BGH: Touristen-Information ist nicht Erfüllungsgehilfe eines Hotelbetreibers – Zur Verwirkung einer Vertragsstrafe

veröffentlicht am 21. Mai 2012

BGH, Urteil vom 09.11.2011, Az. I ZR 204/10
§ 278 BGB

Der BGH hat entschieden, dass ein Hotelier, der sich zur Unterlassung der Nutzung einer bestimmten Marke im Bereich Wellness verpflichtet hat, nicht dafür haftet, wenn eine selbständige Touristen-Information die veraltete Angabe versehentlich noch in einem Gastgeberverzeichnis verwendet. Die Touristen-Information sei keine Erfüllungsgehilfin des Hotelbetreibers. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Aufnehmen und Überarbeiten von Informationen im Gastgeberverzeichnis unabhängig vom Willen des Hotelinhabers erfolge und die Touristeninformation sich auf Informationen stütze, die sie den im Anzeigenteil geschalteten Werbeanzeigen entnehmen könne. Darüber hinaus hatte der Hotelier die Änderung seiner Bezeichnung der Touristen-Information auch bekannt gegeben. Von einem eine Vertragsstrafe auslösenden Verschulden sei somit nicht auszugehen. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2011 durch … für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 10. November 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

Der Kläger betreibt in B. im Nordschwarzwald ein Hotel. Er verlangt von der Beklagten, die im niedersächsischen Bad Be. ein Hotel betreibt, Zahlung einer Vertragsstrafe.

Die Beklagte hat sich in einem am 14. November 2006 vor dem Landgericht Stuttgart geschlossenen Vergleich dem Kläger gegenüber verpflichtet, es zu unterlassen, die Marke „W. “ im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Hotels mit dem Schwerpunkt Wellness einschließlich Massage- und Kosmetikdienstleistungen und dem Betrieb von Saunen, Dampfbädern, Solarien sowie eines Außenschwimmbads zu nutzen und dafür zu werben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hat sie sich verpflichtet, an den Kläger eine Vertragsstrafe von 5.000 € zu zahlen. Der Beklagten wurde dabei eine Aufbrauchs- und Umstellungsfrist bis zum 31. März 2007 eingeräumt.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte aus dem Vergleich vom 14. November 2006 auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000 € nebst Zinsen und Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 411,30 € in Anspruch. Er macht insbesondere geltend, das Unternehmen der Beklagten sei im von der Touristen-Information der Stadt Bad Be. herausgegebenen Gastgeberverzeichnis 2008 unter der Rubrik „Kosmetik“ mit der Bezeichnung „W. “ beworben worden.

Die Beklagte hält dem entgegen, sie habe die Touristen-Information nach Abschluss des Vergleichs vom 14. November 2006 veranlasst, die ihr Unternehmen betreffenden Einträge gemäß der von ihr gewählten neuen Bezeichnung „Spa 7“ abzuändern.

Beide Vorinstanzen haben die Klage als unbegründet angesehen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat die Verantwortlichkeit der Beklagten für ein schuldhaftes Verhalten der Touristen-Information, über die die Parteien in der Revisionsinstanz allein noch gestritten haben, mit folgender Begründung verneint:

Der zwischen den Parteien zustande gekommene Vergleich sei dahin auszulegen, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe eine zurechenbare und schuldhafte Weiterverwendung der Marke „W. “ voraussetze. Das Ver-schulden der Touristen-Information, die die Änderung nach den Angaben des Zeugen S. versehentlich unberücksichtigt gelassen habe, müsse sich die Beklagte nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil die Touristen-Information bei der Ausgestaltung des Teils „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses nicht mit Wissen und Wollen der Beklagten tätig geworden und daher insoweit nicht ihre Erfüllungsgehilfin gewesen sei. Das „Einpflegen“ der Informationen für diesen Teil des Gastgeberverzeichnisses werde nach der Bekundung des Zeugen S. nicht durch die Gewerbetreibenden veranlasst, sondern selbständig durch die Touristen-Information. Da die dort vorgenommene Einstellung von Informationen ohne Wissen und Wollen der Beklagten erfolgt sei, habe diese insoweit keine Verpflichtung gegenüber dem Kläger getroffen, zu deren Erfüllung sie sich der Touristen-Information als Erfüllungsgehilfin bedient habe.

Selbst wenn die Touristen-Information auch in Bezug auf den Teil „A-Z“ Erfüllungsgehilfin der Beklagten gewesen wäre, wäre die Vertragsstrafe nicht verwirkt, weil die Nichtumsetzung der von der Beklagten erteilten Anweisung im Verhältnis zu deren Berücksichtigung im Übrigen ein entschuldbares kleineres Versehen darstellte.

