BGH: „Verbreiten“ vs. „Öffentliches Zugänglichmachen“ bei kinderpornographischen Fotos / Strafrecht

veröffentlicht am 2. Januar 2013

BGH, Urteil vom 27.06.2001, Az. 1 StR 66/01
§ 176a Abs. 2 StGB, § 184 Abs. 3
StGB

Der BGH hat entschieden, dass ein „Verbreiten“ von kinderpornographischen Schriften im Internet im Sinne von § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB bereits dann in Betracht kommt, wenn die Datei auf dem PC eines anderen Internetnutzers angekommen ist, ungeachtet der weiteren Frage, ob der andere Nutzer die Datei geöffnet hat oder nicht. Dagegen soll ein „Zugänglichmachen“ von kinderpornographischen Schriften im Internet im Sinne von § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB vorliegen, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt und dem Internetnutzer so die Möglichkeit des Zugriffs auf die Datei eröffnet wird. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 26.06.2001 in der Sitzung am 27.06.2001, an denen teilgenommen haben: …

für Recht erkannt:

1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 06.12.2000

a)
im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte in den Fällen II.3, II.4a und 4b, II.5a und 5b sowie im Fall II.6 auch des tateinheitlichen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs.2 StGB schuldig ist, wobei in den Fällen II.3 und II.6 der sexuelle Mißbrauch eines Kindes nach § 176 StGB entfällt,

b) im Ausspruch über die in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3.
Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Er trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften, und wegen Verbreitung pornographischer Schriften zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg; die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.
Gegenstand der Verurteilung ist in den Fällen II.3, II.4a und 4b, II.5a und 5b, II.6 der sexuelle Mißbrauch der zur Tatzeit 13-jährigen I. A. – deren Alter der Angeklagte kannte – und die Fertigung von Fotos, die diese sexuellen Handlungen zum Gegenstand hatten, zum Zwecke der späteren Vermarktung im Internet. Im Fall II.4c wurden solche Fotos bereits ins Internet gestellt; im Fall II.4d wurden sie zunächst auf dem PC des Angeklagten gespeichert. Im Fall II.2 wurden keine Fotos gefertigt.

1.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten sind auf die Sachrüge gestützt.

a)
Die Staatsanwaltschaft rügt, daß der Angeklagte bei den sexuellen Handlungen, die fotografiert wurden, nicht auch wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 2 StGB (Mißbrauch mit der Absicht zur Verbreitung einer pornographischen Schrift) verurteilt wurde. Die Revisionsbegründung ergibt, daß allein der Schuldspruch in den Fällen II.3, II.4a und 4b, II.5a und 5b, sowie im Fall II.6 (ersichtlich falsch bezeichnet als Fall II.4c) angegriffen ist.

Die Anwendung dieser Bestimmung hat das Landgericht mit der Begründung abgelehnt, daß die Fotos nicht nach § 184 Abs. 3 und Abs. 4 StGB verbreitet werden sollten. Bei der Datenkommunikation im Internet erfolge keine körperliche Weitergabe, die Voraussetzung für ein „Verbreiten“ sei (§ 184 Abs.3 Nr.1 StGB). Die Absicht des Zugänglichmachens (im Internet) reiche nicht, denn der Verweis auf die Absätze 3 und 4 des § 184 StGB in § 176a Abs. 2 StGB beziehe sich – wegen des dort verwendeten Merkmals „verbreitet“ – allein auf § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB (Verbreiten) und nicht auf die anderen Tatmodalitäten, insbesondere auch nicht auf § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB (Zugänglichmachen).

b)
Der Angeklagte macht geltend, daß die Fotoserien nicht „den sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand“ (§ 184 Abs. 3 StGB) hatten, weil das Kind im Internet älter vorgestellt wurde und werden sollte. Deshalb sei – mangels darauf gerichteter Absicht – auch § 176a Abs. 2 StGB nicht erfüllt.

