehlerliste bedurfte es nicht. Der Beklagten war diese Liste bekannt; frühere Fehlerlisten waren erkennbar überholt. Die Klägerin hätte zudem mit einem Verweis auf die in der Fehlerliste genannten Mängel ihr Ziel, eine Komplettinstallation zu erhalten, nicht sicher erreichen können. Denn es war nicht absehbar, dass bereits nach Beseitigung der bekannten Mängel die Software die vereinbarten Funktionalitäten aufgewiesen hätte. Soweit die Klägerin der Beklagten mit E-Mail vom 7. Oktober 2004 und damit in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schreiben vom 5. Oktober 2004 eine Fehlerliste übermittelt hat, diente dies der Unterstützung der Beklagten zur Erreichung der vereinbarten Funktionalitäten.

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Urteil vom 23.03.2007, Az. 33 O 76/06
OLG Düsseldorf, Urteil vom 02.10.2008, Az. I-7 U 82/07

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