BVerfG: Der Fachanwaltstitel erlischt nicht mit Ende der Anwaltszulassung, wenn jährliche Fortbildungen erfolgen / Berufsausübungsfreiheit

veröffentlicht am 24. November 2014

BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014, Az. 1 BvR 1815/12
§ 43c Abs. 1 S.1 BRAO, § 3 FAO, Art. 12 GG

Das BVerfG hat entschieden, dass der Fachanwaltstitel nicht mit dem Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf unwiderbringlich erlischt, sondern vielmehr nach erneuter Zulassung fortgesetzt werden darf, wenn der betreffende Rechtsanwalt seiner jährlichen Fortbildungsverpflichtung nachgekommen ist. Ein zuwiderlaufendes Verbot verletze das Recht des Rechtsanwalts auf Berufsausübungsfreiheit. Zum Volltext der Entscheidung:


Bundesverfassungsgericht

Urteil

1.
Der Bescheid der Rechtsanwaltskammer Hamm vom 7. April 2010 – FA-VwR -, das Urteil des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. Juli 2011 – 1 AGH 22/11 – und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. Juli 2012 – AnwZ (Brfg) 57/11 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird aufgehoben. Die Sache wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.

2.
Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

3.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 12.500 Euro (in Worten: zwölftausendfünfhundert Euro) festgesetzt.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen Entscheidungen, die es der Beschwerdeführerin als früherer Rechtsanwältin verwehren, nach ihrer Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die bereits erworbene Fachanwaltsbezeichnung erneut zu führen.

1.
§ 43c Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) regelt, dass dem Rechtsanwalt, der besondere Kenntnisse und Erfahrungen in einem Rechtsgebiet erworben hat, die Befugnis verliehen werden kann, eine hierfür zugelassene Fachanwaltsbezeichnung zu führen. Zuständig für die Erteilung der Erlaubnis ist der Vorstand der Rechtsanwaltskammer, der der Antragsteller angehört. Die Einzelheiten zur Fachanwaltsbezeichnung und des zugehörigen Verwaltungsverfahrens sind aufgrund der Ermächtigung in § 59b Abs. 2 Nr. 2 BRAO durch die von der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer beschlossene Fachanwaltsordnung (im Folgenden: FAO) geregelt.

a)
Generelle Voraussetzung für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung ist nach § 3 FAO eine dreijährige Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und eine ebenso lange rechtsanwaltliche Tätigkeit innerhalb der letzten sechs Jahre vor Antragstellung. Daneben hat der Antragsteller besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrungen in dem betreffenden Rechtsgebiet nachzuweisen (§ 2 FAO). Während § 4 und § 4a FAO den Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse und darauf bezogene Leistungskontrollen regeln, folgen aus § 5 FAO die Anforderungen an den Nachweis des Erwerbs der besonderen praktischen Erfahrungen. Die Bestimmung setzt dabei die persönliche und weisungsfreie Bearbeitung einer bestimmten Anzahl von Fällen im jeweiligen Rechtsgebiet regelmäßig innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung voraus.

b)
Für Rechtsanwälte, die eine Fachanwaltsbezeichnung führen, bestimmt § 15 FAO, dass sie sich kalenderjährlich mindestens zehn Zeitstunden – ab 1. Januar 2015 erweitert auf mindestens 15 Zeitstunden (vgl. Beschluss der 5. Sitzung der 5. Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer am 6./7. Dezember 2013, BRAK-Mitt. 2014, S. 145) – im jeweiligen Fachgebiet fortbilden müssen. Die Erfüllung der Verpflichtung ist der Rechtsanwaltskammer unaufgefordert nachzuweisen. Wird eine vorgeschriebene Fortbildung unterlassen, so kann die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden (§ 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO).

