BGH: Zur Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch manipulierte Fotos im Rahmen einer Satire

veröffentlicht am 27. Juni 2012

BGH, Urteil vom 08.11.2005, Az. VI ZR 64/05
Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG;§ 823 Ah BGB, § 1004 BGB;§ 22 KUG, § 23 KUG

Der BGH hat entschieden, dass nicht jede technische Manipulation eines Fotos (Verzerrung, Fotomontage) eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze dann vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, wenn dieses den Anschein erwecke, dass die abgebildete Person tatsächlich so aussehe. Eine Rechtsverletzung hänge davon ab, ob der Betrachter der Abbildung die manipulative Veränderung erkennen und deswegen gar nicht zu der irrigen Einschätzung kommen könne, der Abgebildete sähe in Wirklichkeit so aus. Eine Erkennbarkeit der Entstellung sei etwa bei einer karikaturhaften Zeichnung meist gegeben. Vorliegend beanspruche das für die Montage benutzte Bild des Kopfes allerdings, eine fotografische Abbildung zu sein und gebe dem Betrachter keinen Anhaltspunkt für die Manipulation der Gesichtszüge. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesgerichtshof

Urteil

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2005 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 12. Februar 2002 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Unterlassung der Verbreitung einer Bilddarstellung im Rahmen einer Fotomontage.

Im Jahre 2000 berichtete die Beklagte in einer bei ihr verlegten Zeitschrift über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Deutschen Telekom AG, deren Vorstandsvorsitzender der Kläger damals war. Sie illustrierte den Artikel mit der Ablichtung eines Mannes in einem Geschäftsanzug, der auf einem bröckelnden, magentafarbenen, dem Firmenemblem der Telekom entnommenen großen „T“ sitzt und unbeschwert nach oben sieht. Die fotografische Abbildung des Kopfes des Klägers ist im Zuge einer Fotomontage auf den Oberkörper eines anderen Mannes gesetzt worden. Dabei ist die Abbildung des Kopfes technisch in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang bearbeitet worden. Unstreitig wurde der Kopf allerdings um ca. 5 % gestreckt. Die Beklagte verwandte das Motiv auch zur weiteren Illustration des Artikels und wiederholte es in einer späteren Ausgabe.

Der Kläger verlangt Unterlassung, weil sein Gesicht bei der Herstellung der Fotomontage mittels unterschwelliger Manipulation negativ verändert worden sei. Es wirke – so der Kläger – infolge des technischen Eingriffs insgesamt länger, Wangen und Kinn seien fleischiger und breiter, der Kinnbereich fülliger und die Hautfarbe blasser als auf der Originalaufnahme. Der Kopf sei zudem im Verhältnis zum Körper insgesamt zu klein und sitze zu tief auf den Schultern, so dass der Hals kürzer und dicker erscheine.

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der erkennende Senat die Revision zugelassen und in seinem Urteil vom 30. September 2003 – VI ZR 89/02BGHZ 156, 206 auf die Rechtsmittel der Beklagten das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und dasjenige des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 – (NJW 2005, 3271) dieses Urteil aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen rechtswidriger Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Die Beklagte könne sich für die satirische Darstellung grundsätzlich auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen. Sie habe das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers jedoch in rechtswidriger Weise verletzt, indem sie seinen Kopf mittels unterschwelliger Manipulation negativ verändert abgebildet habe. Durch das satirische Gewand unterfalle die angegriffene Fotomontage zwar im Grundsatz auch dem Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Jedoch sei die Veränderung der Darstellung des Klägers als unzutreffende Tatsachenbehauptung nicht mehr gerechtfertigt. Die nicht satiretypische, aber wirklichkeitsnahe Darstellung des Kopfes des Klägers sei einer gesonderten Betrachtung zugänglich.

II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält auch auf der Grundlage der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 – (aaO) revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen nicht die Zuerkennung eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 823, 1004 BGB, 22 f. KUG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Verbreitung der beanstandeten Fotomontage.

1.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sichert das allgemeine Persönlichkeitsrecht, dass der Einzelne selbst darüber bestimmen darf, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt (vgl. BVerfGE 35, 202, 220 f.; 63, 131, 142; 101, 361, 380; und vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 – aaO, 3272). Das Recht am eigenen Bild als Ausprägung dieses allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützt den Grundrechtsträger daher vor der Verbreitung seines Bildes, sofern eine Einwilligung oder ein sonstiger Rechtsfertigungsgrund – etwa nach §§ 23 f. KUG – fehlt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt auch vor der Verbreitung eines technisch manipulierten Bildes, das den Anschein erweckt, ein authentisches Abbild einer Person zu sein (BVerfG, Beschluss vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 – aaO).

