BPatG: Bindestrich verleiht der Wortmarke „EX-PRESS“ die notwendige Unterscheidungskraft

veröffentlicht am 14. November 2013

BPatG, Beschluss vom 28.08.2013, Az. 28 W (pat) 535/12
§ 8 Abs. 2 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass für die Beurteilung der ausreichenden Unterscheidungskraft einer Wortmarke alle Elemente dieser Marke, so auch ein Bindestrich, berücksichtigt werden müssen. So sei die Wortmarke „EX-PRESS“ für Augenimplantate schutzfähig, da sie sich nicht auf die beschreibende Eigenschaft des Wortes „Express“ (i.S.v. eilig, Schnell…) beschränke, sondern durch den Bindestrich, der die Wortbestandteile als Zäsur in einzelne Elemente aufspalte, ausreichende Unterscheidungskraft besitze. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die IR-Marke 1 038 564

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2013 durch beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10 IR, vom 5. März 2012 wird aufgehoben.

Gründe

I.
Um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland sucht die am 21. April 2010 international registrierte Wortmarke IR 1 038 564

EX-PRESS

nach, und zwar für die Ware der

Klasse 10: Implant oculaire pour le traitement du glaucome.

Mit Beschluss vom 5. März 2012 hat die Markenstelle für Klasse 10 IR den nachgesuchten Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angesprochenen Verkehrskreise (hier: der einschlägige Fachhandel, Augenärzte sowie deren Patienten) würden in der schutzsuchenden IR-Marke „EX-PRESS“ ohne weiteres eine offenkundige Abwandlung des ursprünglich aus dem Englischen stammenden und geläufigen Wortes „express“ (zügig, schnell) wiedererkennen. Im Zusammenhang mit der beanspruchten Ware, einem Okularimplantat zur Behandlung des Grünen Stars, werde das angesprochene Publikum das Zeichen ohne analysierende Betrachtungsweise lediglich als rein werbemäßigen Sachhinweis darauf sehen, dass diese Implantate – im Vergleich zu denen möglicher Mitbewerber – besonders schnell und unkompliziert zu implantieren seien bzw. ihre bestimmungsgemäße Wirkung umgehend entfalten würden. Das schutzsuchende Zeichen eigne sich damit nicht als betrieblicher Herkunftshinweis. Als beschreibende Angabe sei es zudem freihaltebedürftig.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der IR-Markeninhaberin, mit der sie ausführt, das DPMA habe das um Schutz nachsuchende Zeichen nicht allein in seiner eingetragenen Form beurteilt, sondern zum einen die getrennten Einzelelemente „EX“ und „PRESS“ zu einer Gesamtbezeichnung zusammengefügt und zum anderen weitere Bestandteile („Express Implantat“) hinzugedacht. Es seien daher mehrere Gedankenschritte notwendig, um zu der vom DPMA gefundenen Bedeutung zu gelangen, weshalb eine Unterscheidungskraft zu bejahen sei. Da dem Zeichen jedenfalls eine unmittelbar beschreibende Bedeutung für die beanspruchte Ware nicht zukomme, sei auch ein Freihaltebedürfnis nicht gegeben.

Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 10 IR, vom 5. März 2012 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.
Die zulässige Beschwerde der IR-Markeninhaberin hat Erfolg.

Der schutzsuchenden IR-Wortmarke „EX-PRESS“ stehen in Bezug auf die beanspruchte Ware keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG entgegen, weshalb ihr der Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu Unrecht von der IR-Markenstelle verweigert worden ist (§§ 119, 124, 113, 37 Abs. 1 MarkenG, Art. 5 PMMA, Art 6 quinquies B PVÜ).

1.
Dem Anmeldezeichen kann in seiner Gesamtheit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, welches die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2012, 1143 – Starsat; MarkenR 2012, 19, Rdnr. 8 – Link economy; GRUR 2010, 1100, Rdnr. 10 – TOOOR!; GRUR 2010, 825, 826, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, 854, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944, Rdnr. 24 – SAT 2; BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 – Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 – Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 – DeutschlandCard; a. a. O. Rdnr. 19 – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 – BerlinCard; a. a. O. – marktfrisch; GRUR 2001, 1153 – anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a. a. O. – FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 – Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a. a. O. 855, Rdnr. 19, 28 f. – FUSSBALL WM 2006).

Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG genügt das um Schutz nachsuchende Zeichen. Denn es weist für die beanspruchte Ware weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsgehalt auf, noch handelt es sich um eine Angabe, durch die ein enger beschreibender Bezug zu ihr hergestellt werden kann.

a)
Das Wortzeichen setzt sich aus den Elementen „EX“ und „PRESS“ zusammen, die durch einen Bindestrich getrennt sind.