2.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Taten:

a)
Fall II.2 (Fassen an Brust): Beim ersten Treffen veranlaßte der Angeklagte das Kind, sich bis auf die Unterhose auszuziehen. Bei dieser Gelegenheit faßte er an die Brust des Kindes. Diese Tat hat das Landgericht rechtlich als sexuellen Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs.1 StGB gewürdigt.

b)
Fall II.3 (Fassen an Scheide, Fotos auf PC): Beim zweiten Treffen fertigte der Angeklagte Nacktfotos von dem Kind, die er auf seinem PC speicherte, um diese später ins Internet zu stellen. Gegenstand der Fotoserie waren auch sexuelle Handlungen; unter anderem veranlaßte er das Kind, an sich selbst Onanierbewegungen durchzuführen, und er faßte an die Scheide des Kindes.

Die Tat wurde rechtlich gewürdigt als sexueller Mißbrauch eines Kindes (§ 176 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften in der Variante des gewerbsmäßigen Herstellens zum Zwecke des Zugänglichmachens (§ 184 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB). Einen schweren sexuellen Mißbrauch eines Kindes nach § 176a Abs.2 StGB hat das Landgericht verneint.

c)
Fälle II.4a und II.4b (Fotoserien „Hundehalsband“ und „Katzenohren“): Beim dritten Treffen fertigte der Angeklagte zwei Fotoserien. Bei der ersten Serie (Fall II.4a) veranlaßte er das nackte Kind, ein „Hundehalsband“ anzulegen und sich von ihm an der Leine führen zu lassen. Dabei kam es zu sexuellen Handlungen, unter anderem führte das Kind bei ihm den Oralverkehr aus. Bei der zweiten Serie (Fall II.4b) setzte er dem nackten Kind „Katzenohren“ auf und veranlaßte es, aus einem Teller Milch zu trinken. Auch hier führte er sexuelle Handlungen aus, unter anderem kam es zum Oralverkehr bei ihm.

Beide Fotoserien wurden als eine Tat des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Oralverkehr beim Angeklagten) gewürdigt. Auch hier wurde § 176a Abs.2 StGB nicht angewendet.

d)
Fall II.4c („Katzenohren-Fotos“ im Internet): 49 Fotos aus der zweiten Serie (Fall II.4b: „Katzenohren“) stellte der Angeklagte zusammen mit weiteren Nacktfotos des Kindes bei einem Provider in K. ins Internet. Auf der Internetseite wurde das Kind als 18-jährige, die tatsächlich aber wie eine 14-jährige aussehe, angeboten. Dies wurde als selbständige Tat der Verbreitung pornographischer Schriften in der Variante des gewerbsmäßigen Zugänglichmachens (§ 184 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 StGB) gewürdigt.

e)
Fall II.4d („Hundehalsband-Fotos“ auf PC): 59 Fotos aus der ersten Serie (Fall II.4a: „Hundehalsband“) speicherte der Angeklagte auf seinem PC, um diese später ins Internet zu stellen. Das Landgericht hat dies als Verbreitung pornographischer Schriften in der Variante des gewerbsmäßigen Herstellens zum Zwecke des Zugänglichmachens (§ 184 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB) gewürdigt, diese Tat trete aber hinter dem Zugänglichmachen zurück.

f)
Fall II.5a und II.5b (Kind mit Heranwachsender und dem Angeklagten): Auch bei dem vierten Treffen fertigte der Angeklagte zwei Fotoserien. Bei der ersten Serie (Fall II.5a) veranlaßte er das Kind zu wechselseitigen sexuellen Handlungen mit der 17-jährigen M. Ko. , unter anderem zum gegenseitigen Oralverkehr. Er selbst beteiligte sich auch an den sexuellen Handlungen, unter anderem drang er mit seinem Finger in die Scheide des Kindes ein. Bei der zweiten Serie (Fall II.5b) fotografierte er seine sexuellen Handlungen mit dem Kind; unter anderem führte dieses an ihm den Oralverkehr durch.

Beide Fotoserien wurden als eine Tat des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Oralverkehr beim Angeklagten) in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften in der Variante des gewerbsmäßigen Herstellens zum Zwecke des Zugänglichmachens (§ 184 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB) gewürdigt.

g)
Fall II.6: (Kind mit Heranwachsender): Bei dem fünften Treffen veranlaßte der Angeklagte das Kind erneut zu wechselseitigen sexuellen Handlungen mit M. Ko. , unter anderem auch dazu, an sich selbst Masturbationsbewegungen durchzuführen. Auch von diesen sexuellen Handlungen fertigte er Fotos.