2.
Die Beschwerdeführerin war bis zum Jahr 2010 als Rechtsanwältin zugelassen und hatte die Erlaubnis erhalten, die Fachanwaltsbezeichnung für das Verwaltungsrecht zu führen. Nachdem sie eine unbefristete Tätigkeit im öffentlichen Dienst aufgenommen hatte, verzichtete sie auf die Rechte aus ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und beantragte bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer zugleich die Zusicherung, dass sie bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Fachanwaltsbezeichnung erneut führen dürfe, sofern sie ihrer Fortbildungspflicht nach § 15 FAO nachgekommen sei.

Mit Bescheid vom 7. April 2010 lehnte die Rechtsanwaltskammer die Erteilung einer solchen Zusicherung ab. Die Fachanwaltsordnung sehe keine Rechtsgrundlage für die Wiedererteilung einer Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne neuerlichen Nachweis der praktischen Fähigkeiten nach § 5 FAO vor.

Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher die Beschwerdeführerin zuletzt die Feststellung beantragte, dass sie im Falle der erneuten Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerruflich berechtigt sei, die Bezeichnung „Fachanwältin für Verwaltungsrecht“ zu führen, soweit sie in der Zwischenzeit ihrer Fortbildungspflicht gemäß § 15 FAO genügt habe, wies der Anwaltsgerichtshof ab. Durch das Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlösche auch die Gestattung zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung endgültig. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Mit Erlöschen der Anwaltszulassung habe sich die Befugnis der Beschwerdeführerin zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung gemäß § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) „auf andere Weise“ erledigt, weil die Erlaubnis ohne die Rechtsanwaltseigenschaft der Beschwerdeführerin nicht mehr geeignet sei, rechtliche Wirkungen zu entfalten. Eine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führe nicht zum Wiederaufleben der erledigten Erlaubnis. Jedenfalls lasse sich aus dem Gesamtzusammenhang der die Berechtigung zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung normierenden Vorschriften keine Legitimation für ein bloßes Ruhen der Befugnis für die Zeit einer erloschenen Rechtsanwaltszulassung ableiten. Namentlich § 3 FAO verdeutliche eine essentielle Bedeutung praktischer Tätigkeit für das Führen der Fachanwaltsbezeichnung im Interesse der Rechtsuchenden, womit ein gegebenenfalls automatisches Wiederaufleben der Erlaubnis nach einem jahre- oder jahrzehntelangen Ruhen der anwaltlichen Tätigkeit nicht vereinbar sei. Jedenfalls finde ein genereller Anspruch der Beschwerdeführerin auf erneute Erteilung der Erlaubnis ohne Erfüllung der Ursprungsvoraussetzungen oder unter erleichterten Voraussetzungen in der Fachanwaltsordnung keine Grundlage. Anders als die Beschwerdeführerin meine, stellten sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in der Fachanwaltsordnung geregelte Rechtslage, möge auch die Handhabung in einzelnen Regionalkammern großzügiger sein.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung insbesondere von Art. 12 Abs. 1 GG.

4.
Zu der Verfassungsbeschwerde und den durch sie aufgeworfenen Fragen haben der Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, die Bundesrechtsanwaltskammer, einzelne regionale Rechtsanwaltskammern und der Deutsche Anwaltverein e.V. Stellung genommen; die Bundesregierung, das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, der Deutsche Juristinnenbund e.V. und der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. haben von der Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 33, 125 <157 ff.>; 57, 121 <130 f.>; 94, 372 <389 f.>; 111, 366 <373>).

1.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Obwohl es ihr derzeit an der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft fehlt, ist die Beschwerdeführerin schon gegenwärtig in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG betroffen und mithin beschwerdebefugt. Hinsichtlich der erstrebten Führung der Fachanwaltsbezeichnung kann sie nicht auf die Zeit nach ihrer etwaigen erneuten Zulassung als Rechtsanwältin verwiesen werden, weil dann einer Beurteilung des Rechtsverhältnisses im Sinne der Beschwerdeführerin die Rechtskraft der gegen sie im Ausgangsverfahren ergangenen Urteile entgegenstünde. Dabei hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Feststellungsantrag aus Anlass des Verzichts auf ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht etwa den Eintritt des jetzigen Zustandes zur Ermöglichung einer Inzidentkontrolle provoziert (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung BVerfGE 72, 1 <5 f.>), sondern lediglich versucht, sich bereits zu diesem Zeitpunkt Rechtssicherheit über die zukünftigen Folgen bei erneuter Rechtsanwaltszulassung zu verschaffen. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde als berechtigtes Anliegen zu werten.

