BPatG: (Teil-)Löschung einer Marke ist unwirksam, wenn der Antrag dem Inhaber nicht zugestellt wurde

veröffentlicht am 14. Dezember 2012

BPatG, Beschluss vom 23.10.2012, Az. 24 W (pat) 36/11
§ 49 MarkenG, § 53 Abs. 3 MarkenG

Das BPatG hat entschieden, dass der Beschluss über die Teillöschung einer Marke wegen Verfalls unwirksam und daher aufzuheben ist, wenn dem Markeninhaber der Antrag auf Teillöschung nicht wirksam zugestellt wurde. Dadurch werde die zweimonatige Widerspruchsfrist nicht in Gang gesetzt. Zum Nachweis der Zustellung genügt nicht das Absendedatum in Verbindung mit einer Einschreibennummer, wenn der Zugang des Einschreibens (z.B. durch Ausdruck der Sendungsverfolgung der Post) nicht nachgewiesen ist und der Empfänger es auch tatsächlich nicht erhalten hat. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 1 061 898 – SB 413/10 Lösch

hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vom 23. Oktober 2012 unter Mitwirkung der … beschlossen:

1.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Teillöschungsbeschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2011 aufgehoben.

2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz wird angeordnet.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 7. April 2011 hat die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts die teilweise Löschung der seit 4. April 1984 unter anderem für die Waren

„Klasse 3: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“

eingetragenen Wortmarke 1 061 898

Dermatop

für diese Waren angeordnet. Zur Begründung hat die Markenabteilung ausgeführt, die Markeninhaberin und Antragsgegnerin habe dem mit Amtsbescheid vom 7. Dezember 2010 am 10. Dezember 2010 abgesandten Antrag auf Teillöschung wegen Verfalls vom 17. November 2010 gem. § 49 Abs. 1 MarkenG nicht binnen 2 Monaten nach Zustellung der Mitteilung widersprochen, § 53 Abs. 3 MarkenG. Der Teillöschungsantrag sei der Markeninhaberin durch Übergabeeinschreiben gem. § 94 Abs. 1 MarkenG, § 4 Abs. 1, 2 VwZG zugestellt worden.

Gegen diese Teillöschung ihrer Marke wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, der angegriffene Beschluss sei aufzuheben, weil ihr die Mitteilung über den Antrag auf Teillöschung nicht wirksam zugestellt worden und aus diesem Grunde die Widerspruchsfrist des § 53 Abs. 3 MarkenG nicht in Gang gesetzt worden sei. Die Abteilung Markenrecht der Markeninhaberin in Bad Soden, an die die Mitteilung abgesandt worden sei, sei im Zuge von Umstrukturierungen der S… in Deutschland schon im Jahre 2008 aufgelöst worden. Da die Markeninhaberin noch im Dezember 2010 einen Umschreibeantrag gestellt habe, hätte die Markenabteilung vor Erlass einer Entscheidung über den Löschungsantrag zunächst einen weiteren Zustellungsversuch unter der zuletzt angegebenen Anschrift unternehmen müssen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2011 aufzuheben,
hilfsweise einen Zwischenbescheid zu erlassen,
hilfsweise einen Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen.

Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Antragsgegnerin habe den eingetretenen Rechtsnachteil selbst zu vertreten, weil sie die Änderung ihrer Anschrift dem Deutschen Patent- und Markenamt schuldhaft erst mehr als 2 Jahre später mitgeteilt habe. Es könne nicht Aufgabe des Patentamts sein, bei jeder Zustellung zuvor die zutreffende Anschrift zu ermitteln.

Ausweislich einer bei der Amtsakte befindlichen Bestätigung der Postabsendestelle der Markenabteilung 3.4 über das Absendedatum eines Übergabe-Einschreibens (Amtsakte Bl. 29) sind der Teillöschungsantrag vom 17. November 2010 und die diesbezügliche Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamts gem. § 53 Abs. 2 MarkenG vom 7. Dezember 2010 am 10. Dezember 2010 durch Einschreiben mit der Nr. RF 90 145 297 3DE an die Adresse „S1… GmbH, K… Straße in B…“ abgesandt worden. Nach Auskunft des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 13. August 2012 (Gerichtsakte Bl. 37) ist eine Empfangsbestätigung zum Einschreiben Nr. RF 90 145 297 3DE seinerzeit nicht zur Akte gelangt. Als Markeninhaberin war damals im Register die „A… GmbH“ und als Zustellanschrift die Adresse „S1… GmbH, K… Straße in B…“ eingetragen. Diese Adresse hatte der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt M…, dem Deutschen Patent- und Markenamt mit Schriftsatz vom 26. November 2001 als Adresse der A… GmbH mitgeteilt. In der Amtsakte (Bl. 23) befindet sich als letzte Mitteilung vor dem Teillöschungsantrag eine Bekanntmachung der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) aus dem Jahre 2004 über eine Schutzrechtsverlängerung. Als Markenrechtsinhaberin der Basisregistrierung 1 061 898 „Dermatop“ und der Internationalen Registrierung 488 671 „Dermatop“ und ist dort angegeben: „A… GmbH, …straße 50 in F…“.

Aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts Frankfurt am Main, HRB 40661, ergibt sich, dass die Gesellschafterversammlung der A… GmbH zum 1. September 2005 eine Änderung ihrer Firma in „S1… GmbH beschlossen hat.

Die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2010 (Amtsakte Bl. 30) unter Verweis auf eine – nicht bei dieser Akte befindliche – Eingabe vom 5. Juli 2006 einen Umschreibungsantrag gestellt. In diesem haben sie sich unter anderem als Zustellungsbevollmächtigte der Antragsgegnerin legitimiert und als neue Adresse der nach einer Firmenänderung unter „S1… GmbH“ firmierenden Antragsgegnerin „B…straße in F…“ mitgeteilt.

K…, Vice President im Legal Department der S1… GmbH, hat unter dem 23. August 2012 (Gerichtsakte Bl. 40) an Eides Statt versichert, dass das Gebäude K… Straße in B…, am 30. Juni 2008 durch die S1… GmbH an den Vermieter zurückgegeben worden sei.

Er hat weiter an Eides statt versichert, dass die S1… GmbH von einem Löschungsantrag gegen die deutsche Marke Nr. 1 061 898 „Dermatop“ erst durch Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 7. April 2011 Kenntnis erlangt habe. Dieser ist den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zugestellt worden.

Ergänzend wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.

II.
Die gem. § 66 Abs. 1 MarkenG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. April 2011 ist aufzuheben, weil die Voraussetzungen einer Teillöschung wegen Verfalls gem. §§ 49, 53 Abs. 3 MarkenG entgegen den Feststellungen der Markenabteilung am 7. April 2011 nicht vorgelegen haben.

Die zweimonatige Frist zur Einlegung eines Widerspruchs gegen den Antrag auf Schutzentziehung wegen Verfalls gem. § 53 Abs. 3 MarkenG ist zuvor nicht in Lauf gesetzt worden. Denn die gem. §§ 49, 53 Abs. 3 MarkenG zustellungsbedürftige Unterrichtung über die Einleitung eines Löschungsverfahrens ist der Antragsgegnerin vor dem 7. April 2011 weder wirksam zugestellt worden, noch ist die Antragsgegnerin erweislich rechtzeitig zuvor auf andere Weise durch das Patentamt über den Löschungsantrag i. S. d. § 53 Abs. 2 MarkenG unterrichtet worden. Nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG gelten für Zustellungen im Verfahren vor dem Patentamt die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes § 4 Abs. 1 VwZG regelt die Zustellung eines Dokumentes durch die Post mittels des hier vom Deutschen Patent- und Markenamt gewählten Einschreibens durch Übergabe. Absatz 2 dieser Vorschrift regelt, dass das Dokument am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, es sei denn, dass es nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen. Eine Heilung von Zustellungsmängeln sieht § 8 VwZG zu dem Zeitpunkt vor, zu dem ein Dokument dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist.

Die Zugangsvermutung des § 4 Abs. 2 S. 2 VwZG hat die Antragsgegnerin dadurch widerlegt, dass sie schlüssig vorgetragen und darüber hinaus eidesstattlich versichert hat, den Teillöschungsantrag vom 17. November 2010 und die diesbezügliche Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamts gem. § 53 Abs. 2 MarkenG vom 7. Dezember 2010 nicht erhalten zu haben, weil das Gebäude „K… Straße in B“ bereits am 30. Juni 2008 durch die S1… GmbH an den Vermieter zurückgegeben worden sei. Der Senat bezweifelt einen Zugang unter dieser Anschrift im Dezember 2010 auch deshalb, weil schon aus der Bekanntmachung der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) aus dem Jahre 2004 über eine Schutzrechtsverlängerung eine andere Anschrift, nämlich „A… GmbH, B…straße in F…“ hervorgeht. Darüber hinaus hatten sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin über vier Monate vor Erlass des hier angegriffenen Löschungsbeschlusses als Zustellungsbevollmächtigte legitimiert und neben ihrer Kanzleianschrift als neue Adresse der Antragsgegnerin ebenfalls die Anschrift „B…straße in F…“ mitgeteilt.

