BGH: Keine Geldentschädigung für ehrverletzende Äußerungen im Prozess – auch nicht bei der Unterstellung von Mord

veröffentlicht am 11. Februar 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 28.02.2012, Az. VI ZR 79/11
§ 253 BGB, § 823 BGB

Der BGH hat entschieden, dass ehrverletzende Äußerungen, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens oder gegenüber Strafverfolgungsbehörden in einem Ermittlungsverfahren getätigt werden, nicht zu einem Entschädigungsanspruch des Betroffenen führen. Dies gelte auch, wenn im Zivilprozess um die Auszahlung einer Lebensversicherung dem Ehemann der Vorwurf des Mordes als Begründung der Nichtzahlung gemacht werde, soweit die Äußerung der Rechtsverfolgung oder -verteidigung gedient habe. Vorliegend hätten die Umstände die von der Versicherung getätigte Vermutung nicht als fernliegend erscheinen lassen. In einem solchen Fall fehle es für eine Entschädigungsklage am Rechtsschutzbedürfnis, da redliche Äußerungen im Prozess später  nicht zu rechtlichen Nachteilen führen dürften. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Urteil

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2012 durch … für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 16. Februar 2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Beklagte nimmt den klagenden Lebensversicherer (nachfolgend: Klägerin), soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, auf Zahlung einer Entschädigung wegen ehrverletzender Äußerungen in Anspruch.

Der Beklagte hatte im Dezember 2001 bei der Klägerin einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Versicherte Person war seine Ehefrau. Die Versicherungssumme betrug zuletzt 1.682.163 €. Ende des Jahres 2003 verbrachten der Beklagte und seine Ehefrau einen Badeurlaub in Vietnam. Am 1. Januar 2004 kam die Versicherte unter im Einzelnen ungeklärten Umständen beim Baden im Meer zu Tode. Sie wurde entsprechend der Bitte des Beklagten nicht obduziert. Der Beklagte ließ den Leichnam am 3. Januar 2004 ohne vorherige Unterrichtung der Familie verbrennen. Der Verbleib der Urne mit der Asche der Verstorbenen ist ungeklärt. Das – u.a. auf Betreiben der Klägerin – von der Staatsanwaltschaft H. gegen den Beklagten eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Tötung seiner Ehefrau wurde gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt.

