BGH: Wirksamkeit diätetischer Lebensmittel muss u.a. mit Placebo-Studie nachgewiesen werden

veröffentlicht am 26. September 2012

BGH, Urteil vom 15.03.2012, Az. I ZR 44/11
§ 3 UWG, § 4 Nr. 11 UWG; Art. 3 Abs. 2 Richtlinie 1999/21/EG; § 14b Abs. 1 S. 2 DiätV; § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB

Der BGH hat entschieden, dass für den Wirksamkeitsnachweis eines diätetischen Lebensmittels die Durchführung einer placebo-kontrollierten Studie erforderlich ist. Vorliegend ging es um ein Produkt, welches als ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose dienen sollte. Gerade bei Mitteln, die der Schmerzlinderung dienen sollen, sei eine solche Studie unerlässlich, da es dort um das subjektive Empfinden der Probanden gehe. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. März 2012 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 10. Februar 2011 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht unter Nr. 1 Buchst. a des Tenors seines Urteils dem Unterlassungshauptantrag zu 1 stattgegeben hat, und im Umfang dieser Aufhebung im Sachausspruch wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,

ein Produkt in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr bringen und/oder bewerben zu lassen, das als „Ergänzende bilanzierte Diät“ zur diätetischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose gekennzeichnet ist und neben weiteren Zutaten 905 mg Glucosaminhydrochlorid, 666 mg Chondroitinsulfat und 40 mg Hyaluronsäure pro Tagesration empfiehlt, wie in der Aufmachung des Produkts „ARTROSTAR COMPACT“ Anlage K 3.

Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, angedroht.

Die Klage wird mit dem weitergehenden Unterlassungsantrag (BU 5/6) abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

Tatbestand

Die Beklagte produziert das Mittel „ARTROSTAR COMPACT“ und vertreibt es als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zur kombinierten Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose. Das Mittel besteht aus einer in Wasser aufzulösenden Brausetablette und einer zusammen mit dieser einmal täglich zu oder nach einer Mahlzeit einzunehmenden Kapsel. Die Tablette enthält 905 mg Glucosaminhydrochlorid, 666 mg Chondroitinsulfat sowie Vitamine und Mineralstoffe, die Kapsel 40 mg Hyaluronsäure.

Der Kläger ist der Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe Köln e.V., zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder und insbesondere die Bekämpfung des unlauteren Geschäftsverkehrs gehört. Er sieht den Vertrieb des Mittels „ARTROSTAR COMPACT“ als wettbewerbswidrig an, weil eine nutzbringende Verwendung des Mittels nicht ersichtlich sei. Außerdem sei die Geeignetheit seiner Inhaltsstoffe zur Erfüllung des angegebenen Zwecks wissenschaftlich nicht ausreichend gesichert.

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

1. ein Produkt in Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben und/oder in Verkehr bringen und/oder bewerben zu lassen, das als „Ergänzende bilanzierte Diät“ zur diätetischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose gekennzeichnet ist und unter anderem 905 mg Glucosaminhydrochlorid, 666 mg Chondroitinsulfat und 40 mg Hyaluronsäure pro Tagesportion empfiehlt, insbesondere wie das Produkt „ARTROSTAR COM-PACT“,
und/oder

2. für das Präparat „ARTROSTAR COMPACT“ zu werben und/oder werben zu lassen mit der Aussage

ARTROSTAR COMPACT
Zur diätetischen Behandlung von Arthrose
Pluspunkte
– zur diätetischen Behandlung von Arthrose
– mit Glucosamin und Chondroitin
– Hyaluronsäure für die Gelenkschmierung
– Vitamin- und Mineralstoffkombination für den Gelenkstoffwechsel
wie im Internet, Anlage K 4.

Darüber hinaus hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 181,13 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt,

dass die Beklagte verpflichtet ist, auf die vom Kläger verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit ab dem Eingang des Kostenvorschusses bei Gericht bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrags des Klägers nach Maßgabe der ausgeurteilten Kostenquote zu zahlen.