II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

1.
Die vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Ansicht des Erstgerichts vorgenommene Beurteilung, die Verwirkung der in Rede stehenden Vertragsstrafe habe ein zurechenbares und schuldhaftes Verhalten vorausgesetzt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

2.
Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die Touristen-Information, soweit sie im Teil „AZ“ des von ihr herausgegebenen Gastgeberverzeichnisses 2008 den Begriff „W. “ weiterhin zur Bezeichnung des Betriebs der Beklagten verwendet hat, nicht als deren Erfüllungsgehilfin gehandelt hat.

a)
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB jeder ist, der nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Falles mit dem Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als seine Hilfsperson tätig wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 I ZR 18/96, GRUR 1998, 963, 964 f. = WRP 1998, 864 Verlagsverschulden II; Urteil vom 7. Dezember 2004 VI ZR 212/03, BGHZ 161, 255, 259, jeweils mwN). Ebenso hat es mit Recht angenommen, dass es für die Erfüllung der Unterlassungspflicht, die ein Vertragsstrafeschuldner übernommen hat, unerlässlich ist, dass auch die Unter-nehmen, die in seinem Auftrag für ihn Werbung betreiben, die von ihm zu unterlassende Handlung nicht begehen, so dass ein entsprechendes Verhalten unabhängig davon regelmäßig zugleich der Erfüllung der Unterlassungspflicht des Schuldners dient, ob das jeweils beauftragte Werbeunternehmen diese Pflicht kennt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 31. März 1988 I ZR 40/86, GRUR 1988, 561, 562 = WRP 1988, 608 Verlagsverschulden I; BGH, GRUR 1998, 963, 965 Verlagsverschulden II, jeweils mwN).

b)
Das Berufungsgericht ist des Weiteren zutreffend davon ausgegangen, dass die Touristen-Information nach diesen Grundsätzen und unter Berücksichtigung der Angaben, die der in erster Instanz vernommene Zeuge S. gemacht hat, nicht als Erfüllungsgehilfin der Beklagten gehandelt hat, soweit sie im Teil „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses 2008 in einer der Rubriken weiterhin die Bezeichnung „W. “ verwendet hat.

aa)
Das Berufungsgericht hat aufgrund der Aussage des Zeugen S. angenommen, dass „das Einpflegen“ von Informationen im Teil „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses durch die Touristen-Information erfolgt. Danach stellt sich die Situation so dar, dass die entsprechenden Informationen von der Touristen-Information unabhängig vom Willen des Gewerbetreibenden, auf dessen Leistung hingewiesen wird, in den redaktionellen Teil dieses Verzeichnisses eingetragen werden. Dies geschieht nur insofern auf Veranlassung des Gewerbetreibenden, als die Touristen-Information sich dabei auf die Informationen stützt, die sie der im Anzeigenteil geschalteten Werbeanzeige entnehmen kann. Die Touristen-Information handelt danach insoweit selbständig und ist, da sie dabei nicht dem Willen des Gewerbetreibenden folgt, nicht seine Erfüllungsgehilfin. Abweichendes gilt nur dann, wenn der Gewerbetreibende auch hinsichtlich des Teils „A-Z“ eine entsprechende Weisung erteilt, die von der Touristen-Information nicht oder nicht zutreffend ausgeführt wird. Für eine solche Konstellation, in der die Touristen-Information als Erfüllungsgehilfin des Gewerbetreibenden handeln würde, ist im Streitfall allerdings nichts ersichtlich.

bb)
Die dargestellten Grundsätze gelten entsprechend in Fällen, in denen der Gewerbetreibende einen bestehenden Anzeigenauftrag kündigt oder bestimmt, dass die für ihn durchgeführte Werbung in geänderter Form fortgesetzt werden soll. In solchen Fällen wird die Entfernung oder Änderung von Angaben im Teil „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses zwar vom Gewerbetreibenden veranlasst; sie beruht aber nach den vom Zeugen S. dargestellten Verfahrensabläufen bei der Touristen-Information grundsätzlich nicht auf seinem Willen.

cc)
Dass die Beklagte der Touristen-Information im Streitfall auch in Bezug auf die Änderung des Teils „A-Z“ des Gastgeberverzeichnisses 2008 die Weisung erteilt hat, die Angabe „W. “ durch die Angabe „Spa 7“ zu ersetzen, ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden, ohne dass die Revision in dieser Hinsicht eine Rüge erhebt.

III.
Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Vorinstanzen:
AG Nordhorn, Entscheidung vom 21.01.2010, Az. 3 C 819/09
LG Osnabrück, Entscheidung vom 10.11.2010, Az. 1 S 90/10

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