BPatG: Name des Hamburger Reeperbahn-Lokals „Zur Ritze“ kann nicht als Marke eingetragen werden

veröffentlicht am 18. Oktober 2013

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBPatG, Beschluss vom 09.09.2013, Az. 27 W (pat) 534/13
§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass der Kneipenname „Zur Ritze“ eines Hamburger Reeperbahn-Lokals nicht als Marke eingetragen werden kann. Die Grenze zur Sittenwidrigkeit sei mit dieser vulgären Bezeichnung überschritten; sie verletze das Empfinden eines beachtlichen Teils der Verkehrskreise. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 062 170.5

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. September 2013 durch … beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Markenstelle hat die Anmeldung der Wort-Bild-Marke

[Abb.]

für die Dienstleistungen der Klasse 35, 41 und 43 mit Beschluss vom 5. März 2013 nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG zurückgewiesen. Dies hat sie damit begründet, die Marke enthalte einen frauenverachtenden Hinweis auf eine Vagina.

Die Anmelderin hat gegen den ihr am 12. April 2013 bekannt gegebenen Beschluss am Montag, dem 13. Mai 2013, Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, „Ritze“ habe Bedeutungen ohne vulgären Anklang. Laut Duden stehe es „derb“ für „Vagina“. „Derb“ sei nicht „vulgär“ und nicht frauenverachtend. Das Logo werde von seriösen Medien anstandslos abgedruckt und auch in der Berichterstattung über die Kult-Kneipe gezeigt. Die Stadt Hamburg habe gegen das Kneipenschild noch nie Einwände erhoben.

Sie beantragt,
den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.

II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG nimmt Kennzeichnungen vom Markenschutz aus, welche gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen.

„Ritze“ ist laut Duden zwar zunächst ein völlig unverfängliches Wort der deutschen Sprache für eine „schmale, längliche Spalte zwischen zwei Teilen, die nicht restlos zusammengefügt sind (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006). Auch kann es wie „Ficken“ ein Familienname sein (vgl. BPatG BeckRS 2011, 21631 – Ficken; GRUR-Prax 2012, 87 – Ficken Liquors). Es steht jedoch laut Duden auch in „derber“ Form für „Vagina“.

Dass Wörter, die im Allgemeinen völlig unverfängliche Bedeutungen haben und nur umgangssprachlich Geschlechtsteile bezeichnen, nimmt diesen Wörtern aber dann die Eintragungsfähigkeit als Marke, wenn die beanspruchten Waren und Dienstleistungen oder sonstige Zeichenbestandteile ein Verständnis im vulgären Sinn nahelegen. Das ist hier durch die Graphik gegeben, die mit der Darstellung von gespreizten Beinen in Damenstrümpfen das von der Markenstelle derb-anatomische Verständnis aufdrängt.

Selbst derbe und geschmacklose Ausdrücke und Darstellungen können zwar noch eintragungsfähig sein, da eine ästhetische Prüfung auf Anforderungen des guten Geschmacks nicht Gegenstand des markenrechtlichen Eintragungsverfahrens ist (BPatG GRUR-Prax 2012, 87 – Ficken Liquors; BPatG Beschl. v. 3.8.2011 – 26 W (pat) 116/10, BeckRS 2011, 21631 – Ficken). Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist hier aber überschritten.

Der Begriff der guten Sitten ist der sittlichen Auffassung, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (vgl. BGHZ 10, 228, 232) zu entnehmen. Dabei kommt es nicht auf eine Mehrheit im rechnerischen Sinn, sondern darauf an, ob eine Marke geeignet ist, das Empfinden eines beachtlichen Teils der Verkehrskreise zu verletzen, indem sie anstößig wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung enthält (BGH GRUR 1964, 136, 137- Schweizer). Maßgeblich hierfür ist weder eine übertrieben laxe, noch eine besonders feinfühlige Meinung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BPatG Mitt. 1983, 156 – Schoasdreiber).

Von der Schutzunfähigkeit des vorliegenden Zeichens ist auszugehen, weil es das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Publikums durch geschlechtsbezogene Angaben verletzt. Im Zusammenhang mit der Graphik handelt es sich bei „Ritze“ um einen äußerst vulgären Ausdruck, der das Sittlichkeitsgefühl eines erheblichen, zu respektierenden Personenkreises verletzt (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 592, 595 – Busengrapscher; BPatG 26 W (pat) 107/97 – Schenkelspreizer).

Davon führt die Kombination mit „Zur“ nicht weg. Zwar enthalten viele unverfängliche Namen von Lokalen diesen Zusatz. Er enthält aber auch eine wegweisende Bedeutung, die im Zusammenhang mit einer Vagina vulgär ist und „Zur Ritze“ nicht ausschließlich als Name eines Lokals wirken lässt.

Dass die Stadtverwaltung Hamburg die Darstellung an einem Lokal auf der Reeperbahn nicht beanstandet, sagt nichts darüber aus, dass diese Darstellung außerhalb dieses Bereichs ebenfalls keinen Anstoß erregt.

Dass Medien dieses Zeichen zeigen, belegt dies ebenfalls nicht, da Medien auch andere anstoßerregende Bilder und Texte in Werbung und redaktionellen Texten veröffentlichen.

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