2.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegt wegen des Vorbehalts in Art. 2 Abs. 1 GG jedoch Einschränkungen.

a)
Nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der erkennende Senat die Bildaussage im vorliegenden Fall in den verfassungsrechtlichen Schutz aus Art. 5 Abs. 1 GG einbezogen und die Bilddarstellung als Illustration einer Wortberichtserstattung über ein die Öffentlichkeit interessierendes Thema gedeutet hat, nämlich den Zustand der Deutschen Telekom und die darauf bezogene Verantwortlichkeit des Klägers. Die bildliche Darstellung nimmt daher am grundrechtlichen Schutz des Berichts teil, dessen Illustration sie dient.

b)
Ebenfalls nicht beanstandet hat das Bundesverfassungsgericht, dass der erkennende Senat bei der rechtlichen Bewertung die Fotomontage als satirische Darstellung eingeordnet und daher die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herangezogen hat, nach der für die Erfassung des eigentlichen Inhalts die Darstellung von ihrer satirischen Einkleidung zu befreien ist, um sodann den dahinter liegenden Aussagegehalt der Darstellung zu ermitteln (vgl. BVerfGE 75, 369, 377 f.; 86, 1, 12; vom 14. Februar 2005 – 1 BvR 240/04 – aaO, 3272). Dies hat der erkennende Senat vorliegend in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen dahin getan, dass die Darstellung des Klägers symbolisieren solle, der Kläger throne unbeschwert über den Problemen der Deutschen Telekom.

c)
Das Bundesverfassungsgericht beanstandet jedoch die Auffassung des erkennenden Senats, dass die Darstellung des Kopfes und die an ihr vorgenommene Manipulation nicht gesondert zu bewerten seien, sondern eine Gesamtbetrachtung der Fotomontage im Rahmen der Satire zu erfolgen habe.

aa)
Der Schutz des Persönlichkeitsrechts vor technischen insbesondere nicht erkennbaren Manipulationen entfalle nicht allein deshalb, weil die veränderte Abbildung in einen satirisch-verzerrenden Kontext gestellt werde. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur rechtlichen Beurteilung satirischer Darstellungen wolle den Persönlichkeitsschutz in solchen Situationen nicht grundsätzlich beschränken oder gar ausschalten. Sie wolle lediglich sichern, dass etwas nicht deshalb von vornherein aus dem Schutz der mit dem Persönlichkeitsrecht kollidierenden Kommunikationsgrundrechte herausfalle, weil es in einen Kontext geordnet sei, der – wie es bei satirischen Darstellungen der Fall sei – mit Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen als Stilmittel arbeite. Die Gesamtbetrachtung solle maßgebend werden, wenn bei einer Aufspaltung einzelner Aussagen der Schutz der Gesamtaussage oder der der Einzelaussage als Bestandteil der Gesamtaussage beeinträchtigt werde. Deshalb solle zunächst der Aussagekern erfasst und daraufhin überprüft werden, ob er mit Art. 5 GG unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes vereinbar sei. Der ermittelte Aussagekern sei, soweit er eine Wertung ausdrücke, daraufhin zu überprüfen, ob eine Schmähkritik vorliege. Enthalte er demgegenüber eine Tatsachenmitteilung, so sei zu klären, ob sie wahr oder auf sonstige Weise gerechtfertigt sei.

bb)
Die rechtliche Beurteilung beschränke sich jedoch nicht auf den Aussagekern. Vielmehr sei auch die Einkleidung der Aussage gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung der Person enthalte (vgl. BVerfGE 75, 369, 378; 86, 1, 12) oder auf andere Weise das Persönlichkeitsrecht verletze. Dabei sei zu beachten, dass die Maßstäbe für die Beurteilung der Einkleidung insoweit andere und im Regelfall weniger streng als bei der Beurteilung des Aussagekerns seien, als der gewählten Darstellungsart die Verfremdung wesenseigen sei (vgl. BVerfGE 75, 369, 378). Der verfassungsrechtliche Schutz der Einkleidung einer Aussage in eine Fotomontage entfalle aber nicht vollständig, wenn die isolierbaren Einzelteile je für sich betrachtet entstellend wirkten. Soweit das Gesicht des Klägers durch technische Manipulation verändert sei, erlange dieser Teil der grafischen Umsetzung der Aussage eigenständige Persönlichkeitsrelevanz.

cc)
Das fotografische Abbild des Kopfes enthalte durch die technische Manipulation eine unrichtige Aussage, auch wenn der Beschwerdeführer trotz der Manipulation noch identifizierbar sei. Wie weit ein solcher Eingriff im Kontext einer satirischen Darstellung hinzunehmen sei, hänge auch davon ab, ob der Betrachter der Abbildung die manipulative Veränderung erkennen und deswegen gar nicht zu der irrigen Einschätzung kommen könne, der Abgebildete sähe in Wirklichkeit so aus. Eine Erkennbarkeit der Entstellung sei etwa einer karikaturhaften Zeichnung meist eigen. So aber liege es hier nicht. Das für die Montage benutzte Bild des Kopfes beanspruche eine fotografische Abbildung zu sein und gebe dem Betrachter keinen Anhaltspunkt für die Manipulation der Gesichtszüge. Ein solcher Anhalt folge auch nicht daraus, dass die übrige Darstellung deutlich erkennbar den Charakter des Fiktiven habe. Für die Abbildung des Kopfes gelte dies gerade nicht.