In einem Vorprozess nahm der Beklagte die Klägerin auf Feststellung ihrer Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag in Anspruch. Die Klägerin berief sich auf Leistungsfreiheit gemäß § 170 Abs. 1 VVG a.F. Sie machte geltend, der Beklagte habe den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt, um in den Genuss der Versicherungsleistung zu kommen. Sie listete eine Reihe von Indizien auf, die nach ihrer Ansicht den Vorwurf stützten, insbesondere Unstimmigkeiten in den verschiedenen Schilderungen des Geschehens durch den Beklagten, das Unterbleiben einer Obduktion, das rasche Verbrennen des Leichnams, das Verschwinden der Urne mit der Asche, das wegen der Höhe der Gesamtversicherungssummen bei verschiedenen Versicherern und angeblicher finanzieller Schwierigkeiten des Beklagten naheliegende Tatmotiv sowie nach ihrer Einschätzung gegebene Zweifel an der allgemeinen persönlichen Integrität des Beklagten. In diesem Zusammenhang berief sie sich u.a. auf Ermittlungen der mit der Sachaufklärung beauftragten A. GmbH, auf Schilderungen aus dem Verwandten- und Freundeskreis der Verstorbenen zum Verhältnis der Eheleute und auf Vorwürfe der sexuellen Belästigung asiatischer Haushaltshilfen. Mit Urteil vom 21. August 2007 wies das Landgericht S. die Klage ab. Es hatte sich davon überzeugt, dass der Beklagte den Tod seiner Ehefrau vorsätzlich herbeigeführt hatte. Mit Urteil vom 11. November 2009 hob das Saarländische Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts auf und stellte fest, dass die Klägerin verpflichtet ist, die Leistung aus dem Lebensversicherungsvertrag zu erbringen. Die Klägerin habe die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer gemäß § 170 Abs. 1 VVG a.F. nicht bewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Wegen der im Vorprozess und gegenüber der Staatsanwaltschaft H. aufgestellten Behauptungen verlangte der Beklagte von der Klägerin die Zahlung einer Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Die Klägerin hat daraufhin negative Feststellungsklage erhoben. Nachdem der Beklagte Widerklage auf Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens 20.000 € erhoben hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der negativen Feststellungsklage übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Landgericht hat die Widerklage mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Widerklagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hält die Widerklage für unzulässig, weil die gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe im Zusammenhang mit einem rechtlich geordneten Verfahren geäußert worden seien. Es sei mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs unvereinbar, wenn redlicher Sachvortrag in einem Zivilprozess aus Gründen des Ehrenschutzes zu straf- oder zivilrechtlichen Nachteilen führe, weil die Behauptung sich später im Prozess als unrichtig oder unaufklärbar erweise. Zwar habe ein an Massivität kaum zu übertreffender Vorwurf im Raum gestanden. Dies ändere aber nichts daran, dass die Klägerin in rechtlich zulässiger Weise und ohne Sanktionen gewärtigen zu müssen, habe darlegen und zu beweisen versuchen dürfen, von ihrer versicherungsvertraglichen Leistungspflicht befreit zu sein. Da die Klägerin keine eigenen Erkenntnisse über den Geschehensablauf gehabt habe, es durchaus Anhaltspunkte gegeben habe, die eine genauere Überprüfung angezeigt hätten erscheinen lassen und es u.a. auf die vom Beklagten veranlassten Maßnahmen zurückzuführen gewesen sei, dass eine Untersuchung des Leichnams zur genauen Klärung der Todesursache nicht möglich gewesen sei, habe es der Klägerin zugebilligt werden müssen, von ihren prozessualen Rechten dadurch Gebrauch zu machen, dass sie einen ihr günstigen Sachverhalt behauptet, ihn stützende Informationen zu ermitteln versucht und nach ihrer Einschätzung geeignete Beweismittel in das Verfahren eingeführt habe. Dieses Verhalten dürfe nicht rückwirkend mit dem Risiko einer Entschädigungspflicht behaftet werden. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin mit „wahrheitswidrigem und irreführendem“ Sachvortrag über die reine Rechtsverteidigung hinausgegangen sei. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, nicht unmittelbar mit dem Versicherungsfall zusammenhängende weitere Straftaten in den Raum zu stellen. Die diesbezüglichen Behauptungen ständen nicht völlig außerhalb des prozessrelevanten Sachverhalts. Die Klägerin habe hierdurch versucht, Zweifel an der persönlichen Integrität des Beklagten zu untermauern, die naturgemäß auch für die Frage, ob jemandem eine schwere Straftat zuzutrauen sei, eine Rolle spiele. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe ihre diffamierende Kampagne auch außerhalb des Prozesses betrieben, indem sie versucht habe, ihn durch „eigene“ Ermittlungen zu überführen, und dabei gezielt Personen aus seinem Umfeld mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert habe, gehe fehl. Es liege in der Natur der Sache, dass das Einbringen von Sachvortrag und das Anbieten von Beweismitteln in ein gerichtliches Verfahren vorbereitend und begleitend außerprozessuale Maßnahmen einschließe. Das Verhalten der Klägerin sei stets auf die Vorbereitung und Geltendmachung ihrer Rechte im Rechtsstreit bezogen gewesen. Eine Entschädigungspflicht der Klägerin sei auch im Hinblick auf das „Initiieren“ und „In-Gang-Halten“ des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgeschlossen. Auch im strafprozessualen Zusammen-hang hätten Äußerungen in einem rechtlich geordneten Verfahren im Raum gestanden, bezüglich derer die Klägerin vor nachträglicher Sanktion zu schützen sei. Außerhalb des Zivilrechtsstreits bzw. des von der Staatsanwaltschaft H. geführten Strafverfahrens sei die Klägerin nicht zu dem Zweck an Personen herangetreten, den Beklagten unabhängig von der Durchsetzung ihrer Position im gerichtlichen Verfahren zu diffamieren. Im Übrigen könne niemand sicher sagen, auf welche Weise welche Personen Kenntnis von der Beschuldigung des Beklagten erlangt hätten. Dies könne ebenso infolge „durchsickernder“ Informationen aus dem Erstprozess zwischen den Parteien geschehen sein wie auch durch die den Beklagten des Mordes bezichtigenden Schwiegereltern oder auch im Zusammenhang mit Zivilrechtsstreiten zwischen dem Beklagten und anderen Lebens- oder Unfallversicherern. Die Klägerin habe auch nicht vorsätzlich unwahre Behauptungen aufgestellt. Denn sie habe keine Kenntnisse aufgrund eigener Wahrnehmung haben können. Von Leichtfertigkeit sei im Hinblick auf die von ihr zusammengetragenen Indizien, insbesondere den Umstand, dass die Eltern der Verstorbenen selbst ihren Schwiegersohn des Mordes bezichtigt hätten, nicht auszugehen. An dieser Beurteilung änderten die Ermittlungsmethoden und Ermittlungsergebnisse der in Vietnam ermittelnden Detektive nichts. Denn unstreitig habe nicht die Klägerin, sondern die E. Lebensversicherung AG den entsprechenden Detektiv beauftragt; die Klägerin habe unstreitig auf dessen Ermittlungsergebnisse keinen Einfluss genommen. Nach allem könne auch keine Rede davon sein, dass die Unhaltbarkeit der Vorwürfe auf der Hand gelegen habe. Die genaue Todesursache der Versicherten sei und bleibe unaufklärbar.

