BPatG: Kein Patent für unbrauchbare Technik oder: Wenn das Gericht dem Anmelder erklärt, dass seine Erfindung nicht funktionieren kann

veröffentlicht am 4. April 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBPatG, Beschluss vom 29.02.2012, Az. 9 W (pat) 28/08
§ 1 PatG, § 34 PatG

Das BPatG hat entschieden, dass kein Patent für eine unbrauchbare Technik angemeldet werden kann. Vorliegend hatte der Anmelder ein Gerät beschrieben, welches seiner Beschreibung nach vom Gericht als „Perpetuum Mobile“ verstanden wurde. Da eine solche Vorrichtung jedoch den physikalischen Gesetzen widerspreche und demzufolge nicht funktionieren könne, lehnte das Gericht eine Eintragung ab. Mit dem angemeldeten Gegenstand werde die angestrebte Wirkung, ohne Energiezufuhr von außen an der umlaufenden Kette Energie abnehmen zu können, nicht erzielt. Eine vom Anmelder vorgenommene Änderung der Begrifflichkeiten ändere daran nichts, da das zu Grunde liegende Prinzip der Anmeldung gleich geblieben sei. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2006 007 227.8-15

hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 29. Februar 2012 unter Mitwirkung … beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Der Anmelder hat am 8. Februar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtungen, die es ermöglichen mit Hilfe der Schwerkraft andere Energieformen zu erzeugen“eingereicht.

Mit Beschluss vom 21. Februar 2008 hat die Prüfungsstelle für F 03 B des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung führt sie unter Bezugnahme auf ihren Prüfungsbescheid vom 20. November 2006 aus, dass in der Anmeldung ein sogenanntes perpetuum mobile beschrieben sei. Bei den anmeldungsgemäßen Verfahren und Vorrichtungen sollten Körper allein durch Ausnutzung ihrer Schwerkraft und ihrer Auftriebskraft in einer Flüssigkeit entlang einer in sich geschlossenen endlosen Bahn fortwährend in Bewegung gehalten sein (aufwärts durch Auftrieb in flüssigkeitsgefülltem Bahnabschnitt; abwärts durch Schwerkraft in flüssigkeitsfreiem Bahnabschnitt). Die solchermaßen erzeugte Bewegung solle zur Energiegewinnung genutzt werden. Dies widerspreche dem in den Naturwissenschaften allgemein anerkannten Grundsatz von der Erhaltung der Energie, nach dem Arbeit nur auf Kosten eines Energievorrats mindestens gleichen Betrages verrichtet werden könne. Gegen diesen Grundsatz verstoße der Anmeldungsgegenstand. Ihm fehle daher die technische Brauchbarkeit, weshalb er nicht patentierbar sei.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. In den Anmeldeunterlagen seien die Begriffe „Energie“ und „Kraft“ möglicherweise nicht immer gänzlich richtig angewendet worden, weshalb der Gegenstand der Anmeldung nicht richtig verstanden worden sei. Ein perpetuum mobile sei nicht Gegenstand seiner Anmeldung.

Dementsprechend legt der Anmelder überarbeitete Anmeldeunterlagen vor, in denen anstelle der ursprünglich expressis verbis genannten Erzeugung von Energie nunmehr die Sammlung/Erzeugung von Kräften, ihre Lenkung in gewünschte Richtungen sowie die Erzeugung anderer Arbeit oder elektrischen Stroms genannt sind (Patentansprüche Seite 1, Zeile 2; Seite 2, Zeile 25; Beschreibung Seite 1, 1. und 2. Absatz; Seite 2, 2. Absatz).

Aus den Ausführungen des Anmelders im Beschwerdeschriftsatz vom 19. März 2008 ergibt sich als Antrag des Anmelders, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 03 B vom 21. Februar 2008 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

– Patentansprüche „Anspruch 1.)“ Seiten 1 bis 4
– Beschreibung Seiten 1 und 2 jeweils eingereicht mit Beschwerdeschriftsatz vom 19. März 2008 am 22. März 2008.

Zum Wortlaut der geltenden Patentansprüche und Beschreibungsunterlagen sowie zu Einzelheiten des Vorbringens des Anmelders wird auf die Akte verwiesen.

II.