Das Landgericht hat dem Unterlassungsantrag zu 2 sowie auf der Grundlage einer Kostentragungspflicht der Beklagten von 90% dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Im zweiten Rechtszug hat der Kläger mit seiner Berufung den Unterlassungsantrag zu 1 weiterverfolgt und insoweit beantragt, es der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen,

ein Produkt in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben und/oder in den Verkehr bringen und/oder bewerben zu lassen, das als „Ergänzende bilanzierte Diät“ zur diätetischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose gekennzeichnet ist und neben weiteren Zutaten 905 mg Glucosaminhydrochlorid, 666 mg Chondroitinsulfat und 40 mg Hyaluronsäure pro Tagesration empfiehlt, sei es ausschließlich in dieser Kombination, sei es in Kombination mit weiteren Zutaten insbesondere wie das Produkt „ARTROSTAR COMPACT“ Anlage K3

hilfsweise:
wie in der Aufmachung des Produkts „ARTROSTAR COMPACT“ Anlage K 3.

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage mit dem Unterlassungsantrag zu 2 und hilfsweise die Umkehrung der Kostenquote zu ihren Gunsten beantragt.

Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Klägers dem Unterlassungshauptantrag zu 1 stattgegeben und auf die Berufung der Beklagten den Feststellungsantrag abgewiesen (OLG Karlsruhe, ZLR 2011, 479).

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat den Kläger als nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt, den Unterlassungshauptantrag zu 1 als bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und diesen Antrag sowie den Unterlassungsantrag zu 2 als begründet angesehen. Hierzu hat es ausgeführt:

Die Klagebefugnis des Klägers folge daraus, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern unmittelbar oder mittelbar angehöre, die auf dem hier sachlich und räumlich maßgeblichen Markt tätig seien, und er nach seiner Ausstattung seine satzungsmäßigen Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen könne. Mit der im Unterlassungshauptantrag zu 1 gewählten Formulierung habe der Kläger den charakteristischen Kern der Verletzungshandlung in einer Weise abstrahiert, die das angestrebte Verbot eindeutig erkennen lasse. Der Kläger wolle verhindern, dass die Beklagte die genau bezeichnete Nährstoff-Kombination als diätetisches Lebensmittel für den besonderen medizinischen Zweck der leichten bis mittelschweren Gelenkarthrose unabhängig von der Bezeich-nung des Produkts und unabhängig vom Beifügen oder Weglassen von Inhaltsstoffen in Verkehr bringen könne.

Der Unterlassungshauptantrag zu 1 sei unter den Gesichtspunkten der Irreführung und des Rechtsbruchs begründet. Die Beklagte habe nicht darlegen können, dass ihr Produkt die für eine bilanzierte Diät nach § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV bestehenden Wirksamkeitsvoraussetzungen erfülle. Im nicht messbaren Bereich der Schmerzlinderung setze der Wirksamkeitsnachweis placebo-kontrollierte Studien voraus. Die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen genüg-ten der Anforderung einer randomisierten placebo-kontrollierten Doppelblindstudie zum Nachweis der Wirksamkeit der als wirkungslos beanstandeten Nährstoff-Kombination nicht. Dem Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht nachzugehen. Es obliege der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus ihrer Sicht vollständig darzustellen und die entsprechenden Studien zu benennen. Dies sei der Beklagten trotz sachverständiger Beratung nicht gelungen. Zudem sei für den Wirksamkeitsnachweis der Zeitpunkt des Inverkehrbringens maßgeblich. Danach sei auch der Unterlassungsantrag zu 2 begründet.

II.
Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nur insoweit nicht stand, als das Berufungsgericht dem Unterlassungshauptantrag zu 1 stattgegeben hat. Die Beklagte ist insoweit nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Unterlassungshilfsantrag zu 1 zu verurteilen.

