BGH: Werbung „Kein Telekom-Anschluss nötig“ ist irreführend, wenn bestimmte Funktionalitäten nicht gegeben sind

veröffentlicht am 5. August 2011

BGH, Urteil vom 20.01.2011, Az. I ZR 28/09
§ 5a Abs. 1 UWG

Der BGH hat entschieden, dass die Werbung eines Telefonanbieters mit den Formulierungen „Kein Telekom-Anschluss nötig“ oder „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ unlauter ist, wenn keine sog. „Call-by-Call“-Telefonate geführt werden können. Die Werbung erwecke bei den Werbeadressaten den unzutreffenden Eindruck, mit dem beworbenen Angebot könnten die von der Telekom angebotenen Telefondienstleistungen vollwertig ersetzt werden. Der Verkehr gehe davon aus, es handele sich bei „Call-by-Call“ und auch „Preselection“ um regelmäßig mit einem Telefonanschluss verbundene Möglichkeiten, so dass Interessenten für Telefonanschlüsse daher auch ohne besondere Hinweise bei den Leistungen anderer Anbieter von Telefondienstleistungen davon ausgingen, dass ihnen diese Möglichkeiten eröffnet seien. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2011 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Januar 2009 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsantrags zum Nachteil der Klägerin erkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 10. April 2008 auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe „Kein Telekom-Anschluss nötig“ und/oder „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:

Abb.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Deutsche Telekom AG, die in Deutschland führende Telefondiensteanbieterin. Die Beklagte betreibt ein TV-Kabelnetz. In einigen Regionen Hessens bot sie Anfang 2007 die Möglichkeit an, Telefon- und Internetdienstleistungen über ihr Netz zu beziehen, vorausgesetzt, der Nutzer verfügte über einen TV-Kabelanschluss der Beklagten. Ihr Angebot bewarb die Beklagte mit dem nachfolgend auszugsweise verkleinert eingeblendeten Faltblatt:

Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Werbung bestand für einen Nutzer des von der Beklagten angebotenen Telefonanschlusses keine Möglichkeit, „Call-by-Call“-Telefonate zu führen oder eine „Preselection“ einrichten zu lassen.

Die Klägerin hat die Werbung vor allem als irreführend beanstandet. Die hervorgehobenen Hinweise in dem Werbeblatt „Kein Telekom-Anschluss nötig“ und „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ erweckten bei den Werbeadressaten den unzutreffenden Eindruck, mit dem beworbenen Angebot könnten die von der Klägerin angebotenen Telefondienstleistungen vollwertig ersetzt werden. Tatsächlich biete die Beklagte jedoch wesentliche Möglichkeiten nicht an, die der Verbraucher bei Telefonanschlüssen der Klägerin seit vielen Jahren in Anspruch nehmen könne. Außerdem sieht die Klägerin in der beanstandeten Werbung eine unzulässige vergleichende Werbung und eine Verletzung ihres bekannten Firmenschlagworts „Telekom“.

Die Klägerin hat beantragt,
1. der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Angabe „Kein Telekom-Anschluss nötig“ und/oder „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ zu werben und/oder werben zu lassen, wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht (es folgt die Einblendung des aus vier Seiten bestehenden Werbeblatts):
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die von der Klägerin verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit von dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrags nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat vor allem geltend gemacht, die Werbeadressaten verstünden die streitgegenständlichen Angaben als technischen Hinweis darauf, dass bei einem Telefon- und Internetanschluss über Kabel der früher erforderliche Telefonanschluss entbehrlich sei. Als Gleichwertigkeitsbehauptung fasse der Verkehr die Hinweise nicht auf.

Das Berufungsgericht hat das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts bestätigt.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch weder aus wettbewerbsrechtlichen Vorschriften noch aus §§ 5, 15 MarkenG zu. Dazu hat es ausgeführt:

Die angegriffenen Werbeaussagen seien nicht irreführend im Sinne von § 5 UWG. Es komme maßgeblich darauf an, wie ein durchschnittlich informierter und situationsadäquat aufmerksamer Verbraucher die Werbung bei ihrer Veröffentlichung Anfang 2007 verstanden habe. Zu diesem Zeitpunkt seien dem Verbraucher neben Telefonanschlüssen der Klägerin von Drittanbietern nur solche Telefonanschlüsse bekannt gewesen, die im Wesentlichen auf dem von der Klägerin installierten Leitungsnetz basierten. Vor diesem Hintergrund hätten sich die angegriffenen Werbeaussagen lediglich als Hinweis darauf dargestellt, dass das Angebot der Beklagten auf anderen technischen und tariflichen Voraussetzungen beruhe. Auch wenn die Beklagte ihr Leistungsangebot als vollwertigen Ersatz für einen Telefonanschluss der Klägerin bewerbe, erwecke sie nicht den Eindruck eines in jeder Hinsicht gleichwertigen Angebots.