Mithin hatte die Behörde den Zugang von Teillöschungsantrag und diesbezüglicher Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamts zu beweisen, § 4 Abs. 2 S. 2, 2. HS VwZG (vgl. ergänzend Kober-Dehm, Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl. 2011, Rn. 15, 16 zu § 94). Dieser von Amts wegen zu führende Nachweis ist nicht geführt worden.

Die Bestätigung der Postabsendestelle der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamts über das Absendedatum in Verbindung mit der Einschreibenummer reicht zum Nachweis des Zugangs und seines Zeitpunktes nicht aus (vgl. zu einer ebenfalls zum Nachweis nicht ausreichenden, und in diesem Falle ebenfalls nicht vorhandenen Einlieferungsbescheinigung der Post: Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz, Verwaltungszustellungsgesetz, Kommentar, Engelhardt, App, Schlatmann, 9. Aufl. 2011, Rn. 9 zu § 4 VwZG). Eine Empfangsbestätigung der Post liegt nicht vor; eine elektronische Sendungsverfolgung zum Einschreiben Nr. RF 90 145 297 3DE ist erfolglos geblieben. Hat die Behörde es versäumt, den tatsächlichen Übergabezeitpunkt eines Einschreibens innerhalb der sechsmonatigen Aufbewahrungsfrist für Zustellungsnachweise durch einen Nachforschungsauftrag bei der Post zu klären, geht dies zu ihren Lasten (vgl. BPatG 30 W (pat) 18/06, Entsch. v. 6. Oktober 2008 – Starsat – unter Verweis auf Sadler, VwZG, § 4 Rdn. 15, 16 m. w. N). Ein entsprechender Urkundsbeweis ist der Akte nicht zu entnehmen. Sowohl die Bekanntmachung der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) aus dem Jahre 2004 als auch der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 21. Dezember 2010 (Amtsakte Bl. 30) hätten der Markenabteilung jedoch Anlass geben können, die Wirksamkeit der Zustellung von Löschungsantrag und Löschungsmitteilung bereits vor Erlass des angefochtenen Beschlusses zu prüfen und zu dokumentieren oder deren Zustellung zu wiederholen.

Eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 8 VwZG scheidet aus, da der tatsächliche Zugang des Antrags vor dem 7. April 2011 nicht nachgewiesen ist.

Mangels wirksamer Zustellung ist die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Antrag auf Teillöschung wegen Verfalls damit vor dem 7. April 2011 nicht in Lauf gesetzt worden, so dass die Voraussetzungen der beantragten Teillöschung entgegen den Feststellungen der Markenabteilung am 7. April 2011 nicht vorgelegen haben.

Diesen Feststellungen steht der Einwand der Antragstellerin nicht entgegen, wonach die Antragsgegnerin schuldhaft handelte, als sie ihren Umzug erst mehr als 2 Jahre später dem Deutschen Patent- und Markenamt mitteilte; denn für die Wirksamkeit einer Zustellung durch das Deutsche Patent- und Markenamt bzw. für deren Unwirksamkeit kommt es auf ein Verschulden des Zustellungsempfängers nicht an. Für Zustellungen in Verfahren vor dem Patentamt gilt gemäß § 94 MarkenG Abs. 1 MarkenG das Verwaltungszustellungsgesetz mit den Maßgaben nach § 94 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 MarkenG. Sowohl § 94 Abs. 1 MarkenG als auch das Verwaltungszustellungsgesetz regeln die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung unabhängig von einem Verschulden des Zustellungsempfängers. Besonders deutlich wird die Verschuldensunabhängigkeit der vorgenannten Zustellungsvorschriften an den Vorschriften über die öffentliche Zustellung in § 10 VwZG: Auch für die Zulässigkeit dieser Zustellungsform, die für den Zustellungsempfänger regelmäßig mit sehr großen Nachteilen verbunden ist, kommt es nicht auf ein Verschulden des Zustellungsempfängers an.

Der Beschluss der Markenstelle vom 7. April 2011 war daher aufzuheben; die Beschwerde hatte Erfolg.

Aus Billigkeitsgründen war der Antragsgegnerin schließlich gem. § 71 Abs. 3 MarkenG von Amts wegen die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten. Die Einlegung dieser Beschwerde wäre nicht erforderlich geworden, wenn die Markenabteilung erweislich wirksam zugestellt und sichergestellt hätte, dass vor Erlass der angefochtenen Teillöschungsentscheidung der Antragsgegnerin gem. § 53 Abs. 2 MarkenG rechtliches Gehör gewährt wurde (vgl. BPatG 28 W (pat) 227/03, Entsch. v. 7. Juli 2004 – MONTANA; BPatG; 26 W (pat) 58/10, Entsch. v. 11. Mai 2011 – CHRISTALINO JAUME SERRA; BPatG 24 W (pat) 68/11, Entsch v. 27. März 2012 – fritel).

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