1.
Die Revision der Beklagten ist aufgrund ihrer Zulassung im Urteil des Berufungsgerichts im vollen Umfang statthaft. Die vom Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung für die Zulassung der Revision gegebene Begründung, über die Anforderungen an einen Wirknachweis durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten im Sinne der Richtlinie 1999/21/EG über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke ohne randomisierte placebo-kontrollierte Doppelblindstudien sei bislang höchstrichterlich nicht entschieden, spricht einen Gesichtspunkt an, der für beide vom Kläger gestellten Unterlassungsanträge relevant ist. Ob das Berufungsgericht mit seiner für die Zulassung der Revision gegebenen Begründung die Revision des Klägers gegen die Abweisung seines Feststellungsantrags ausgeschlossen hat, steht nicht zur Entscheidung, weil der Kläger gegen das Berufungsurteil kein Rechtsmittel eingelegt hat.

2.
Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Klagebefugnis und Anspruchsberechtigung des Klägers gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG bejaht hat, lassen keinen Rechtsfehler erkennen und werden auch von der Revision nicht angegriffen.

3.
Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Unterlassungshauptantrag zu 1 zwar zutreffend als bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesehen, weil nach ihm kein Zweifel darüber besteht, dass der Beklagten mit einem entsprechenden Verbot jegliche Vermarktung eines Produkts mit 905 mg Glucosaminhydrochlorid, 666 mg Chondroitinsulfat und 40 mg Hyaluronsäure pro Tagesration als ergänzende bilanzierte Diät zur diätetischen Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose unabhängig davon untersagt sein soll, ob das Produkt noch mit weiteren Zutaten kombiniert wird. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht diesen Antrag aber als begründet angesehen. Dabei kann dahinstehen, ob es insoweit an der erforderlichen Begehungsgefahr sei es in Form der Wiederholungsgefahr (im Hinblick auf die Kerngleichheit der Verhaltensweisen) oder in Form der Erstbegehungsgefahr fehlt.

Der in der Berufungsinstanz gestellte Unterlas-sungshauptantrag zu 1 ist jedenfalls deshalb unbegründet, weil er der Beklagten mit der Wendung „sei es in Kombination mit weiteren Zutaten“ auch die nach den Denkgesetzen keineswegs ausgeschlossene und nach der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus nicht völlig fernliegende Vermarktung von Pro-dukten untersagte, die aus einer Kombination der im beanstandeten Produkt der Beklagten enthaltenen Wirkstoffkombination mit einem anderen Wirkstoff oder mehreren anderen Wirkstoffen bestünden und ihrerseits die Vorausset-zungen des § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV erfüllten, und damit auch eine erlaubte Verhaltensweise verbieten würde (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 I ZR 50/01, GRUR 2004, 605, 607 = WRP 2004, 735 Dauertiefpreise; Urteil vom 4. November 2010 I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 15 = WRP 2011, 742 Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker, jeweils mwN).

4.
Im Unterschied zum Unterlassungshauptantrag zu 1 ist der auf das beanstandete Produkt der Beklagten und die darin enthaltene Wirkstoffkombination bezogene Unterlassungshilfsantrag zu 1 nicht nur zulässig, sondern auch gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV begründet. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis nicht erbringen können, dass ihr als diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke vertriebenes Präparat „ARTROSTAR COMPACT“ den insoweit gemäß § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV bestehenden Erfordernissen entspreche.

a)
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Vorschrift bei der Beklagten als Herstellerin und Vertreiberin ihres entsprechend aufgemachten und beworbenen Mittels liegt. Diese Beurteilung lässt ebenso wenig einen Rechtsfehler erkennen wie die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte die vom Kläger bestrittene Wirksamkeit entsprechend der Vorgabe in Art. 3 Satz 2 RL 1999/21/EG durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen gehabt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 I ZR 220/05, GRUR 2008, 1118 Rn. 17 = WRP 2008, 1513 MobilPlus-Kapseln; Urteil vom 2. Oktober 2008 I ZR 51/06, GRUR 2009, 75 Rn. 24 = WRP 2009, 51 Priorin, jeweils mwN).