2.
Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit.

a)
Die gerichtlichen Entscheidungen, die feststellen, dass die Beschwerdeführerin nicht befugt ist, ihre Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu führen, ohne erneut die Zulassungsvoraussetzungen der §§ 2 ff. FAO nachzuweisen, beschränken die Beschwerdeführerin in ihrer Berufsausübungsfreiheit. Der Sache nach wird der Beschwerdeführerin untersagt, den einmal erworbenen Spezialisierungs- und Qualifizierungshinweis bei erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wieder zu nutzen. Dass ihr hiermit die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung nicht gestattet wird, stellt einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Berufsausübung der Beschwerdeführerin dar (vgl. BVerfGE 57, 121 <130>).

b)
Der Eingriff ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil er der gebotenen gesetzlichen Grundlage entbehrt.

In die Berufsausübungsfreiheit darf nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden, das seinerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtseinschränkende Gesetze genügt (vgl. BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 111, 366 <373>; stRspr). Diesem Gesetzesvorbehalt kann nicht nur durch Normen des staatlichen Gesetzgebers genügt werden, vielmehr sind Beschränkungen innerhalb gewisser Grenzen auch in Gestalt von Satzungen zulässig (vgl. BVerfGE 76, 171 <185>). Obwohl hiernach im Allgemeinen auch die Fachanwaltsordnung als Satzungsrecht hinreichende Eingriffsgrundlage sein kann, haben die Fachgerichte hier mit den angegriffenen Entscheidungen den Vorbehalt des Gesetzes nicht beachtet.

aa)
Im maßgeblichen Gesetzes- und Satzungsrecht findet sich keine ausdrückliche Regelung, nach der die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung mit dem Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf mit der Folge erlischt, dass nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Fachanwaltsbezeichnung gemäß der allgemeinen Regeln für die erste Gestattung erneut erworben werden muss. Die Fachgerichte haben im Ausgangsverfahren daher diese Rechtsfolge einer Auslegung der § 43 Abs. 2 VwVfG, § 43c BRAO und §§ 2 ff. FAO entnommen.

Dies begegnet zwar im Ansatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG kann auch dann genügt sein, wenn die einschlägigen Normen erst durch richterliche Auslegung hinreichende Konturen für eine Beschränkung der Berufsfreiheit erhalten (vgl. BVerfGE 80, 269 <279>). Die Konkretisierung gesetzlicher Tatbestandsmerkmale gehört zu den anerkannten Aufgaben der Rechtsprechung, die sie auch im Interesse der verfassungsrechtlich geforderten Rechtssicherheit wahrnimmt. Entscheidend für die Wahrung des Gesetzesvorbehalts ist aber, dass die Berufsausübungsbeschränkungen aus den zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften selbst und ihrem Regelungszusammenhang ableitbar sind (vgl. BVerfGE 80, 269 <279>). Das Bundesverfassungsgericht prüft insoweit insbesondere, ob die Fachgerichte bei ihrer Rechtsfindung die gesetzgeberische Grundentscheidung respektiert und von den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in vertretbarer Weise Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerfGE 131, 130 <146>).

bb)
Gemessen daran kann die Auslegung der Fachgerichte im vorliegenden Fall keine hinreichende Grundlage für den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin schaffen.

