BGH: Was der Grundsatz der Beweislastumkehr nach § 476 BGB tatsächlich bewirkt

veröffentlicht am 23. Juli 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammBGH, Urteil vom 02.06.2004, Az. VIII ZR 329/03
§§ 437, 476 BGB

Der BGH hat in diesem grundlegenden Urteil entschieden, dass der Käufer einer Ware, nachdem er diese angenommen hat, die etwaige Mangelhaftigkeit der Ware bzw. der hierfür sprechenden tatsächlichen Umstände beweisen muss. Soweit die Vorschrift des § 476 BGB für den Verbrauchsgüterkauf die Beweislast zu Gunsten des Käufers umkehre, betreffe das nicht die Frage, ob überhaupt ein Sachmangel vorliege. Die Vorschrift setze vielmehr einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel im Gesetzessinne voraus und enthalte eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, daß dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Insoweit stützte sich der Senat auf Bamberger/Roth/Faust, BGB, § 434 Rdnr. 119; Palandt/Putzo, BGB, 63. Aufl., § 434 Rdnr. 57/59; vgl. auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BTDrucks. 14/6040 S. 245).

Der Kläger hatte am 15.01.2002 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Opel zu einem Preis von 8.450,00 EUR für seinen privaten Gebrauch gekauft. Das im Dezember 1996 erstmals zugelassene Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 118.000 auf. Im November
des Jahres 2001 hatte die Beklagte bei einem Kilometerstand von 117.950 den Zahnriemen erneuert. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 18.01.2002 gegen Zahlung des Kaufpreises übergeben. Am 12.07.2002 erlitt das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 128.950 einen Motorschaden, dessen Ursache zwischen den Parteien streitig ist. Das Fahrzeug befindet sich seitdem bei der Beklagten. Diese lehnte eine
kostenlose Reparatur ab. Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 26.07.2002 den Rücktritt vom Kaufvertrag. In dem vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von der Beklagten Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen.

Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hatte zum einen den unangemessen hohen Verschleiß des vor Kaufvertragsschluß im November 2001 erneuerten Zahnriemens wie auch die Verwendung eines falschen, nämlich zu niedrigen Gangs bei zu hohen Drehzahlen als mögliche Schadensursache bezeichnet. Das Oberlandesgericht hatte in der Berufung die Aussage des Sachverständigen in Verbindung mit § 476 BGB zum Anlass genommen, eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs zu konstruieren. Damit habe das Berufungsgericht  gegen das aus § 286 ZPO folgende Gebot verstoßen, die Beweisergebnisse vollständig zu würdigen, weil es einen wesentlichen Teil der Ausführungen des Sachverständigen übergangen habe.

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen, der lediglich Vermutungen zur Ursache des Überspringens des Zahnriemens habe treffen können, könne daher nicht mit hinreichender Sicherheit von einem Materialmangel ausgegangen werden; ein schadensverursachender Fehler im Fahrverhalten
sei zugleich nicht hinreichend auszuschließen.

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