Eine unlautere vergleichende Werbung nach § 6 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG liege ebenfalls nicht vor. Im Streitfall würden allenfalls der gesondert zu vergütende und selbständig nutzbare Telefonanschluss der Klägerin und der mit der angebotenen Pauschalvergütung abgegoltene, auch selbständig nutzbare Telefonanschluss der Beklagten verglichen. Die in technischer Hinsicht keinen weiteren Anschluss voraussetzende selbständige Nutzbarkeit zum Führen von Telefongesprächen und die mit der Einrichtung des Anschlusses entstehenden unmittelbaren Kosten seien wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften der beiden Anschlüsse.

Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin aus §§ 5, 15 Abs. 2 oder 3 MarkenG wegen unbefugter Benutzung ihres (bekannten) Unternehmenskennzeichens bestehe ebenso wenig wie ein Anspruch gemäß §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG wegen unlauterer Ausnutzung oder Beeinträchtigung des Kennzeichens der Klägerin. Selbst wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Unternehmenskennzeichenverletzung vorlägen, wäre die Klägerin jedenfalls durch die Schutzschranke des § 23 Nr. 2 MarkenG gehindert, der Beklagten die beschreibende Verwendung des Firmenschlagworts „Telekom“ zu verbieten.

II.
Die Angriffe der Revision haben Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens der Klägerin richten. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wird ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher durch die beanstandete Werbung irregeführt (§ 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG 2004, § 5a Abs. 1 UWG 2008). Das Feststellungsverlangen ist dagegen unbegründet.

1.
Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 UWG) und dazu auf ein Verhalten der Beklagten von Anfang 2007 – Werbung für einen Kabelanschluss mit den Angaben „Kein Telekom-Anschluss nötig“ und „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ – Bezug genommen. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Juni 2010 – I ZR 42/08, GRUR 2011, 85 Rn. 15 = WRP 2011, 63 – Praxis Aktuell, mwN).

Das zur Zeit der von der Klägerin beanstandeten Werbung der Beklagten geltende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I S. 1414, nachfolgend: UWG 2004) ist zwar Ende 2008, also nach der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts, geändert worden. Diese – der Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken dienende – Gesetzesänderung ist für den Streitfall jedoch ohne Bedeutung. Das Verschweigen einer Tatsache, die für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers nach der Verkehrsauffassung wesentliche Bedeutung hat, stellt sowohl nach § 5 Abs. 1 und 2 Nr. 1 UWG 2004 als auch gemäß § 5a Abs. 1 UWG 2008 eine unlautere Irreführung dar. Es ist deshalb nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2009 – I ZR 73/07, GRUR 2010, 352 Rn. 10 = WRP 2010, 636 – Hier spiegelt sich Erfahrung; BGH, GRUR 2011, 85 Rn. 16 – Praxis Aktuell).

2.
Die Unterlassungsklage ist unter dem Gesichtspunkt einer unlauteren Irreführung gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 1 UWG 2004, § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5a Abs. 1 UWG 2008 begründet, weil die Beklagte mit den Angaben „Kein Telekom-Anschluss nötig“ und „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ in der Werbung für ihren Kabelanschluss bei den Werbeadressaten eine unzutreffende, für die Nachfrageentscheidung der angesprochenen Kreise relevante Vorstellung über die Verwendungsmöglichkeit der von ihr angebotenen Dienstleistung hervorruft.