1.
Die statthafte Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt worden und auch ansonsten zulässig.

2.
Die Anmeldung betrifft eine Vorrichtung sowie ein Verfahren, durch die mit Hilfe der Schwerkraft Energieformen erzeugt bzw. Kräfte gesammelt und in gewünschte Richtungen geleitet werden sollen. Zwei vertikal orientierte, parallel nebeneinander angeordnete Rohre sind an ihren oberen und unteren Enden durch Rohrabschnitte miteinander querverbunden, so dass ein in sich geschlossener endloser Rohrkanal entsteht. Eines der beiden Rohre ist mit Flüssigkeit gefüllt und beidseitig der Flüssigkeitssäule durch Schleusen gegenüber dem übrigen Rohrkörper verschließbar. Das andere Rohr ist nicht mit Flüssigkeit gefüllt. Das flüssigkeitsgefüllte Rohr weist gegenüber dem Leerrohr einen größeren Querschnitt auf. Eine Endloskette ist in dieser Rohranordnung umlaufend bewegbar. In der Rohranordnung befindet sich weiterhin eine Anzahl von Gewichtskörpern, die über eine Steuerung mit der Kette verbindbar bzw. von ihr lösbar sind. Die Gewichtskörper sollen in dem Leerrohr – wenn mit der Kette verbunden – die Kette durch ihr Gewicht in Umlaufbewegung versetzen bzw. – wenn nicht mit der Kette verbunden – die sich bewegende Kette überholend nach unten fallen. Sie sollen ferner den an der unten befindlichen Schleuse befindlichen Gewichtskörper durch letztere hindurch in die Flüssigkeitssäule einführen. Die in dem flüssigkeitsgefüllten Rohr befindlichen Gewichtskörper sollen aufgrund der Auftriebskraft in der Flüssigkeit zur oberen Schleuse aufsteigen und dabei – wenn mit der Kette verbunden – ebenfalls Antriebskräfte auf die Kette übertragen. Die kontinuierliche Umlaufbewegung der Kette soll über Ketten-/Zahnräder nach außerhalb der Vorrichtung übertragen und zur Erzeugung von z. B. elektrischem Strom genutzt werden.

3.
Die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche hinsichtlich Ursprungsoffenbarung kann dahinstehen. Denn eine Erteilung des Patents kann jedenfalls deswegen nicht erfolgen, weil der Gegenstand der Anmeldung mangels technischer Brauchbarkeit dem Patentschutz nicht zugänglich ist.

Entgegen der Auffassung des Anmelders betrifft die Anmeldung Verfahren und Vorrichtungen, die zur Schaffung von Energie eingesetzt werden sollen, konkret zur Schaffung von Antriebsenergie für Arbeitsmaschinen (Beschreibung Seite 2, 2. Absatz). An diesem Verständnis ist auch mit den geltenden, in Begriffsformulierungen geänderten Anmeldeunterlagen festzuhalten. Zwar ist in diesen Unterlagen nicht mehr von Energieerzeugung die Rede, sondern von einer Sammlung von Kräften und Lenkung derselben in gewünschte Bahnen. Dies ändert indes nichts an dem nach wie vor unverändert beanspruchten Sachverhalt, wonach aus einem geschlossenen System ohne Zufuhr von außen fortwährend Antriebskraft zum Antreiben von Arbeitsmaschinen abgegeben werden soll (vgl. Patentansprüche Seite 2, Zeilen 20 bis 27). Dabei soll die Kette in fortwährender Umlaufbewegung haltbar sein, was schon vom Wortlaut her nichts anderes bedeutet als „perpetuum mobile“ (sich immerwährend Bewegendes, d. h. unabhängig vom Vorhandensein irgendwelcher Energievorräte). Die Bewegung der durch die Gewichts- und Auftriebskräfte bewegten Bauteile (Gewichts-/Auftriebskörper, Kette, Ketten-/Zahnräder) ist nichts anderes als eine Form der Energie, was der Anmelder offenbar übersieht.

Aus alledem folgt, dass vorliegende Anmeldung ein System zur Schaffung von Energie und somit ein „perpetuum mobile“ betrifft. Diese mit dem Anmeldungsgegenstand beabsichtigte Gewinnung von Antriebsenergie allein durch Nutzung von Schwerkraft und Auftriebskraft widerspricht dem Satz von der Erhaltung der Energie, demzufolge Energie, durch welche technisch-physikalischen Maßnahmen auch immer, nicht ohne Einbuße an bereits vorhandenen Energievorräten geschaffen werden kann.

Energie kann nur von einer Form in eine andere Form umgewandelt werden. Um daher einem physikalischen System dauerhaft Energie zur Nutzung entziehen zu können, muss dafür mindestens dieselbe Energie dem System, gegebenenfalls in anderer Form, zugeführt werden. In der Praxis ist wegen der unvermeidlichen Verluste bei einer Energieumwandlung die dem System zuzuführende Energie sogar stets größer als die dem System wieder zur Nutzung entziehbare. Dieses gilt für jedes technische System, wie immer es auch aufgebaut sein mag. Der alledem zugrundeliegende Satz von der Erhaltung der Energie ist von der Fachwelt allgemein anerkannt und hat trotz mannigfaltigster Widerlegungsversuche in Theorie und Praxis bisher nicht widerlegt werden können.

Im Falle der Verfahren und Vorrichtungen gemäß vorliegender Anmeldung bedeutet dies, dass die vom Anmelder angestrebte Energiegewinnung allein durch Nutzung der Schwerkraft/Auftriebskraft nicht möglich ist. Mit dem angemeldeten Gegenstand wird somit die angestrebte Wirkung, ohne Energiezufuhr von außen an der umlaufenden Kette Energie abnehmen zu können, nicht erzielt.

Nach alledem ist der Gegenstand vorliegender Anmeldung technisch nicht brauchbar und deshalb nicht patentierbar (BGH X ZB 5/84 in PMZ 1985, 117, 118).

I