Die Tat wurde gewürdigt als sexueller Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 2 StGB in Tateinheit mit Verbreitung pornographischer Schriften in der Variante des gewerbsmäßigen Herstellens zum Zwecke des Zugänglichmachens (§ 184 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 StGB).

II.
Strafverfolgungsverjährung wäre aufgrund der presserechtlichen Verjährungsvorschriften nicht eingetreten. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Vorschriften auf Fälle der vorliegenden Art überhaupt anwendbar sind, denn nach der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 (nun Art. 14) des Bayerischen Pressegesetzes – die am 1. April 2000, und damit vor Ablauf einer möglichen sechsmonatigen Verjährungsfrist in Kraft getreten ist – gelten die kurzen Verjährungsvorschriften nicht für Straftaten nach § 184 Abs. 3 StGB.

III.
Die Revision der Staatsanwalt hat Erfolg, denn der Angeklagte hat sich in den Fällen II.3 (Fotos auf PC), II.4a und 4b (Fotoserien „Hundehalsband“ und „Katzenohren“), II.5a und 5b (Fotoserien mit der Heranwachsenden und dem Angeklagten) sowie im Fall II.6 (Fotoserie mit Heranwachsender) auch wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs.2 StGB strafbar gemacht. Da der Angeklagte eigene Inhalte anbieten wollte, ist er nach den allgemeinen Gesetzen voll verantwortlich (§5 Abs.1 TDG); über die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Internet-Providern hatte der Senat nicht zu entscheiden.

1.
Im angefochtenen Urteil ist allerdings nicht, wie die Revision meint, festgestellt, daß der Angeklagte die Fotos – zusätzlich zur Vermarktung im Internet – auch als Druckschriften verwerten wollte, so daß es für die hier zu entscheidenden Rechtsfragen allein auf die Weitergabe im Internet ankommt. Eine allein darauf gerichtete Absicht des Angeklagten hat das Landgericht in den von der Revision der Staatsanwaltschaft angegriffenen Fällen festgestellt.

2.
Die Vorschrift des § 176a Abs.2 StGB bezieht sich auf sämtliche Varianten der in Bezug genommenen Absätze 3 und 4 des § 184 StGB und nicht nur auf die Verbreitensalternative des § 184 Abs.3 Nr.1 StGB (so ausdrücklich Lenckner/Perron in Schönke/Schröder 26. Aufl. § 176a Rdn. 10; implizit: Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 176a Rdn. 3; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 176a Rdn. 10; Horn in SK-StGB 6. Aufl. § 176a Rdn. 5).

a)
Dem Wortlaut des Gesetzes läßt sich eine derartige Beschränkung nicht zwingend entnehmen (vgl. auch §6 Nr.6 StGB). Das Gesetz selbst verwendet bei § 6 Nr. 6 StGB und bei der gesetzlichen Überschrift des § 184 StGB („Verbreitung pornographischer Schriften“) einen weiteren Verbreitungsbegriff, der unter anderem auch das Zugänglichmachen umfaßt.

b)
Die umfassende Verweisung folgt aus der Gesetzessystematik. Hätte der Gesetzgeber in § 176a Abs. 2 StGB allein die Absicht der Verbreitung im engeren Sinne erfassen wollen, so hätte es genügt, die Modalität der Weitergabe mit „die verbreitet werden soll“ zu umschreiben. Eine Verweisung auf § 184 StGB wäre dann überflüssig gewesen.

c)
Die umfassende Bezugnahme entspricht auch dem vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 176a StGB verfolgten Zweck (vgl. Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/9064, S. 11). Dem Gesetzgeber ging es gerade auch darum, den sexuellen Kindesmißbrauch zum Zwecke der Vermarktung im Internet besonders zu pönalisieren. Durch den mit dem 6. StrRG eingeführten Qualifikationstatbestand des § 176a Abs.2 StGB sollte das gesteigerte Unrecht einer auf „Vermarktung abzielenden Kinderschändung“ erfaßt und dies sollte durch die Verweisung auf § 184 Abs. 3 und 4 StGB zum Ausdruck gebracht werden (Entwurf des 6. StrRG, BT-Drucks. 13/8587, S. 32). Daß der Gesetzgeber allein die Verbreitung im engeren Sinne hätte erfassen wollen, kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden.