b)
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (vom 24. November 2009 20 U 194/08, ZLR 2012, 343) angenommen, dass es insbesondere auf dem Gebiet der Schmerzlinderung für den Nachweis der Wirksamkeit im Sinne des § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV in Fällen, in denen objektiv messbare organische Befundmöglichkeiten fehlen und der Wirksamkeitsnachweis damit allein von einer Beurteilung des subjektiven Empfindens der Probanden abhängt, placebo-kontrollierter Studien bedarf. Nicht wirksame Präparate belasteten die Verbraucher nicht nur finanziell, sondern begründeten auch die Gefahr, dass diese, statt einen Arzt zu konsultieren, das beworbene Mittel langfristig ohne einen Nutzen einnähmen und es dadurch zu einer irreparablen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands komme. Der Hinweis auf der Verpackung des frei verkäuflichen streitgegenständlichen Produkts, dass dieses nur unter Aufsicht eines Arztes eingenommen werden dürfe, hindere dessen Fehlgebrauch nicht.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung des Sachverhalts ohne Verstoß gegen die insoweit maßgebliche Bestimmung des § 286 Abs. 1 ZPO angenommen, dass die Beklagte die Wirksamkeit des im Streitfall in Rede stehenden Präparats angesichts dessen, dass sich diese Wirksamkeit vor allem am Befinden der Patienten erkennen lassen soll, allein durch eine randomisierte placebo-kontrollierte Doppelblindstudie hätte nachweisen können (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2011 I ZR 199/09, MD 2011, 583 f.). Nach den insoweit nahezu wortgleichen Bestimmungen des Art. 3 Abs. 2 RL 1999/21/EG und des § 14b Abs. 1 Satz 2 DiätV müssen sich bilanzierte Diäten gemäß den Anwei-sungen der Hersteller sicher und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den (besonderen) Ernährungserfordernissen der Personen entsprechen, für die sie bestimmt sind. Das Erfordernis der sicheren und nutzbringenden Verwendbarkeit besagt, dass die Verwendung des Mittels entsprechend den Angaben des Herstellers weder für den Verwender zu Nachteilen in Form von Gesundheitsschäden führen noch Gesundheitsgefahren bergen darf (vgl. Zipfel/Rathke/Gründig, Lebensmittelrecht, C 140, Lief. März 2011, § 14b DiätV Rn. 9f f.; Hahn/Ströhle/Wolters, Ernährung, 2. Aufl., S. 258; Herrmann, Rechtliche Problemstellungen bei ergänzenden bilanzierten Diäten in arzneitypischer Darreichungsform, 2008, S. 250 f.). Danach obliegt es dem Hersteller und Vertreiber einer bilanzierten Diät, insbesondere auch das Fehlen einer nach den Umständen des Einzelfalls nicht fernliegenden mittelbaren Gesundheitsgefährdung nachzuweisen. Bei einem Mittel wie dem hier in Rede stehenden, das die Schmerzen lindern soll, die von einem Grundleiden ausgehen, dessen Voranschreiten gegebenenfalls zum Stillstand gebracht oder jedenfalls verzögert werden kann, kommt eine solche mittelbare Gesundheitsgefährdung insbesondere dann in Betracht, wenn eine Placebowirkung des Präparats dem Patienten einen unzutreffenden Eindruck vom Voranschreiten des Grundleidens vermittelt und ihn dadurch davon abhält, sich rechtzeitig in ärztliche Behandlung zu begeben, um dieses Grundleiden nicht nur symptomatisch, sondern kurativ behandeln zu lassen. Der Nachweis, dass von dem Mittel keine solche die Gesundheit schädigende oder zumindest gefährdende Wirkung ausgeht, kann nach der Natur der Sache allein durch eine randomisierte placebo-kontrollierte Doppelblindstudie erbracht werden.

Der von der Revision angesprochene Umstand, dass entsprechende Studien wohl nicht immer ethisch vertretbar und/oder methodisch durchführbar sind und zudem womöglich nicht in allen Fällen die höchste Aussagekraft haben (vgl. Schwager, ZLR 2011, 496, 508 mwN), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Den Feststellungen des Berufungsgerichts lässt sich nicht entnehmen, dass solche möglichen generellen Bedenken gerade auch im Blick auf das konkret beanstandete Produkt gerechtfertigt sein könnten. Die Revision hat auch nicht dargetan, dass das Berufungsgericht entsprechenden Vortrag der auch insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten übergangen hätte.