„Ex“ ist ein aus dem Lateinischen stammendes und in den deutschen Sprachgebrauch eingegangenes Präfix mit den Bedeutungen „aus, aus … heraus, weg, ent…“ (Duden – Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 [CD-ROM]). Das englische Wort „press“ bedeutet als Substantiv „Presse; Druck; Verlag“, als Verb „drücken, ausdrücken, pressen, auspressen, drängen“ (PONS – Großwörterbuch Englisch – Deutsch, 1. Aufl. 2008, S. 747).

Der Bindestrich zwischen den beiden Wortelementen ist optisch eine Zäsur und darf nicht unbeachtet bleiben. Denn auch ein für sich genommen schutzunfähiger Bestandteil kann für die Schutzfähigkeit des Gesamtzeichens Bedeutung erlangen. Der Umstand, dass ein Bindestrich aufgrund seiner orthografischen Funktion vom Verkehr nicht als eigenständiges Zeichen wahrgenommen werden mag, rechtfertigt es nicht, diesen Zeichenbestandteil bei der Prüfung der Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens unberücksichtigt zu lassen. Da es sich bei der um Schutz nachsuchenden IR-Marke um ein zusammengesetztes Zeichen handelt, ist maßgeblich, welchen Gesamteindruck der Verkehr mit dem zusammengesetzten Zeichen verbindet (BGH GRUR 2011, 65 Rdnr. 12 – Buchstabe T mit Strich).

Der Markenstelle ist zwar darin zuzustimmen, dass bei einer Wahrnehmung des schutzsuchenden Zeichens im Sinne des geläufigen Wortes „EXPRESS“ bzw. „express“ („eilig, Eil…, Schnell..“) dieses in Bezug auf die beanspruchte Ware der Klasse 10, ein Okularimplantat für die Behandlung des Grünen Stars (Glaukom), als anpreisende Sachangabe dahingehend verstanden werden könnte, dass dieses Implantat „besonders schnell zu implantieren“ ist bzw. eine „schnelle Wirkungsweise“ hat. Allerdings führt hier der Bindestrich zwischen den beiden Wortelementen „EX“ und „PRESS“ nach Ansicht des Senats von einem Verständnis des Gesamtzeichens im obigen Sinne weg. Zwar werden im heutigen Sprachgebrauch, insbesondere in der Werbung, oftmals zwei (eigenständige) Wörter durch einen Bindestrich verbunden, die im Sprachfluss dann einen einheitlichen (neuen) Gesamtbegriff bilden (z.B. „Express-Sendung“). Bei dem Wort „EXPRESS“ in Alleinstellung handelt es sich jedoch nicht um eine solche Wortkombination, bei der eine Trennung in die Elemente „EX“ und „PRESS“ üblich erscheint oder nicht weiter auffällt. Der Bindestrich an dieser Stelle löst einen Gedankenprozess über den Grund der Trennung der beiden Elemente und die Bedeutung des Wortzeichens in seiner Gesamtheit aus. Es liegt nahe, dass das angesprochene Publikum – in erster Linie der einschlägige Fachhandel, medizinische Fachkreise, insbesondere Augenärzte, sowie deren Patienten – das Zeichen aufgrund des ungewöhnlich positionierten Bindestrichs in seine Einzelbestandteile, die Präposition „EX“ und das englische Substantiv bzw. Verb „PRESS“ zergliedert, den Sinngehalt dieser ermittelt, um schließlich dem Gesamtbegriff eine Bedeutung zuordnen zu können. In Bezug auf die beanspruchte Ware kann der Bezeichnung „EX-PRESS“ jedoch keine ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare sinnvolle Sachaussage entnommen werden. Allenfalls eine analysierende Betrachtungsweise könnte dazu führen, das Zeichen vor dem Hintergrund, dass bei der Glaukombehandlung eine Senkung des Augeninnendrucks erforderlich ist, schlagwortartig im Sinne von „Druck heraus“ oder „Druck weg“ zu interpretieren. Von einem im Vordergrund stehenden beschreibenden Sinngehalt oder engen beschreibenden Bezug für die fragliche Ware kann jedoch bei dieser Betrachtungsweise keine Rede sein.

Das Gesamtzeichen weist daher ein ausreichendes Maß an Eigentümlichkeit auf, um sich dem Publikum als betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen, wenngleich der Schutzumfang eher gering ist und sich lediglich auf die hier beanspruchte ganz konkrete Schreibweise „EX-PRESS“ (mit Bindestrich) bezieht.

2.
Wegen der fehlenden Eignung zur unmittelbaren Beschreibung der vorgenannten Ware unterliegt das um Schutz nachsuchende Zeichen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

I