BPatG: Marke „jungbrunnen“ für u.a. Tee und Kaffee ist mangels Unterscheidungskraft zu löschen

veröffentlicht am 22. Juni 2012

BPatG, Beschluss vom 22.05.2012, Az. 27 W (pat) 26/11
§ 54 MarkenG, § 50 MarkenG, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass der Marke „jungbrunnen“ jegliche Unterscheidungskraft fehlt und diese deshalb 4 Jahre nach Eintragung zu löschen ist. Bei den angemeldeten Waren und Dienstleistungen „Tee, Kaffee, Konditorwaren; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb eines Hotels; medizinische Dienstleistungen“ werde der Begriff lediglich als werbliche Anpreisung verstanden. Der Bedeutungsgehalt eines „Quells ewiger Jugend“ im Sinne von „einen Menschen sich jugendlich oder jung fühlen lassen“ bzw. „neue Kraft und Vitalität wecken“ sei bei den maßgeblichen Verkehrkreisen verankert und könne keinen betrieblichen Herkunftshinweis bilden. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Wortmarke 30 2008 004 878
hier: Löschungsverfahren S 102/10 Lösch

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 22. Mai 2012 durch … beschlossen:

Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die angegriffene Wortmarke 30 2008 004 878

jungbrunnen

wurde für die Waren und Dienstleistungen

„Tee, Kaffee, Konditorwaren; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Betrieb eines Hotels; medizinische Dienstleistungen“

am 15. Mai 2008 in das Markenregister eingetragen.

Die Antragsteller haben als BGB-Gesellschaft die Löschung der Marke beantragt.

Sie sind der Auffassung, die Marke hätte nicht eingetragen werden dürfen, weil ihr jegliche Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehle und überdies § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dem Markenschutz entgegenstehe.

Der Begriff „Jungbrunnen“ werde seit alters her als „Quelle ewiger Jugend“ verstanden. Davon ausgehend würden auch Erlebnisse, Gegenstände oder Verhaltensweisen als „Jungbrunnen“ bezeichnet, die einen Menschen sich jugendlich oder jung fühlen lassen bzw. in ihm neue Kraft und Vitalität wecken. In diesem Sinne werde der Ausdruck „Jungbrunnen“ in unzähligen Veröffentlichungen, deren Erscheinungsdatum zum Teil vor dem Anmeldetag der angegriffenen Marke liege, gebraucht, um ein anpreisendes und sachbezogenes Produktversprechen, nicht aber einen betrieblichen Herkunftshinweis zu vermitteln.

Diese Rechtauffassung werde durch die Zurückweisung der vergleichbaren Markenanmeldungen „Mein Jungbrunnen“ (Az. 307 73 701.2/44) und „jungbrunnen“ (Az. 307 63 733.6/03) bestätigt.

Die Markeninhaberin hat dem ihr am 6. April 2010 zugestellten Löschungsantrag am 1. Juni 2010 widersprochen.

Sie beruft sich insbesondere auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs „Jungbrunnen“. „jung“ und „brunnen“ hätten ein breites Bedeutungsspektrum und ließen auch in ihrer Zusammenstellung im Hinblick auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen die von den Antragstellern angeführte Interpretation nicht zu. Das Markenwort „Jungbrunnen“ erschöpfe sich damit weder in einer Eigenschaftsbeschreibung noch in einer allgemeinen Werbeaussage. Hinzu komme, dass sich die angegriffene Marke durch ihre sprachregelwidrige Bildung sowohl vom lexikalischen Grundbegriff als auch von den vorgelegten Verwendungsbeispielen hinreichend absetze.

Die Markenabteilung hat mit Beschluss vom 10. Januar 2011 die Löschung der Marke 30 20008 004 878 angeordnet. Der Bezeichnung „jungbrunnen“ mangele es für sämtliche eingetragenen Waren und Dienstleistungen an jeglicher Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Dies gelte sowohl für den Zeitpunkt ihrer Eintragung als Marke als auch für den Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Löschung.

Die angegriffene Marke stelle sich als werbeüblicher Hinweis auf die verjüngende Wirkung so gekennzeichneter Waren und Dienstleistungen dar. Sowohl Gegenstände als auch Erlebnisse oder Unternehmungen könnten neuen Schwung oder Kraft verleihen. Diese Kraft- und Vitalitätsquellen würden in Anlehnung an den mythologischen Begriff für den Quell der ewigen Jugend als „Jungbrunnen“ bezeichnet (s. Duden Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl.).

Ebenso weit wie das Spektrum an möglichen kraftspendenden Dingen oder Tätigkeiten sei auch der Anwendungsbereich des Begriffes „Jungbrunnen“. So sei seine Verwendung beinahe in jeglichen Waren- oder Dienstleistungsbereichen denkbar. Insbesondere aber eigne er sich als Hinweis auf eine positive Wirkung von Waren und Dienstleistungen mit gesundheitlichen Bezügen. Hierzu gehörten medizinische Dienstleistungen in engerem Sinne, darüber hinaus aber auch sämtliche Leistungen, die der Förderung von körperlichem und geistigem Wohlbefinden dienten, sei es in Form von Sport- und Unterhaltungsangeboten, sei es durch den Betrieb sogenannter Wellnesshotels. Nahezu alle Lebensmittel könnten gesundheitsfördernde Wirkung haben, so dass sich auch hier der Begriff „Jungbrunnen“ als schlagwortartige, werbemäßig überhöhte Umschreibung dieses Effekts eigne.