(1)
Mit den Vorschriften zur Erlangung und zum Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung haben der Parlamentsgesetzgeber in § 43c BRAO und der von ihm ermächtigte Satzungsgeber in der Fachanwaltsordnung Regelungen getroffen, die der freien anwaltlichen Berufsausübung Schranken im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG setzen. Hierbei verfolgen die Regelungen über die Fachanwaltsbezeichnungen mit dem Schutz der funktionsfähigen Rechtspflege ein hinreichend legitimes Ziel. Die Bezeichnung „Fachanwalt“ erweckt bei den Rechtsuchenden die Erwartung besonderer, in einem formalisierten Verfahren nachgewiesener theoretischer und praktischer Fachkenntnisse (vgl. BVerfGK 10, 482 <484>). Durch die strengen gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorgaben zum Erwerb und Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung wird das – im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege liegende – Vertrauen der Öffentlichkeit in die besondere Qualifikation der die Fachanwaltsbezeichnungen führenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte geschützt (vgl. BVerfGK 6, 290).

(2)
Um dieses legitime Ziel zu erreichen, mag es geeignet sein, nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Fortführung einer bereits vor dem Widerruf erworbenen Fachanwaltsbezeichnung von einem neuerlichen Erwerb und damit insbesondere von zeitlichen Vorgaben für anwaltliche Tätigkeit (§ 3 FAO) sowie vom Nachweis dabei erlangter besonderer praktischer Erfahrungen (§ 5 FAO) abhängig zu machen. Gleichwohl hat der Gesetzgeber in dieser Hinsicht die anwaltliche Berufsfreiheit nicht beschränkt; denn weder den Vorschriften des Gesetzes- noch des Satzungsrechts lässt sich eine dahingehende Regelung entnehmen. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung gilt es zu respektieren.

(a)
In Ausübung ihres Gestaltungsspielraums haben sowohl der parlamentarische Gesetzgeber als auch der – durch ihn hierzu ermächtigte – Satzungsgeber abschließende Regelungen zum Erhalt einer einmal erworbenen Fachanwaltsbezeichnung getroffen. So bestimmt zunächst § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, dass die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden kann, wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterlassen wird. Auf dieser Grundlage regelt anschließend das Satzungsrecht in § 15 FAO eine Fortbildungsverpflichtung, die durch wissenschaftliches Publizieren und insbesondere durch „hörende oder dozierende“ Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen von – derzeit – jährlich mindestens 10 Zeitstunden zu erfüllen ist. Hingegen wurde auf Vorschriften verzichtet, die zusätzlich zu dieser auf theoretische Kenntnisse bezogenen Fortbildungsverpflichtung den Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung an eine praktische Tätigkeit namentlich im Bereich des jeweiligen Fachgebiets knüpfen. Obgleich demnach die Notwendigkeit der fortdauernden Qualifikationssicherung gesehen wurde, entschied sich der Gesetzgeber, diese auf den Teil der theoretischen Fachkenntnisse zu beschränken.

Demgemäß findet sich in den Gesetzgebungsmaterialien ebenfalls kein Hinweis auf die Notwendigkeit einer praktischen Tätigkeit. Schon bei der Begründung der Vorgängerbestimmung des § 42c BRAO a.F., der erstmals die Widerrufsmöglichkeit im Falle unterlassener Fortbildung vorsah, ging es nur um die Sanktionierung einer unterlassenen Fortbildung und die damit verbundenen Verfahrensfragen (vgl. BTDrucks 11/8307, S. 19 f.). Die vorherigen Erörterungen des Rechtsausschusses (Protokoll Nr. 98, S. 8 ff.) ergeben ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass darüber hinaus eine fortgesetzte praktische Tätigkeit im Gebiet der Fachanwaltsbezeichnung als notwendig angesehen wurde.