3.
Der Angeklagte hatte bei den sexuellen Handlungen die Absicht, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift zu machen, die verbreitet (§ 184 Abs.3 Nr.1 StGB) und auch öffentlich zugänglich gemacht (§ 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB) werden sollte.

a)
Den in § 176a Abs. 2, § 184 StGB genannten Schriften stehen Datenspeicher gleich (§ 11 Abs. 3 StGB). Digitalisierte Fotos, die ins Internet gestellt werden, sind Datenspeicher in diesem Sinne; genauer: auf einem Speichermedium – in der Regel der Festplatte des Servers – gespeicherte Daten.

Die Gleichstellung der so gespeicherten Daten mit Schriften wurde mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) vom 22. Juli 1997 (BGBl. I, S. 1870, 1876) eingeführt. Mit dem IuKDG hat der Gesetzgeber dem tiefgreifenden Wandel der Informations- und Kommunikationstechnologie Rechnung getragen; dabei ging es ihm auch um eine effektive Gewährleistung des Jugendschutzes (BT-Drucks. 13/7385, S.1 f.). Im Hinblick auf die Auffassung, Darstellungen (der Oberbegriff in § 11 Abs. 3 StGB) seien nur körperliche Gebilde von gewisser Dauer, hat der Gesetzgeber klargestellt, daß auch elektronische oder sonstige Datenspeicher, die gedankliche Inhalte verkörpern, die nur unter Zuhilfenahme technischer Geräte wahrnehmbar werden, den Schriften gleichstehen. Erfaßt werden sollten danach nicht nur Datenträger, sondern auch elektronische Arbeitsspeicher (BT-Drucks. 13/7385, S. 36).

Dagegen spricht nicht, daß der Gesetzgeber mit dem IuKDG das Merkmal des Zugänglichmachens – zusätzlich zu dem bereits bestehenden Verbreiten – in § 86 StGB und § 119 Abs. 1 Nr. 2 OWiG eingefügt hat, denn er wollte damit lediglich eine mögliche Strafbarkeitslücke schließen (BT-Drucks. 13/7358, S. 36).

b)
Da der Angeklagte vorhatte, die Fotos im Internet zu vermarkten, handelte er in der Absicht, die Tat zum Gegenstand eines Datenspeichers (genauer: zum Gegenstand von gespeicherten Daten) zu machen, der nach § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB (im engeren Sinne) verbreitet werden sollte.

aa)
Wegen der vom Gesetzgeber vorgenommenen Gleichstellung des Datenspeichers mit Schriften kann die Rechtsprechung, wonach ein Verbreiten von Schriften nur dann vorliege, wenn die Schrift ihrer Substanz nach – und damit körperlich – einem größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht wird (BGHSt 18, 63, 64; BGH NJW 1999, 1979, 1980, insoweit in BGHSt 45, 41 nicht abgedruckt), auf Publikationen im Internet nicht  übertragen werden. Dies widerspräche dem gesetzgeberischen Willen, den Jugendschutz gerade auch im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie effektiv zu gewährleisten. Gerade die Einbeziehung des (flüchtigen, unkörperlichen) Arbeitsspeichers zeigt, daß es hier auf eine Verkörperung nicht mehr ankommen soll. Darauf, ob die übertragene Datei auf einem (permanenten) Speichermedium gespeichert wird (vgl. BayObLG NJW 2000, 2911; Derksen NJW 1997, 1878, 1881; Pelz wistra 1999, 53, 54; weiter differenzierend Hilgendorf JuS 1997, 323, 330 – der ein aktives Tun des Anbieters fordert – und Cornils JZ 1999, 394, 397; vgl. auch OLG Frankfurt NStZ 1999, 356, 358 und wohl auch KG, Beschl. vom 5. September 1997 – 5 Ws 532/97 -, die auch eine Speicherung nicht ausreichen lassen) kommt es deshalb nicht an.

bb)
Die Datenübertragung im Internet erfordert daher einen für diese Form der Publikation spezifischen Verbreitensbegriff. Ein Verbreiten im Internet liegt danach dann vor, wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers – sei es im (flüchtigen) Arbeitsspeicher oder auf einem (permanenten) Speichermedium- angekommen ist. Dabei ist es unerheblich, ob dieser die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten genutzt oder ob der Anbieter die Daten übermittelt hat.