II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Widerklage zu Recht für unzulässig gehalten, weil die Klägerin die beanstandeten Äußerungen in einem rechtsstaatlich geregelten Verfahren zur Rechtsverteidigung bzw. gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gemacht hat.

1.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rn. 12 mwN; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2007, 840 f. mwN; BGH, Urteil vom 9. April 1987 – I ZR 44/85, WRP 1987, 627, 628 – Gegenangriff). Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 – VI ZR 169/91, VersR 1992, 443 mwN; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, VersR 2005, 277 f.). Vielmehr müssen die Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegen-den Ausgangsverfahren geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung Betroffene kann weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend ma-chen (vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503 mwN.; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, aaO, S. 278; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 13). Dies trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung (vgl. BVerfG, NJW 1991, 29; NJW-RR 2007, 840, 841; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17, jeweils mwN). Die Rechte des Betroffenen werden hinreichend dadurch gewahrt, dass ihm bereits im Ausgangsverfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen; er kann schon in diesem Verfahren die Behauptung des Prozessgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 13, 16).

Diese Grundsätze gelten entsprechend für Äußerungen gegenüber Strafverfolgungsbehörden (Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 245; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vgl. auch BVerfGE 74, 257, 258, 262 f.; BVerfG, NJW 1991, 29, 30; Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17). Wer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei seinen Verdacht mitteilt, dass ein anderer eine strafbare Handlung begangen habe, berührt zwangsläufig die Ehre des anderen. Das kann ihm nicht verwehrt werden; denn mit der Erstattung der Anzeige übt er ein jedem Staatsbürger zustehendes Recht aus. Die Strafanzeige eines Bürgers liegt darüber hinaus grundsätzlich im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, aaO; BVerfGE 74, 257, 262). Aus diesen Gründen muss der Anzeigende im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren grundsätzlich das vorbringen dürfen, was er nach seinem Ermessen zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält. Den berechtigten Belangen des in seiner Ehre Betroffenen ist durch die Bestimmung des § 164 StGB (falsche Verdächtigung), die Kostenregelung in § 469 StPO für den Fall einer vorsätzlich oder leichtfertig erstatteten unwahren Anzeige sowie die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens hinreichend Rechnung getragen. Für zivilrechtliche Abwehransprüche ist dagegen in aller Regel kein Raum (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, aaO; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, aaO; BVerfGE 74, 257, 262; Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, aaO).