Die Revision weist auch ohne Erfolg darauf hin, dass sich auf der Umverpackung des in Rede stehenden Präparats unter anderem der Hinweis „Nur unter ärztlicher Aufsicht verwenden.“ befindet. Ein solcher Hinweis hinderte selbst dann, wenn er – anders als im Streitfall – drucktechnisch besonders hervorgehoben wäre, nicht die Gefahr eines Fehlgebrauchs des Präparats. Im Übrigen sehen die Bestimmungen der Diätverordnung und der Richtlinie 1999/21/EG, die für diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (ergänzende bilanzierte Diäten) gelten, nicht vor, dass statt des zu führenden Nachweises der Wirksamkeit des Mittels ein entsprechender Hinweis genügt. Vielmehr handelt es sich bei ihm um eine gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 7 DiätV, Art. 4 Abs. 3 RL 1999/21/EG in jedem Fall auf der Etikettierung zu machende Pflichtangabe.

c)
Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die in den von der Beklagten vorgelegten Stellungnahmen der Privatgutachter R. und Prof. Dr. B. angeführten klinischen Studien könnten den von der Beklagten zu führenden Wirksamkeitsnachweis nicht erbringen, weil sie sich nicht auf das von der Beklagten hergestellte und vertriebene Produkt übertragen ließen.

Das Berufungsgericht hat angenommen, in der von Prof. Dr. B. angeführten prospektiven placebo-kontrollierten Pilot-Studie von F. , S. und R. seien lediglich 40 Patienten in der VerumGruppe und 49 Patienten in der Placebo-Gruppe auf die pharmakologische Wirkung von Glucosaminhydrochlorid bei einer deutlich höheren Dosis untersucht worden; deshalb gebe diese Studie zwar einen Hinweis auf die Wirksamkeit, erbringe aber keinen Nachweis. Diese tatrichterliche Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Dasselbe gilt auch für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die von Prof. Dr. B. angeführte Pilot-Studie von K. mit einer geringen Anzahl von teilnehmenden Probanden habe in der Placebo-Gruppe keinen statistisch signifikanten Unterschied gezeigt.

Das Berufungsgericht ist im Übrigen mit Recht davon ausgegangen, dass der der Beklagten obliegende Wirksamkeitsnachweis für die von ihr mit ihrem Mittel vertriebene Wirkstoffkombination schon deshalb nicht durch die Privatgutachten R. und Prof. Dr. B. geführt sein konnte, weil diese die von ihnen bejahte nutritive Wirksamkeit der von der Beklagten verwendeten Nährstoffkombination allein aus den zu den einzelnen Bestandteilen vorliegenden Erkenntnissen abgeleitet haben, ein Wirksamkeitsnachweis der Kombination ohne Erkenntnis über Wechselwirkungen der kombinierten Stoffe aber nicht möglich ist. Auf die Untersuchung solcher Wechselwirkungen kann nicht verzichtet werden, weil die Verwendung mehrerer oder zusätzlicher Inhaltsstoffe mit einer Verschlechterung der ernährungsmedizinischen Wirksamkeit einhergehen und sich die Wirkung einzelner Bestandteile im Körper neutralisieren kann. Für den Bereich der Fertigarzneimittel, bei denen diese Problematik ebenfalls besteht, bestimmt § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG daher, dass die Zulassung versagt werden kann, wenn bei einem Arzneimittel, das mehr als einen Wirkstoff enthält, in den Zulassungsunterlagen eine ausreichende Begründung fehlt, dass jeder Wirkstoff einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Mittels leistet, wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung zu berücksichtigen sind.

