BGH: Können die Wort- und die Bildberichterstattung eines Artikels getrennt abgemahnt werden?

veröffentlicht am 2. November 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 26.05.2009, Az. VI ZR 174/08
§§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 2 S. 1 BRAGO

Der BGH hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Mit zwei Schreiben vom 21.04.2004 forderten die anwaltlichen Vertreter des Klägers die Beklagte auf, zwei strafbewehrte Unterlassungserklärungen hinsichtlich eines bebilderten Artikels mit der Überschrift „Rosenkrieg bei O.: Ehefrau will Millionen“ abzugeben, und zwar je eine Erklärung über die Wort- und die Bildberichterstattung. Mit Schreiben vom 22.04.2004 übersandten die Prozessbevollmächtigten der Beklagten die beiden unterzeichneten Erklärungen. Mit Schreiben vom 23.04.2004 übersandten die Prozessbevollmächtigten des Klägers der Beklagten zwei Rechnungen. Die Frage war, ob die Klägerin einen Erstattungsanspruch in Bezug auf zwei getrennt voneinander zu betrachtende Kostennoten hatte oder ob es sich nicht vielmehr um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 7 Abs. 2 BRAGO handelte.

Das Berufungsgericht hatte ausgeführt, die getrennte Verfolgung der Unterlassungsansprüche für die Text- und die Bildveröffentlichung sei zulässig. Bei der Verfolgung der Unterlassungsansprüche wegen der Bild- und Wortberichterstattung handele es sich um verschiedene Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne. Eine Angelegenheit könne nur dann angenommen werden, wenn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der jeweiligen Berichterstattung so weitgehend parallel laufe, dass nicht mehr von zwei getrennten Prüfungsaufgaben des Rechtsanwalts gesprochen werden könne. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da zwei unterschiedliche Arten der Berichterstattung vorlägen, deren Rechtmäßigkeit der Rechtsanwalt in zwei getrennten Überprüfungen feststellen müsse. Es komme noch hinzu, dass die Berichterstattung über das Scheidungsverfahren mit einem kontextfernen Foto bebildert worden und ein innerer Zusammenhang zwischen Text und Foto nicht gegeben sei. Der Kläger sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht verpflichtet gewesen, Bild- und Textberichterstattung bei der außergerichtlichen Verfolgung zusammenzufassen. Die getrennte Verfolgung der Ansprüche sei zweckmäßig.

Dem trat der BGH nun entgegen. Die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Abmahnung von Wort- und Bildberichterstattung lägen verschiedene Angelegenheiten im Sinne der §§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 2 Satz 1 BRAGO vor, weil der Anwalt die Rechtmäßigkeit der jeweiligen Berichterstattung in getrennten Überprüfungen feststellen müsse, beruhe auf einem grundlegend fehlerhaften Verständnis des Begriffs der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne.

Das Berufungsgericht sei zwar im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit betreffen, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang bestehe und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmten, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 04.12.2007, Az. VI ZR 277/06 – aaO; BGH, Urteile vom 29.06.1978, Az. III ZR 49/77JZ 1978, 760, 761; vom 17.11.1983, Az. III ZR 193/82MDR 1984, 561; vom 03.05.2005, Az. IX ZR 401/00NJW 2005, 2927, 2728).

Er habe aber verkannt, dass sich die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen sei, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse beantworten lasse und dabei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrages maßgebend sei (vgl. Senatsurteile vom 04.12.2007, Az. VI ZR 277/06 – aaO; vom 04.03.2008, Az. VI ZR 176/07 – aaO; BGH, Urteile vom 09.02.1995, Az. IX ZR 207/94NJW 1995, 1431 und vom 11.12.2003, Az. IX ZR 109/00NJW 2004, 1043, 1045). Dementsprechend hat es insoweit nicht die erforderlichen Feststellungen getroffen.

Das Berufungsgericht habe darüber hinaus verkannt, dass die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne nicht voraussetze, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen habe. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit könne vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. – wie das Berufungsgericht formuliert habe- mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen habe. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne sei das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen solle. Ihr Inhalt bestimme den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig werde. Die Angelegenheit sei von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichne, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit beziehe. Eine Angelegenheit könne mehrere Gegenstände umfassen (vgl. BGH, Urteile vom 04.05.1972, Az. III ZR 27/70 – JurBüro 1972, 684; vom 29.06.1978, Az. III ZR 49/77JZ 1978, 760, 761; vom 17.11.1983, Az. III ZR 193/82MDR 1984, 561; vom 11.12.2003, Az. IX ZR 109/00 – aaO; vom 03.05.2005, Az. IX ZR 401/00 – aaO). Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit sei es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden könnten, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen – z.B. in einem Abmahnschreiben – geltend gemacht werden könnten (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.2003, Az. IX ZR 109/00 – aaO; vom 03.05.2005, Az. IX ZR 401/00 – aaO; N. Schneider in AnwK, RVG 4. Aufl., § 15 RVG, Rn. 31 f.). Dementsprechend sei anerkannt, dass die Verfolgung der prozessual selbstständigen und an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpften Ansprüche auf Ersatz des Sachschadens und auf Zahlung von Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis dieselbe Angelegenheit betreffe (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.1995, Az. IX ZR 207/94 – aaO).

Das Berufungsgericht habe auch den Begriff des – für die Annahme einer Angelegenheit erforderlichen – inneren Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit verkannt. Ein innerer Zusammenhang sei zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehörten (vgl. Senatsurteil vom 04.03.2008, Az. VI ZR 176/07 – aaO; BGH, Urteile vom 11.12.2003, Az. IX ZR 109/00 – aaO; vom 03.05.2005, Az. IX ZR 401/00 – aaO, jeweils m.w.N.; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl. § 13 Rn. 24). Das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft lediglich geprüft, ob zwischen der Wort- und der Bildberichterstattung ein Zusammenhang bestehe; das mit den anwaltlichen Leistungen verfolgte Ziel habe es dagegen außer Betracht gelassen und es dementsprechend unterlassen, die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Abgesehen davon sei die nicht mit einer Begründung versehene Annahme des Berufungsgerichts, die Berichterstattung über das Scheidungsverfahren sei mit einem „kontextfernen“ Foto bebildert worden und ein innerer Zusammenhang zwischen Text und Bild sei nicht gegeben, schon angesichts des Umstands nicht nachvollziehbar, dass das Bild mit dem Untertitel „Lassen sich scheiden: A. und C. O.“ versehen und damit offensichtlich in einen Zusammenhang mit der Wortberichterstattung gestellt worden sei.

Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 11.10.2005, Az. 25 C 40/05
LG Berlin, Entscheidung vom 22.05.2008, Az. 27 S 5/05

I