Das fotografische Abbild ohne Verwendung von Worten übermittele Informationen über die abgelichtete Person. Fotos suggerierten Authentizität und die Betrachter gingen davon aus, dass die abgebildete Person in Wirklichkeit so aussehe. Diese Annahme aber treffe bei einer das Aussehen verändernden Bildmanipulation, wie sie heute relativ einfach mit technischen Mitteln herbeigeführt werden könne, nicht zu. Der Träger des Persönlichkeitsrechts habe zwar kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97, 125, 148 f.; 97, 391, 403; st. Rspr.), wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht mani-pulativ entstellt sei, wenn es Dritten ohne Einwilligung des Abgebildeten zugänglich gemacht werde. Die Bildaussage werde jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert werde. Solche Manipulationen berührten das Persönlichkeitsrecht, einerlei ob sie in guter oder in verletzender Absicht vorgenommen würden oder ob Betrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerteten. Stets werde die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutreffend.

dd)
Die Unwahrheit der Aussage habe Auswirkungen auf die Reichweite des Schutzes durch die Meinungsfreiheit. Die unrichtige Information, die der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Möglichkeit zutreffender Meinungsbildung nicht dienen könne, sei unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Gut (vgl. BVerfGE 54, 208, 219; 61, 1, 8; 94, 1, 8). So liege es auch bei der Verwendung von fotografischen Abbildungen in satirischen Kontexten, wenn die Manipulation dem Betrachter nicht erkennbar sei, so dass er die Veränderung nicht als Teil der für satirische Darstellungen typischen Ver-fremdungen und Verzerrungen deuten und damit für seine Meinungsbildung bewertend einordnen könne. In einer Situation, in der der manipulierte Teil der Abbildung nicht als „Teil-“ oder „Nebenaussage“ der Bilddarstellung zurücktrete, sondern einen davon ablösbaren eigenständigen Aussagegehalt habe, bedürfe es einer eigenständigen Beurteilung unter dem Aspekt des Persönlichkeitsschutzes.

d)
Ob im vorliegenden Fall eine über technisch unvermeidbare Änderungen hinausreichende Manipulation der Gesichtszüge des Klägers erfolgt sei und ob sie dem Betrachter erkennbar gewesen sei, sei durch die Instanzgerichte nicht abschließend geklärt. Der Kläger habe vorgetragen, es liege eine mehrfach gestufte Bildmanipulation vor, wohingegen die Beklagte nur eingeräumt habe, dass das verwandte Foto des Gesichts des Beschwerdeführers aus technischen Gründen der Fotokollage um 5 % in der Länge gestreckt sei. Das Landgericht und das Oberlandesgericht hätten gleichwohl eine tiefgreifende Manipulation des ursprünglich verwandten Bildes und eine schwerwiegende Veränderung der Bildaussage zum Nachteil des Klägers angenommen. Der Bundesgerichtshof habe die rechtliche Einordnung der Veränderung des Bildes auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung offen lassen können. Ebenso habe er nicht abschließend gefragt, ob die Veränderungen derart geringfügig seien, dass sie nur bei besonders aufmerksamer Betrachtung unter Vergleich mit dem Originalfoto des Klägers erkennbar seien und deshalb das Persönlichkeitsrecht nicht nennenswert hätten verletzen können.

4.
Auf dieser Grundlage durfte das Berufungsgericht nach den getroffenen Feststellungen noch keine das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzende Manipulation des ursprünglich verwendeten Originalfotos annehmen. Dies wäre allerdings dann der Fall, wenn – entsprechend der Behauptung des Klägers – eine für den Betrachter nicht erkennbare mehrfach gestufte Bildmanipulation vorläge, die über technisch unvermeidbare Änderungen hinausreicht. Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzutreffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt unbedeutende Veränderungen hinaus verändert wurde. Das Berufungsgericht wird mithin die hiernach noch erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Vorher kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die Veränderungen des tatsächlichen Aussehens des Klägers derart geringfügig sind, dass sie nur bei besonders aufmerksamer Betrachtung unter Vergleich mit dem Originalfoto erkennbar sind und deshalb das Persönlichkeitsrecht nicht nennenswert verletzen. Denn der Träger des Persönlichkeitsrechts hat kein Recht darauf, von Dritten nur so wahrgenommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte (vgl. BVerfGE 97, 125, 148 f.; 97, 391, 403; st. Rspr.).

Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 06.07.2001, Az. 324 O 263/01
OLG Hamburg, Entscheidung vom 12.02.2002, Az. 7 U 73/01

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