2.
Zutreffend hat das Berufungsgericht diese Grundsätze auf Klagen auf Zahlung einer Geldentschädigung übertragen, die auf ehrkränkende Äußerungen in einem anderen Gerichtsverfahren bzw. gegenüber den Strafverfolgungsbehörden gestützt werden. Auch für solche Klagen besteht in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienten oder in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten gemacht wurden (vgl. Senatsurteile vom 5. November 1963 – VI ZR 216/62, MDR 1964, 136; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, aaO; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. C 138; Münch-KommBGB/Rixecker, 6. Aufl., Anh. § 12 Rn. 191 f.; Helle, GRUR 1982, 207, 215 f.). Dies gilt auch dann, wenn das andere Verfahren bereits abgeschlossen ist. Denn mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist es nicht vereinbar, wenn redliche Äußerungen in einem Zivilprozess oder die redliche Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten im Straf(ermittlungs)verfahren aus Gründen des Ehrenschutzes zu rechtlichen Nachteilen führen, weil die Behauptung sich später im Prozess oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17 mwN). Ein wirkungsvoller gerichtlicher Rechtsschutz in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten setzt voraus, dass der Rechtsuchende, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, gegenüber den Organen der Rechtspflege alle Handlungen vornehmen kann, die nach seiner von gutem Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 16; BVerfG, NJW-RR 2007, 840, 841 mwN). In entsprechender Weise führte es zu einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden, unzumutbaren Beschränkung des Einzelnen und zu einer nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege, wenn derjenige, der in gutem Glauben eine Strafanzeige erstattet hat, befürchten müsste, wegen seiner Äußerungen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden mit einer Schadensersatzklage wegen Ehrverletzung überzogen zu werden (vgl. BVerfGE 74, 257, 263; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17 mwN). Soweit dem Senatsurteil vom 10. Juni 1986 (VI ZR 154/85, aaO unter 5.) insoweit etwas anderes entnommen werden könnte, wird daran nicht festgehalten.

3.
Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Klage zu Recht verneint.

a)
Die Äußerungen der Klägerin im Vorprozess standen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Gegenstand dieses Verfahrens und waren dazu bestimmt und geeignet, den Standpunkt der Klägerin darzulegen und zu rechtfertigen. Nachdem der Beklagte die Klägerin auf Feststellung ihrer Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag in Anspruch genommen hatte, musste er in Kauf nehmen, dass die näheren Umstände des plötzlichen Ablebens seiner Ehefrau eingehend erörtert werden. Die Klägerin war in diesem Zusammenhang grundsätzlich berechtigt, im Prozess all das vorzutragen, was ihr für die Entscheidung über die Voraussetzungen der Leistungsfreiheit gemäß § 170 Abs. 1 VVG a.F. erheblich erschien, auch wenn es sich dabei um Äußerungen handelte, die geeignet waren, sich abträglich auf das Ansehen des Beklagten auszuwirken.

Auf die Frage, ob der Beweis ihres Vorbringens möglich oder von Anfang an ausgeschlossen erschien, kommt es dabei entgegen der Auffassung der Revision nicht an (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 20). Es ist die ureigenste Aufgabe des mit dem Vorprozess befassten Gerichts, die ihm zur Rechtfertigung des Klagebegehrens und zur Rechtsverteidigung unterbreiteten Tatsachen zu prüfen und ihren Wahrheitsgehalt im Falle des Bestreitens durch eine Beweisaufnahme zu klären. Mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs wäre es unvereinbar, wenn eine Partei in einem Zivilprozess dem Ansehen des Gegners abträgliche Tatsachen zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nur dann vortragen dürfte, wenn diese nach vorläufiger Würdigung beweisbar erscheinen (vgl. Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 16; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris Rn. 17 mwN). Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn das beanstandete Vorbringen – wie im Streitfall – eine schwere Straftat zum Gegenstand hat und die Staatsanwaltschaft ein wegen des Verdachts dieser Straftat eingeleitetes Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt hat. Denn eine derartige Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft entfaltet keine Bindungswirkung für den Zivilprozess. Vielmehr haben die Zivilgerichte grundsätzlich selbständig und aufgrund freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) über die Voraussetzungen des vor ihnen geltend gemachten Anspruchs zu befinden. Sie sind in der Regel selbst an Feststellun-gen in einem Strafurteil nicht gebunden (vgl. BGH, Urteile vom 9. Juli 1951 – IV ZR 3/50, BGHZ 3, 65, 69 f.; vom 22. September 1982 – IVb ZR 576/80, BGHZ 85, 32, 36 ff.; vom 26. Januar 1989 – X ZR 100/87, juris Rn. 18). Dies gilt umso mehr für Feststellungen in einer Einstellungsverfügung gemäß § 170 Abs. 2 StPO. Denn ihr kommt keinerlei Rechtskraftwirkung zu; das Ermittlungs-verfahren kann jederzeit wieder aufgenommen werden (vgl. RGSt 67, 315, 316; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 170 Rn. 9; Karlsruher Kommentar/Schmid, StPO, 6. Aufl., § 170 Rn. 23). Die Unschuldsvermutung wird hierdurch entgegen der Auffassung der Revision nicht verletzt.

Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht in Hinblick auf die – den Grundsatz freier richterlicher Überzeugungsbildung einschränkende und über § 823 Abs. 2 BGB ins Zivilrecht transformierte (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1985 – VI ZR 214/83, BGHZ 95, 212, 216 – Wehrmachtsoffizier; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 190 Rn. 4; Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 190 Rn. 4) – Beweisregel des § 190 Satz 2 StGB geboten. Ihre Anwendbarkeit scheitert in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO eingestellt worden ist, schon daran, dass der Beschuldigte vor der inkriminierten Behauptung nicht – wie in der Bestimmung vorausgesetzt – vom Vorwurf der Tatbegehung freigesprochen worden ist. Abgesehen davon kommt diese Beweisregel im Zivilverfahren nur im Rahmen von Klagen wegen Ehrverletzung, nicht hingegen im Deckungsprozess zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer zur Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1985 – VI ZR 214/83, aaO S. 216 – Wehrmachtsoffizier).

b)
Es kann dahingestellt werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen wäre, wenn die Äußerungen der Klägerin im Vorprozess bewusst unwahr oder auf der Hand liegend falsch gewesen wären oder eine Schmähung dargestellt hätten (vgl. Senatsurteile vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, NJW 1962, 243, 244; vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 17; BVerfG, NJW-RR 2007, 840 Rn. 14; BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, Rn. 18). Denn eine derartige Fallkonstellation ist nach den vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Die Klägerin hatte keine eigene Kenntnis von den Umständen des Ablebens der Ehefrau des Beklagten.

Zur Begründung ihres Vorwurfs, der Beklagte habe den Tod seiner Frau vorsätzlich herbeigeführt, hatte sie eine Reihe von Verdachtsmomenten vorgetragen, die das Landgericht als zur Überzeugungsbildung ausreichend angesehen hatte. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht eine wissentliche Unrichtigkeit oder auf der Hand liegende Unhaltbarkeit der Vorwürfe mit Recht verneint. Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die zu einer anderen Beurteilung des Vorbringens der Klägerin führen würden. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang beanstandet, das Berufungsgericht habe die Akten des Vorprozesses verfahrensfehlerhaft nicht beigezogen, bleibt der Rüge der Erfolg versagt. Es fehlt an den erforderlichen Darlegungen dazu, dass das Berufungsurteil auf diesem Mangel beruht (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1956 – VI ZR 150/55, LM Nr. 6 zu § 280 ZPO; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 551 Rn. 14).

Die beanstandeten Äußerungen stellen auch keine Schmähung dar (vgl. zum Begriff der Schmähung: Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 22 mwN). Im Vordergrund des Vorbringens der Klägerin stand ersichtlich die Auseinandersetzung in der Sache, nämlich die Abwehr des gerichtlich geltend gemachten Anspruchs auf Feststellung der Leistungspflicht aus dem Lebensversicherungsvertrag, und nicht die Diffamierung der Person des Beklagten.

c)
Das Berufungsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis auch insoweit zutreffend verneint, als die Klage auf das „Initiieren“ und „In-Gang-Halten“ des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch die Klägerin gestützt ist. Insoweit hat die Klägerin von ihrem staatsbürgerlichen Recht Gebrauch gemacht, den Strafverfolgungsbehörden den Verdacht einer Straftat mitzuteilen. Dass die Klägerin hierbei wissentlich unwahre oder leichtfertig unhaltbare Behauptungen aufgestellt oder Äußerungen gemacht hätte, die in keinem inneren Zusammenhang mit dem von ihr verfolgten berechtigten Anliegen stehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Dezember 2008 – 1 BvR 1404/04, juris, Rn. 18), ist weder ersichtlich noch dargetan.

4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:

LG Saarbrücken, Entscheidung vom 13.07.2010, Az. 14 O 64/10
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 16.02.2011, Az. 5 U 384/10-61

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