Der Senat hat erwogen, weiter danach zu differenzieren, ob die Daten durch eine explizite Handlung des Anbieters zum Nutzer „geschickt“ werden (Upload), oder ob es ausreicht, daß der Nutzer angebotene Daten „abholt“ (Download). Im Hinblick darauf, daß die jeweiligen technischen Vorgänge ineinander übergehen und deswegen kaum praktikabel unterschieden werden können, hat der Senat von einer solchen Differenzierung abgesehen. In diesem Sinne kann es keinen relevanten Unterschied machen, ob der Anbieter – etwa auf ein „Abonnement“ des Nutzers – diesem Dateien zusendet, oder ob der Nutzer durch Aktivieren eines Links auf der Internetseite des Anbieters die Dateien anfordert. Denn schon mit dem Einrichten des Links wird der Anbieter aktiv. Die Grenzen verfließen vollends, wenn sich der Nutzer in eine Mailing- Liste des Anbieters einträgt, über die womöglich sogar in Form eines „Tauschrings“ Dateien gegenseitig zugesandt werden.

c)
Der Angeklagte handelte auch in der Absicht, die Tat zum Gegenstand von gespeicherten Daten zu machen, die nach § 184 Abs.3 Nr.2 StGB zugänglich gemacht werden sollten. Ein Zugänglichmachen liegt bereits dann vor, wenn eine Datei zum Lesezugriff ins Internet gestellt wird. Hierfür reicht die bloße Zugriffsmöglichkeit aus; nicht erforderlich ist, daß auch ein Zugriff des Internetnutzers erfolgt (vgl. BGH NJW 2001, 624, 626: Auschwitzlüge im Internet). Das unterscheidet das Zugänglichmachen vom Verbreiten, bei dem der Nutzer die heruntergeladene Datei vervielfältigen und weitergeben kann (Pelz wistra 1999, 53, 54).

5.
Das Urteil enthält daher Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten.

a)
In den Fällen II.3, II.4a und 4b; II.5a und 5b sowie im Fall II.6 hat sich der Angeklagte auch des schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Der Senat kann den Schuldspruch auf der Grundlage der vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen selbst ändern; § 265 StPO steht nicht entgegen, da dieser Vorwurf bereits Gegenstand der Anklage war. Dies führt zur Aufhebung der für diese Fälle verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.

b)
Sonstige Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten enthält das Urteil nicht.

Eine Strafbarkeit nach § 182 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt StGB würde hinter §§ 176, 176a StGB zurücktreten. Ob ein Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten vorläge, weil er im Fall II.4c – bei dem er Fotos („Katzenohren“) ins Internet stellte, ohne daß ein Benutzerzugriff festgestellt ist – nicht auch wegen gewerbsmäßigen Verbreitens pornographischer Schriften nach § 184 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 StGB verurteilt wurde, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da dieser Komplex von der Revision der Staatsanwaltschaft nicht angegriffen wird. Eine mögliche Strafbarkeit nach dem GjS träte im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 184 Abs. 3 Nr. 2 StGB zurück.

IV.
Die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg. Insbesondere hatten die Fotos den sexuellen Mißbrauch eines K i n d e s zum Gegenstand (§ 184 Abs.3 StGB) und der Angeklagte handelte auch in der Absicht, derartige Schriften zu verbreiten (§ 176a Abs. 2 StGB).

1.
Die Frage, ob die ins Internet gestellten und noch zu stellenden Fotos den sexuellen Mißbrauch eines Kindes zum Gegenstand hatten, ist – vorrangig im Hinblick auf § 184 Abs. 3 StGB – erörterungsbedürftig, weil der Angeklagte im Fall II. 4c das Kind im Internet als 18-jährige vorstellte und weil er dem Kind gegenüber äußerte, er werde im Internet hinsichtlich des Alters falsche Daten angeben und das Kind „älter machen“.

