BGH: Zur Werbung mit Selbstverständlichkeiten

veröffentlicht am 27. Mai 2009

BGH, Beschluss vom 23.10.2008, Az. I ZR 121/07
§§ 3, 5 UWG

Der BGH hat entschieden, dass nicht jede Werbung mit gesetzlich vorgeschriebenen Eigenschaften oder Umständen, die zum Wesen einer angebotenen Ware oder Leistung gehören, irreführend ist. Konkret wies der BGH darauf hin, dass der Werbende grundsätzlich auf freiwillig erbrachte Leistungen wie einen niedrigen Preis oder die hohe Qualität seiner Ware hinweisen dürfe, auch wenn andere Mitbewerber keinen höheren Preis verlangten oder die gleiche Qualität böten (vgl. Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 5 Rdn. 2.115). Nach der Rechtsprechung des Senats könne zwar eine Werbung, die Selbstverständlichkeiten herausstelle, trotz objektiver Richtigkeit der Angaben gegen § 5 UWG verstoßen, sofern das angesprochene Publikum annehme, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben werde (BGH, Urteil vom 09.07.1987, Az. I ZR 120/85, GRUR 1987, 916, 917 – Gratis-Sehtest).

Das Berufungsgericht habe fehlerfrei festgestellt, dass der gebührenfreie Edelmetallankauf von Privatpersonen branchenüblich sei und dass die Gebührenfreiheit in der Werbung der Beklagten besonders betont werde. Bei dem Verzicht auf Ankaufgebühren handele es sich auch nicht um eine freiwillige Sonderleistung i.S. der Entscheidung „Gratis-Sehtest“. Denn es gehe allein darum, ob für den schlichten Ankauf der Edelmetalle als solchen eine Gebühr verlangt werde. Die Preisfestsetzung durch den Käufer stelle keine Leistung an den Verkäufer dar.

Bundesgerichtshof

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23.10.2008 durch … beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28.06.2007 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 50.000 €

Gründe

I.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hält es für eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, ob eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten voraussetzt, dass gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder zum Wesen einer angebotenen Ware oder Leistung gehörende Umstände durch den Werbenden besonders hervorgehoben werden. Diese Frage ist indes nicht klärungsbedürftig.

Der Werbende darf grundsätzlich auf freiwillig erbrachte Leistungen wie einen niedrigen Preis oder die hohe Qualität seiner Ware hinweisen, auch wenn andere Mitbewerber keinen höheren Preis verlangen oder die gleiche Qualität bieten (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl., § 5 Rdn. 2.115). Nach der Rechtsprechung des Senats kann demgegenüber eine Werbung, die Selbstverständlichkeiten herausstellt, trotz objektiver Richtigkeit der Angaben gegen § 5 UWG verstoßen, sofern das angesprochene Publikum annimmt, dass mit der Werbung ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung und den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird (BGH, Urt. v. 9.7.1987 – I ZR 120/85, GRUR 1987, 916, 917 = WRP 1988, 28 – Gratis-Sehtest). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Publikum nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um einen gesetzlich vorgeschriebenen oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt. In der Entscheidung „Gratis-Sehtest“ hat der Senat die Werbung zugelassen, weil sie weder gesetzlich vorgeschrieben war noch eine zum Wesen der Ware gehörende Eigenschaft betraf, sondern eine freiwillige, wenn auch übliche Sonderleistung darstellte, die im gesundheitlichen Interesse der Verbraucher lag, ohne diese unmittelbar wirtschaftlichen Risiken auszusetzen (BGH GRUR 1987, 916, 917). Wesensgemäße Eigenschaften der Ware und gesetzlich vorgeschriebene Angaben sind jedoch lediglich Beispiele einer unlauteren Werbung mit Selbstverständlichkeiten (vgl. Bornkamm aaO § 5 Rdn. 2.115 und die bei MünchKomm.UWG/Reese, § 5 Rdn. 178 aufgeführten Fälle). Entscheidend ist, dass der Verkehr in der herausgestellten Eigenschaft der beworbenen Ware oder Leistung irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, insbesondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware oder Leistung bei der Konkurrenz, erwarten kann.

Das Berufungsgericht hat in Anwendung dieser Grundsätze ohne Rechtsfehler die beanstandete Anzeige als unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten angesehen. Es hat fehlerfrei festgestellt, dass der gebührenfreie Edelmetallankauf von Privatpersonen branchenüblich ist und dass die Gebührenfreiheit in der Werbung der Beklagten besonders betont wird. Bei dem Verzicht auf Ankaufgebühren handelt es sich auch nicht um eine freiwillige Sonderleistung i.S. der Entscheidung „Gratis-Sehtest“. Denn es geht allein darum, ob für den schlichten Ankauf der Edelmetalle als solchen eine Gebühr verlangt wird. Die Preisfestsetzung durch den Käufer stellt keine Leistung an den Verkäufer dar.

II.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.

Vorinstanzen:
LG München II, Entscheidung vom 28.09.2006, Az. 4 HKO 1993/06
OLG München, Entscheidung vom 28.06.2007, Az. 29 U 5406/06

I