(b)
Durch die tatsächlichen Umstände konnte der Gesetzgeber den Erhalt berufspraktischer Fachkenntnisse nicht als ohnehin sichergestellt und deshalb eine Normierung für entbehrlich halten. Zwar mag für den Regelfall davon auszugehen sein, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte den hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand zum Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung auch für eine anwaltliche Tätigkeit insbesondere auf dem entsprechenden Fachgebiet nutzen werden. Ob dies aber auch tatsächlich geschieht, bleibt den einzelnen Berufsträgern überlassen. Durch das Berufsrecht wird nicht sichergestellt, dass Fachanwälte auf dem betreffenden Rechtsgebiet überhaupt oder in nennenswertem Umfang beruflich tätig werden (vgl. Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2011, S. 296). Da § 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO überdies die Möglichkeit der gleichzeitigen Führung von bis zu drei Fachanwaltsbezeichnungen eröffnet, kann zumindest eine überwiegende Tätigkeit im jeweiligen Rechtsgebiet der Fachanwaltsbezeichnung vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein. Demgemäß haben auch einige Rechtsanwaltskammern in ihren Stellungnahmen zum vorliegenden Verfahren berichtet, dass bei ihnen Rechtsanwälte zugelassen sind, die eine Fachanwaltsbezeichnung führen und dennoch nicht im jeweiligen Fachgebiet tätig werden (vgl. zu Beispielen auch Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 2003, S. 155). Aus der Mehrzahl der Stellungnahmen der Rechtsanwaltskammern ergibt sich zudem, dass selbst bei bekannten Fällen solcher Untätigkeit die Gestattung zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung gegenüber den betreffenden Berufsträgern nicht widerrufen wird und nach geltender Rechtslage wohl auch nicht widerrufen werden kann.

(c)
Schließlich macht der Regelungszusammenhang mit anderen Vorschriften eine gesetzes- oder satzungsrechtliche Bestimmung nicht entbehrlich, sollten nach Einschätzung des Gesetzgebers andauernde praktische Erfahrungen zum Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung als erforderlich anzusehen sein. Entgegen der Ansicht der Fachgerichte sind insoweit die Wirkungen des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ohne maßgebliche Bedeutung.

Zwar ist die Auslegung nicht zu beanstanden und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht angegriffen, wonach mit dem Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung gleichfalls und ohne gesonderten Widerruf erlischt. Der Verlust der Zulassung hat nach § 17 BRAO grundsätzlich den Verlust der Befugnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt“ oder „Rechtsanwältin“ zur Folge. An diese Berufsbezeichnung ist aber, wie namentlich § 43c Abs. 1 Satz 1 BRAO verdeutlicht, die Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung geknüpft. Zumindest vertretbar ist es ferner, ein „Ruhen“ der Erlaubnis bis zur erneuten Anwaltszulassung zu verneinen. All dies zwingt aber nicht dazu, die Wiedererteilung der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung nach erneuter Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von der Erfüllung der Voraussetzungen abhängig zu machen, die für die erstmalige Gestattung zu ihrem Führen maßgeblich sind.

Schon zur erstmaligen Erteilung der Befugnis hatte die Beschwerdeführerin in dem vorgeschriebenen formalisierten Verfahren (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2005 – AnwZ (B) 11/04 -, NJW 2005, S. 2082 <2083>; Beschluss vom 30. Mai 2012 – AnwZ 3/12 -, NJW-RR 2012, S. 1525) nachgewiesen, dass sie während ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin auf dem betreffenden Rechtsgebiet, hier des Verwaltungsrechts, die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen erworben hat, die für eine Fachanwaltsbezeichnung nach § 43c BRAO in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen der Fachanwaltsordnung notwendig sind. Ungeachtet der – in der Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer aufgeworfenen – Frage, ob durch den Verwaltungsakt, mit dem die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung verliehen wurde, auch eine bestandskräftige Feststellung hinsichtlich der berufspraktischen Erfahrungen getroffen ist, findet sich keine gesetzliche oder satzungsrechtliche Regelung, wonach dieser einmal erbrachte Qualifikationsnachweis mit dem Widerruf der Zulassung der Beschwerdeführerin zur Rechtsanwaltschaft oder bloßen Zeitablauf seine Wirksamkeit verlieren würde. Der Verlust einer einmal erworbenen berufspraktischen Qualifikation bei zeitweiligem Ausscheiden aus dem Beruf ist auch keineswegs selbstverständlich; selbst Berufsordnungen, die die erste Zulassung zu einem Beruf von praktischen Erfahrungen abhängig machen, fordern diese für die Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit nicht nochmals (vgl. etwa § 48 des Steuerberatungsgesetzes ; § 23 des Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer – Wirtschaftsprüferordnung ). Der Hinweis der Fachgerichte auf § 43 Abs. 2 VwVfG und auf die Unwirksamkeit wegen Erledigung eines Verwaltungsaktes führt schon deshalb nicht weiter, weil sich aus dieser Bestimmung nichts hinsichtlich der Anforderungen für die Wiedererteilung einer – hiernach etwa unwirksam gewordenen – Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung entnehmen lässt.