2.
Zunächst gilt, daß es auf die Angaben des Verbreiters über das Alter der abgebildeten Person nicht ankommen kann, denn dann hätte er es in der Hand, das umfassende, dem vorbeugenden Rechtsgüterschutz dienende Verbot aus § 176a Abs. 2, § 184 Abs.3 StGB durch einfache unwahre Behauptungen zu umgehen (BGH NStZ 2000, 307, 309).

3.
Die Frage kann nur sein, ob es – bei der Wiedergabe eines tatsächlichen Geschehens mit einem Kind (vgl. § 184 Abs. 4 StGB) – auf das tatsächliche Alter ankommt, oder ob generell, bzw. jedenfalls dann, wenn die abgebildete Person kein Kind mehr ist, auf die Sicht eines verständigen Betrachters abzustellen ist.

a)
Das Tatbestandsmerkmal des § 184 Abs. 3 StGB „sexuellen Mißbrauch von Kindern zum Gegenstand haben“ liegt stets vor, wenn die Person des tatsächlichen sexuellen Mißbrauchs ein Kind ist. In diesem Fall kommt es auf die Sicht eines verständigen Betrachters nicht mehr an.

aa)
Diese Auslegung legt schon der Wortlaut des § 184 Abs. 3 StGB und die Bezugnahme auf die gesetzliche Überschrift des § 176 StGB nahe.

bb)
Auch die ratio legis des § 184 Abs.3 StGB spricht für dieses Verständnis. Das Verbot der Verbreitung pornographischer Schriften des § 184 StGB dient zwar in erster Linie dem Jugendschutz. Bei der „harten“ Pornographie hat der Gesetzgeber in § 184 Abs. 3 StGB den Schutz verstärkt und den Schutzzweck erweitert. Bei der pädophilen Pornographie steht der Schutz der mißbrauchten Kinder im Vordergrund. Die Erwerber von Kinderpornographie schaffen den Anreiz dafür, daß laufend neue einschlägige Schriften hergestellt werden (Laufhütte in LK 11. Aufl. § 184 Rdn. 2). Die Vorschriften des § 184 Abs. 3 und 4 StGB dienen folglich auch dem Individualrechtsgüterschutz, nämlich dem Schutz des Kindes davor, als Modell für die Herstellung derartiger Schriften mißbraucht zu werden (BGHSt 45, 41, 43). Das wird auch durch die verschärfte Strafdrohung des § 184 Abs. 4 StGB (Wiedergabe eines tatsächlichen Geschehens) deutlich.

cc)
Im Interesse des Individualrechtsgüterschutzes ist auf die Wechselwirkung der Absätze 3 und 4 des § 184 StGB mit dem auf diese Vorschriften verweisenden § 176a Abs. 2 StGB Bedacht zu nehmen. Handelte der Täter – obwohl er tatsächlich ein Kind zum Zwecke der Schriftenverbreitung sexuell mißbraucht – unwiderlegt in der Absicht, der verständige Betrachter werde das Kind nicht mehr als solches ansehen, so wäre eine Strafbarkeit nach dieser Bestimmung schwerlich zu begründen, obwohl der Gesetzgeber für die „auf Vermarktung abzielende Kinderschändung“ eine (höhere) Mindeststrafe von zwei Jahren vorgesehen hat (vgl. Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf des 6. StrRG, BT-Drucks. 13/8587, S. 32).

b)
Auf die Sicht eines objektiven Betrachters ist hingegen in den Fällen abzustellen, wo die Person, die Gegenstand der Schrift ist, auf den Betrachter wie ein Kind wirkt, obwohl sie tatsächlich älter ist. Entsprechendes gilt für bloß fiktive Personen (vgl. den Fall BGH NStZ 2000, 307; vgl. auch Laufhütte aaO § 184 Rdn. 15; Tröndle/Fischer aaO § 184 Rdn. 37; Lencker/Perron aaO § 184 Rdn. 55; Horn aaO § 184 Rdn. 66).

c)
Deshalb kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Urteil entnommen werden kann, daß das Alter des Kindes – wie vom Angeklagten beabsichtigt – auch von einem verständigen Betrachter zutreffend erkannt werden würde.

I