d)
Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht entgegen der Ansicht der Revision auch nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des erkennenden Senats in den Urteilen „Priorin“ und „MobilPlus-Kapseln“. In der zuerst genann-ten Entscheidung hat es der Senat als für die Abweisung der Klage entschei-dend angesehen, dass das beanstandete Mittel in seiner Kombination der ein-zelnen Inhaltsstoffe die angegebene Wirkung erzielt (BGH, GRUR 2009, 75 Rn. 21 – Priorin). In der zweiten Entscheidung hat der Senat festgestellt, die grundsätzliche Eignung der in dem Mittel der Beklagten enthaltenen Nährstoffe, den an ihnen bestehenden medizinisch bedingten Bedarf zu decken, könne nach den im dortigen Verfahren bislang getroffenen Feststellungen nicht ver-neint werden (BGH, GRUR 2008, 1118 Rn. 21 – MobilPlus-Kapseln).

e)
Die Revision macht aus diesem Grund auch ohne Erfolg geltend, die Wirksamkeit des beanstandeten Präparats sei bereits dadurch hinreichend nachgewiesen, dass die beigefügten Mineralstoffe und Vitamine unstreitig auch für die Behandlung unter anderem für Gelenkarthrose geeignet und wirksam seien. Sie lässt in diesem Zusammenhang zudem unberücksichtigt, dass die Beklagte das in Rede stehende Präparat nicht allein als Vitamin- und Mineralstoff-Kombination, sondern gerade auch und sogar in erster Linie im Hinblick auf seine Inhaltsstoffe Glucosamin, Chondroitin und Hyaluronsäure als ein Mittel zur Behandlung von leichter bis mittelschwerer Gelenkarthrose bewirbt und vertreibt.

f)
Die Revision lässt bei ihren Angriffen auf das Berufungsurteil außerdem unberücksichtigt, dass insbesondere nach der in den Vereinigten Staaten mit 1.583 Probanden als randomisierte placebo-kontrollierte Doppelblindstudie durchgeführten „GAIT-Studie“ ganz erhebliche Bedenken in Bezug auf die Wirksamkeit der Stoffe Glucosamin und Chondroitin bestehen. Die Studie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass eine pharmakologische Wirkung von Glucosaminhydrochlorid und Chondroitinsulfat nicht festzustellen ist, obwohl die Nährstoffe bei der Behandlung der dortigen Probanden weit höher dosiert waren als nach der Empfehlung der Beklagten.

g)
Die Revision rügt ferner ohne Erfolg, das Berufungsgericht hätte den Streitfall nicht ohne Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens entscheiden dürfen. Die Feststellungen, die das Berufungsgericht getroffen hat, beruhen nicht auf einer von ihm ohne nähere Darlegung in Anspruch genommenen besonderen Sachkunde auf ernährungsmedizinischem Gebiet. Das Berufungsgericht hat lediglich geprüft, ob die von der Beklagten im Verfahren vorgelegten Stellungnahmen der Privatgutachter R. und Prof. Dr. B. und die in diesen Stellungnahmen angeführten Studien die Wirksamkeit der im Präparat der Beklagten enthaltenen Nährstoff-Kombination belegen. Die Schlüssigkeitsprüfung, die das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vorgenommen hat, setzte keine besondere Sachkunde auf ernährungsmedizinischem Gebiet voraus.

h)
Von einer weitergehenden Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

5.
Der Unterlassungsantrag zu 2 ist auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB begründet.

6.
Für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV zur Auslegung des Art. 3 RL 1999/21/EG besteht kein Anlass. Die vorliegend getroffene Entscheidung bezieht sich auf einen konkreten Einzelfall und hängt auch nicht von der Beantwortung von Fragen ab, die sich hinsichtlich der Auslegung dieser Vorschrift stellen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, die Beweiskraft der ihm vorgelegten Beweismittel, zu denen insbesondere statistische Daten gehören, nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 – C-159 und 160/10, EuGRZ 2011, 486 Rn. 82 – Fuchs).

III.
Nach allem hat die Revision nur insoweit Erfolg, als die Beklagte nicht nach dem in der Berufungsinstanz gestellten Unterlassungshauptantrag zu 1, sondern nur nach dem dort gestellten Unterlassungshilfsantrag zu 1 zu verurteilen ist. Im Übrigen ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 19.02.2010, Az. 5 O 114/09
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 10.02.2011, Az. 4 U 49/10

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