a)
Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Verbraucher werde auf der ersten und der dritten Seite des Werbeprospekts mit jeweils unterschiedlicher Akzentuierung erklärt, dass er über das zunächst nur für Kabel-TV genutzte Leitungsnetz der Beklagten einen „vollwertigen“ Telefonanschluss erhalte, der einen Telefonanschluss, wie ihn der Verbraucher von der Klägerin kenne, nicht voraussetze. Indem die Beklagte ihr Leistungsangebot als vollwertigen Ersatz für einen Telefonanschluss der Klägerin bewerbe, erwecke sie jedoch gerade nicht den Eindruck eines in jeder Hinsicht gleichartigen und gleichwertigen Angebots. Der Verbraucher sei es gewohnt, auf dem stark umkämpften Telekommunikationsmarkt mit unterschiedlichen Leistungs- und Tarifmerkmalen konfrontiert zu werden. Er achte auf deren jeweilige Vor- und Nachteile, so dass er insbesondere zwischen einer Abrechnung von Einzelverbindungen und einem pauschalen Verbindungsentgelt („Flatrate“) unterscheide, das die Beklagte in ihrer Werbung anbiete.

b)
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Bewertung maßgeblichen Vortrag der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt hat.

aa)
Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, das Berufungsgericht habe bei seiner Annahme, der Beklagten müssten die in Rede stehenden werblichen Hinweise auf ihr neues, dem breiten Publikum noch nicht bekanntes, Angebot erlaubt sein, verkannt, dass den Werbeadressaten mit der Angabe „Kein Telekom-Telefonanschluss mehr nötig!“ eine Neuheit des Angebots der Beklagten suggeriert werde, die tatsächlich nicht vorliege; für die Nutzung der von der Beklagten angebotenen Leistungen sei zu keiner Zeit ein Telekom-Telefonanschluss notwendig gewesen.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, auf die das Berufungsgericht Bezug genommen hat (§ 540 Abs. 1 ZPO), hat die Beklagte erst ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Werbung (Januar 2007) in einigen Bereichen Hessens die Möglichkeit des Bezugs von Telefon- und Internetdienstleistungen über das von ihr betriebene TV-Kabelnetz angeboten. Das Telefonieren über einen Kabelanschluss war nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten zur damaligen Zeit weitgehend unbekannt. Bei Erscheinen der streitgegenständlichen Werbung war das Angebot der Beklagten neu und die angegriffene Werbeaussage daher nicht unter dem Gesichtspunkt einer Täuschung über die Neuheit wegen Irreführung zu beanstanden.

bb)
Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe in der streitgegenständlichen Werbung nicht darauf hinweisen müssen, dass bei einer Nutzung der von ihr beworbenen Telefondienstleistung keine Möglichkeit bestehe, „Call-by-Call“-Telefonate zu führen.

(1)
Eine Irreführung durch Verschweigen von Tatsachen ist nach der Rechtsprechung des Senats insbesondere dann anzunehmen, wenn der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs eine besondere Bedeutung zukommt, so dass das Verschweigen geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, also seine Entschließung zu beeinflussen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 19 f.; BGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 – I ZR 87/04, GRUR 2007, 251 Rn. 20 = WRP 2007, 308 – Regenwaldprojekt II). Diese zu § 5 Abs. 2 UWG 2004 entwickelte Rechtsprechung ist auf den nunmehr geltenden § 5a UWG 2008 übertragbar (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5a Rn. 8).

(2)
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte ihr Leistungsangebot als vollwertigen Ersatz für einen Telefonanschluss der Klägerin beworben. Die Klägerin hat vorgebracht, dass die von der Beklagten angebotene Flatrate nur für Telefonverbindungen ins deutsche Festnetz gelte. Anrufe ins Ausland oder in Mobilfunknetze würden dagegen gesondert berechnet. Zu der vermeintlich günstigen Flatrate könnten daher vor allem bei langfristiger Vertragsdauer beträchtliche Kosten aufgrund von Telefonverbindungen ins Ausland oder in Mobilfunknetze hinzukommen. Ein Telefonanschluss der Klägerin biete einem Nutzer demgegenüber ein erhebliches Kosteneinsparungspotential, weil er die Möglichkeit habe, die Verbindungsdienstleistungen entweder generell im Wege einer dauerhaften Voreinstellung („Preselection“) oder durch das Wählen einer bestimmten Kennziffer bei jeder einzelnen Verbindung („Call-by-Call“) durch den günstigsten Anbieter erbringen zu lassen. Die Inanspruchnahme von „Call-by-Call“ oder „Preselection“ zur Kostenminimierung bleibe daher für einen Verbraucher auch bei Vereinbarung einer Flatrate attraktiv.