Eine im vorliegenden Zusammenhang relevante Bestimmung ist lediglich für die theoretischen Kenntnisse getroffen. Insoweit ist die Fortbildungsverpflichtung nach § 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO, § 15 FAO einschlägig. Dieser Obliegenheit zum Erhalt der Fachanwaltsbezeichnung hat die Beschwerdeführerin indessen auch Rechnung getragen; denn sie hat die von ihr im Ausgangsverfahren geltend gemachte Befugnis zur erneuten Führung der Fachanwaltsbezeichnung selbst ausdrücklich unter die Bedingung gestellt, dass sie ihre Fortbildungsverpflichtungen aus § 15 FAO erfüllt.

3.
Angesichts der festgestellten Verletzung der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit bedarf es keiner Prüfung weiterer Grundrechte, deren Verletzung die Beschwerdeführerin ausdrücklich oder der Sache nach rügt.

4.
Die angefochtenen Entscheidungen beruhen auf den festgestellten Verstößen gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Es ist nicht auszuschließen, dass die Gerichte anders entschieden hätten, wenn sie bei ihren Entscheidungen die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätten.

a)
Dies muss ungeachtet der Frage gelten, für welche Zeit die Beschwerdeführerin aus der Rechtsanwaltschaft ausscheidet und mit welchen beruflichen Aufgaben sie zwischenzeitlich, also vor einer etwaigen erneuten Zulassung als Rechtsanwältin befasst war. Im einschlägigen Berufsrecht findet sich – wie ausgeführt – derzeit keine Regelung, nach der die einmal erworbene berufspraktische Qualifikation allgemein (vgl. § 3 FAO) oder hinsichtlich des Fachgebietes (vgl. § 5 FAO) allein durch Ausscheiden aus dem Anwaltsberuf oder durch Zeiten beruflicher Untätigkeit erlischt.

Ob eine solche Regelung gesetzes- oder satzungsrechtlich möglich wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Zur Sicherung der hohen Qualifikation der Fachanwaltschaft mag daran gedacht werden, den einmal nachgewiesenen Standard nicht nur durch Fortbildungspflichten, sondern auch durch den Nachweis einer fortgesetzten – zumindest nennenswerten – beruflichen Tätigkeit auf dem jeweiligen Fachgebiet nach Erteilung der Fachanwaltsbezeichnung auf Dauer sicherzustellen. Dabei gilt es allerdings nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlungen gegenüber zugelassenen Rechtsanwälten zu vermeiden. Zudem dürfte eine etwaige Befristung der Wirkung des Nachweises besonderer praktischer Erfahrungen den in § 5 Abs. 1 und Abs. 3 FAO getroffenen zeitlichen Bewertungen nicht widersprechen und keine nur pauschale Behandlung ermöglichen. Zu berücksichtigen wäre insbesondere, ob die zwischenzeitliche berufliche Tätigkeit nicht auf dem einschlägigen rechtlichen Fachgebiet erfolgt und mit anwaltlicher Rechtsberatung und Vertretung im Sinne des § 3 Abs. 1 BRAO zumindest vergleichbar ist.

b)
Es erscheint angezeigt, gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG lediglich das Urteil des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sache dorthin zurückzuverweisen. Das dient dem Interesse der Beschwerdeführerin, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten.

5.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

6.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

I