BVerfG: Eine Kanzlei mit dem Zusatz „Rechtsanwälte“ muss mindestens zwei Rechtsanwälte auf dem Briefbogen führen

veröffentlicht am 28. Mai 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBVerfG, Beschluss vom 24.03.2009, Az. 1 BvR 144/09
§ 10 Abs. 1 BORA, Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1, Abs. 1 GG

Das BVerfG hat entschieden, dass Rechtsanwälte zwar nach § 9 BORA bei einer beruflichen Zusammenarbeit, etwa bei einer Sozietät, bei einem Anstellungsverhältnis oder bei freier Mitarbeit, eine Kurzbezeichnung führen dürfen, sie dann aber bezüglich der Einzelheiten zur Verwendung einer solchen Kurzbezeichnung auf Briefbögen § 10 Abs. 1 BORA zu beachten haben. Eine Verfassungswidrigkeit von § 10 Abs. 1 BORA wurde abgelehnt. Demnach müssen auf Briefbögen auch bei Verwendung einer Kurzbezeichnung die Namen sämtlicher Gesellschafter mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen aufgeführt werden. Gleiches gilt für Namen anderer Personen, die in einer Kurzbezeichnung gemäß § 9 enthalten sind. Es muss mindestens eine der Kurzbezeichnung entsprechende Zahl von Gesellschaftern, Angestellten oder freien Mitarbeitern auf den Briefbögen namentlich aufgeführt werden.

Der Beschwerdeführer, der in seiner Kanzlei eine weitere Rechtsanwältin beschäftigte, verwendete auf Briefbögen eine Kurzbezeichnung, die sich aus seinem Familiennamen und dem Zusatz „Rechtsanwälte“ zusammensetzte. Obwohl ihm deshalb wegen Verstoßes gegen § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA durch die Rechtsanwaltskammer eine Rüge erteilt worden war, benutzte er diese Kanzleibriefbögen unverändert weiter. Das Anwaltsgericht stellte daraufhin eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten fest und erteilte dem Beschwerdeführer einen Verweis. Die hiergegen gerichtete Berufung blieb bei dem Anwaltsgerichtshof ebenso ohne Erfolg wie die anschließende Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beim Bundesgerichtshof.

Das BVerfG erkannten einen verfassungsgemäßen Eingriff in die Berufsfreiheit des Beschwerdeführers. § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA schreibe bestimmte Informationen auf Briefbögen verbindlich vor und regelt damit Modalitäten der Berufsausübung. Zu dem Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten gehöre auch die berufliche Außendarstellung des Grundrechtsträgers. Den Angehörigen freier Berufe solle für sachgerechte, nicht irreführende Information im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben. Maßnahmen, die sie dabei beschränkten, stellten Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung dar und wären auf eine gesetzliche Grundlage angewiesen, die ihrerseits den Anforderungen der Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügen müsse (vgl. BVerfGE 85, 248, 256; BVerfGE 101, 331, 347).

Die Satzungsbestimmung aus § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA trägt diesen Anforderungen Rechnung und begegnet daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die angegriffene Regelung diene der Transparenz sowie der Information des rechtsuchenden Publikums und damit hinreichenden Belangen des Gemeinwohls (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 20.11.2007, Az. 1 BvR 2482/07, NJW 2008, S. 502, 503). So würden Rechtsuchende durch die namentliche Benennung der Rechtsanwälte auf dem Briefbogen in die Lage versetzt, mögliche Interessenwiderstreite abzuschätzen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13.06.2002, Az. 1 BvR 736/02, NJW 2002, S. 2163). Zwar werde dieser Gemeinwohlbelang in erster Linie mit der Verpflichtung zur namentlichen Benennung sämtlicher Gesellschafter aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BORA verfolgt. Jedoch diene auch § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA der Information der Rechtsuchenden über die personelle Zusammensetzung der Kanzlei, indem er bei zulässigen Kurzbezeichnungen unabhängig von der internen Gesellschafterstellung zur namentlichen Angabe weiterer Berufsträger verpflichte, sofern aus der Kurzbezeichnung hervorgehe, dass in der Kanzlei mehrere Berufsträger tätig seien. Dass dies dem Rechtsuchenden weitere Informationen zur Abschätzung eines potentiellen Interessenkonflikts verschaffe, werde gerade in Fällen wie dem vorliegenden deutlich, weil die weitere in der Kanzlei des Beschwerdeführers tätige Rechtsanwältin zusätzlich noch eine eigene Kanzlei betreibe.

Sofern mit einer Kurzbezeichnung auch eine Aussage über die Anzahl der in der Kanzlei aktiv tätigen Rechtsanwälte verbunden sei, biete § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA den Rechtsuchenden auch insoweit Transparenz, als ihnen die namentliche Benennung der Berufsträger die Kontrolle ermögliche, ob die Kanzlei tatsächlich die durch die Kurzbezeichnung suggerierte Größe aufweise. Die Pluralbezeichnung deute zudem nicht nur auf eine bestimmte Größe hin, sondern erweckt beim rechtsuchenden Publikum auch die Erwartung, dass im Haftungsfall mehrere gesamtschuldnerisch haftende Gesellschafter zur Verfügung stünden. Durch das Benennungsgebot werde aus dem Briefbogen mithin auch ersichtlich, welche Berufsträger auf Seiten der Kanzlei in möglichen künftigen Haftungsfällen dem Mandanten gegenüberstünden.

Im weiteren führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass aus § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA keine Pflicht zur Begründung einer Scheinsozietät zu folgern sei. Nicht jede Benennung eines weiteren Rechtsanwalts im Briefbogen führe zwingend zu einer diesen Berufträger in die Haftung einschließenden Außengesellschaft. Entscheidend sei vielmehr die konkrete Gestaltung des Außenauftritts im Einzelfall, etwa durch Briefbögen, Stempel und Kanzleischild. Hierbei sei es durchaus möglich – und in der Praxis auch üblich – durch ausdrückliche Hinweise an die Rechtsuchenden, wie etwa die nach § 8 BORA zulässige Angabe des Anstellungsverhältnisses oder der freien Mitarbeit, Transparenz zu schaffen und einen haftungsbegründenden Rechtsschein zu vermeiden.

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