(3)
Diesem Vorbringen der Klägerin hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung nicht die gebotene Beachtung geschenkt. Die „Call-by-Call“- und „Preselection“-Möglichkeiten waren einem durchschnittlich informierten und verständigen Abnehmer von Telefondienstleistungen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Werbung bereits geläufig und konnten von ihm auch ohne jede Schwierigkeit in Anspruch genommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – I ZR 51/05, GRUR 2008, 729 Rn. 16 = WRP 2008, 928 – Werbung für Telefondienstleistungen). Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass der Verkehr unter diesen Umständen davon ausgeht, es handele sich bei den beiden genannten Auswahlverfahren um regelmäßig mit einem Telefonanschluss verbundene Möglichkeiten (so auch OLG München, MMR 2009, 562). Ohne besondere Hinweise erwarten Interessenten für Telefonanschlüsse daher auch bei den Leistungen anderer Anbieter von Telefondienstleistungen, dass ihnen diese Möglichkeiten eröffnet sind (vgl. OLG München, Urteil vom 12. Oktober 2006 – 29 U 4584/05, BeckRS, Nichtzulas-sungsbeschwerde zurückgewiesen: BGH, Beschluss vom 19. März 2008 – I ZR 21/07).

Die Beklagte bewirbt ihr Angebot als Alternative, mit dem der „Telekom-Telefonanschluss“ vollständig ersetzt werden kann. Sie erweckt damit den Eindruck, dass die von ihr angebotenen Telefondienstleistungen einem Telefonanschluss der Klägerin gleichwertig sind und diesen deshalb entbehrlich machen. Unter diesen Umständen erwartet der Verkehr von einem Telefonanschluss der Beklagten die gleichen Funktionalitäten, dieer von den Telefonanschlüssen der Klägerin kennt. Die Möglichkeit, die Kosten für Verbindungsdienstleistungen durch Auswahl unter den Anbietern solcher Leistungen zu beeinflussen, ist für die Entscheidung zum Vertragsschluss auch von erheblicher Bedeutung. Unstreitig konnte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der beanstandeten Werbung (Anfang 2007) der Nutzer eines Telefonanschlusses der Beklagten weder das „Call-by-Call“- noch das „Preselection“-Verfahren in Anspruch nehmen, so dass es aus der Sicht der an einem Telefonanschluss interessierten Werbeadressaten an der von der Beklagten suggerierten Gleichwertigkeit der Telefondienstleistungen fehlte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin musste die Beklagte aber nur auf die fehlende „Call-by-Call“-Möglichkeit hinweisen. Wird – wie im Streitfall – auch eine Telefon-Flatrate angeboten und beworben, erwartet der Verkehr im Allgemeinen keine Aufklärung über das Fehlen eines „Preselection“-Angebots. Die „Preselection“-Option erlaubt es dem Anschlussnutzer, seine Telefongespräche generell über einen anderen Anbieter zu führen. Im Gegensatz zum „Call-by-Call“-Verfahren, das flexibel für Einzelgespräche eingesetzt werden kann, führt die Voreinstellung eines Netzbetreibers durch „Preselection“ zu einer – vorerst – dauerhaften Änderung. Entscheidet der Verbraucher sich für eine Voreinstellung durch „Preselection“, so verliert er die Möglichkeit der Nutzung der Flatrate für die Festnetzgespräche. Er müsste dann nicht nur die monatlichen Kosten der Flatrate, sondern darüber hinaus ein zusätzliches Entgelt an den Drittanbieter zahlen. Für einen durchschnittlich interessierten (potentiellen) Nutzer einer Telefon-Flatrate ist die Kombination mit einer „Preselection“-Schaltung daher im Allgemeinen wirtschaftlich nicht sinnvoll (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2009 – I ZR 124/08, CR 2010, 302 Rn. 7 = MMR 2010, 184).

3.
Das Feststellungsverlangen der Klägerin ist dagegen nicht begründet. Es kann offenbleiben, ob neben dem Zinsanspruch gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ein weitergehender materiell-rechtlicher Anspruch auf Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten für die Zeit von deren Einzahlung bis zum Eingang des Kostenfestsetzungsantrags aus § 9 UWG besteht. Im vorliegenden Fall fehlt es jedenfalls an einer schlüssigen Begründung für einen solchen Anspruch.

III.
Danach ist das angefochtene Urteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben, soweit das Berufungsgericht hinsichtlich des Unterlassungsantrags zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Klägerin abzuändern und die Beklagte nach dem Unterlassungsantrag zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 10.04.2008, Az. 84 O 149/07
OLG Köln, Entscheidung vom 09.01.2009, Az. 6 U 99/08

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