Dementsprechend ließen sich in der Werbung zahlreiche Nachweise für eine beschreibende Verwendung finden: Sportstudios stellten heraus, dass Fitness der „wahre Jungbrunnen“ sei, Opern- und Theateraufführungen würden als „Jungbrunnen“ bezeichnet, Schönheitschirurgen und -institute priesen medizinische Behandlungen, wie z. B. die Frischzellentherapie oder die Injektion von Milchsäure, als „ewigen Jungbrunnen“ oder als den „neuen Jungbrunnen aus der Spritze“ an.

Auch Hotels würden als „Jungbrunnen auf allerhöchstem Niveau“ bezeichnet und böten spezielle „Jungbrunnenprogramme“, bestehend aus Übernachtungs- und Wellnessarrangements, an.

Die Üblichkeit des werbenden Gebrauchs in Zusammenhang mit den beanspruchten Lebensmitteln belegten die von den Antragstellern beigebrachten Nachweise. So enthalte das dem Löschungsantrag vom 24. März 2010 beigefügte Anlagenkonvolut TBK 1 u. a. Werbeanzeigen für grünen Tee, der als „Jungbrunnen“ für Körper und Seele wirken solle, sowie für Kekse als sogenanntes Jungbrunnengebäck und einen Artikel, der Kaffee als „Jungbrunnen für den Körper“ propagiere.

Im Bereich der Ernährung scheine sich der Begriff der „Jungbrunnenernährung“ als Teil der Anti-Aging-Medizin etabliert zu haben. Aufsätze dazu stammten aus dem Jahr 2005 (Printausgabe des Ärztemagazins 22/05) sowie vom März 2008, datierten also jeweils vor der Eintragung der angegriffenen Marke. Auch sonst gebe es Fundstellen, die Jahre vor dem Eintragungstag lägen.

Insofern könne von einer Gewöhnung der Verbraucher bereits zum Eintragungszeitpunkt an die schlagwortartige Anpreisung diverser Produkte und Leistungen, insbesondere von solchen wie den vorliegend beanspruchten, mit dem Ausdruck „Jungbrunnen“ ausgegangen werden. „Jungbrunnen“ werde daher nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden, sondern als werbende Herausstellung von positiven Produkteigenschaften.

Dass der Begriffsinhalt von „Jungbrunnen“ sich nicht zur objektiv nachvollziehbaren und eindeutigen Eigenschaftsbeschreibung eigne, stehe dieser Annahme nicht entgegen. Auch Angaben, die, ohne präzise zu sein, eine verkaufsfördernde, werbende Botschaft vermittelten, würden in diesem Sinne und nicht als individualisierende Betriebskennzeichen wahrgenommen (s. EuG T-294/06 – Vitality, BPatG 30 W (pat) 144/04 – Wohlfühlapotheke; 24 W (pat) 57/00 – Happiness).

Die Schreibweise mit kleinem Anfangsbuchstaben ändere an dieser Beurteilung nichts. Es sei fraglich, ob dies überhaupt auffalle. Angesichts der Üblichkeit derartiger Wiedergabeformen in der Werbung habe dies jedenfalls keinerlei betriebskennzeichnenden Gehalt (zur Werbeüblichkeit der Kleinschreibung von Substantiven s. auch BPatG 29 W (pat) 132/04 – bayernpress, 26 W (pat) 34/04 – touristikboerse). Ob der Marke auch das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstehe, könne bei dieser Sachlage dahinstehen.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 23. März 2010 Beschwerde erhoben Zur Begründung trägt sie vor, „jung“ könne als Hinweis auf Fernsehformate, Presseerzeugnisse, Spiele etc. hinweisen. „Brunnen“ könne für Gartengeräte, Reparaturdienstleistungen etc. stehen. Beides zusammen sei nicht zwingend ein Hinweis auf „Schwung gebend“ o. ä., schon gar nicht bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss der Markenabteilung aufzuheben und den Antrag auf Löschung zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tragen vor, die Interpretation durch die Markenstelle entspreche dem deutschen Sprachverständnis.

II.

1.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat die Löschung der angegriffenen Marke zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die umfassend Bezug genommen wird, angeordnet.

a)
Der Löschungsantrag war zulässig (§§ 54, 50 MarkenG).

Den Antrag kann jedermann stellen (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Die Antragsteller haben ihn innerhalb der 10-Jahresfrist nach § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG gestellt, da die angegriffene Marke 2008 eingetragen wurde.

b)
Die Antragsgegnerin hat dem Löschungsantrag fristgerecht widersprochen (§ 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

Auf die ihr am 6. April 2010 zugegangene Mitteilung nach § 54 Abs. 3 Satz 1 MarkenG hat sie dem Löschungsantrag am 1. Juni 2010 widersprochen und beantragt, den Löschungsantrag zurückzuweisen.

2.
Ein Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 MarkenG liegt entgegen der Auffassung der Markeninhaberin vor.

Dass schon im Zeitpunkt der Eintragung ein solches Eintragungshindernis bestand, lässt sich vorliegend anhand der von den Antragstellern vorgelegten und den von der Markenabteilung ermittelten Nachweisen feststellen.

Diese Nachweise zeigen, dass bereits im Eintragungszeitpunkt dem Schutz der angegriffenen Marke das Hindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegenstand. Dies hat sich bis heute nicht zu Gunsten der Markeninhaberin verändert. Auf die Begründung der Markenabteilung kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden. Auch der Senat sieht in „jungbrunnen“ die im Vordergrund stehende Bedeutung, dass die beanspruchten Nahrungsmittel eine vitalisierende Wirkung haben und die Dienstleistung zur Lebensfreude und Leistungsfähigkeit beitragen.

I