BVerfG: Zur Zulässigkeit der Berichterstattung über das Privatleben Prominenter

veröffentlicht am 2. Januar 2012

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtBVerfG, Urteil vom 08.12.2011, Az. 1 BvR 927/08
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG

Das BVerfG hat entschieden, dass eine Berichterstattung über die Urlaubsgewohnheiten eines Prominenten im Rahmen eines Berichtes über ein bestimmtes Urlaubsgebiet zulässig sind, auch wenn diese die Privatsphäre der bekannten Person betreffen. So seien die Äußerungen „Dauergast xxx fährt jedes Jahr in Zürs Ski – meist mit Familie. Sie gibt sich unauffällig und trägt deshalb ihre Skier selbst“ und „Dort gibt es wie eh und je Mittagsbüfett mit köstlichen Salaten. Das gehört dazu wie jedes Jahr die hier ganz unauffällig auftretende xxx im Skianzug“ im Rahmen eines 6-seitigen Berichts zum Urlaubsgebiet Arlberg vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt. Der Bericht müsse als Ganzes betrachtet werden. Dann sei ersichtlich, dass es um die Urlaubsgewohnheiten der Klägerin nur als Kolorit am Rande gehe und lediglich Belanglosigkeiten beträfen. Demgegenüber bestehe ein Informationinteresse der Leserschaft daran, welche Gäste die Urlaubsregion besuchten, da hier auch eine Vorbildfunktion der prominenten Gäste bestehe. Zum Volltext der Entscheidung:

Bundesverfassungsgericht

Urteil

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde

gegen a) den Beschluss des Kammergerichts vom 28. Februar 2008 – 10 U 263/07 -,
b) das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Oktober 2007 – 27 O 701/07

hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch … am 8. Dezember 2011 einstimmig beschlossen:

Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 23. Oktober 2007 – 27 O 701/07 – und der Beschluss des Kammergerichts vom 28. Februar 2008 – 10 U 263/07 – verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

Das Land Berlin hat der Beschwerdeführerin die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1.
Die Beschwerdeführerin verlegt die Zeitschrift „Bunte“. In der Ausgabe Nr. 7/2007 vom 8. Februar 2007 dieser Zeitschrift veröffentlichte die Beschwerdeführerin einen Bericht aus dem Reiseteil, der sich mit der Skiregion Arlberg beschäftigt. In diesem Zusammenhang wird die Landschaft beschrieben, über die Hotels und deren Eigentümerfamilien berichtet sowie über die große Zahl prominenter Personen informiert, die hier ihren Urlaub verbracht haben oder regelmäßig verbringen. Unter einer – nicht angegriffenen – Abbildung von Prinzessin Caroline von Hannover, der Klägerin des Ausgangsverfahrens (im folgenden: Klägerin), die dort in Skikleidung und mit Skiern über den Schultern abgebildet ist, heißt es:

DAUERGAST Caroline von Monaco fährt jedes Jahr in Zürs Ski – meist mit Familie. Sie gibt sich unauffällig und trägt deshalb ihre Skier selbst.

Im Text heißt es:

Ein paar Kilometer weiter: das sportlich-elegante Zürs. Die vertraute Terrasse des „Lorünser“. Dort gibt es wie eh und je Mittagsbüfett mit köstlichen Salaten. Das gehört dazu wie jedes Jahr die hier ganz unauffällig auftretende Caroline im Skianzug…

2.
Die Klägerin wandte sich gegen diese beiden Textveröffentlichungen. Nachdem eine Abmahnung von der Beschwerdeführerin zurückgewiesen worden war, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht, durch die der Beschwerdeführerin nur die obige zweitgenannte Äußerung untersagt wurde. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin untersagte das Kammergericht der Beschwerdeführerin zusätzlich auch die erstgenannte Äußerung. Diese Entscheidungen greift die Beschwerdeführerin mit der Verfassungsbeschwerde nicht mehr an, nachdem sie sie diesbezüglich zulässigerweise teilweise zurückgenommen hat.

In dem gemäß § 926 ZPO erzwungenen Hauptsacheverfahren verurteilte das Landgericht die Beschwerdeführerin durch angegriffenes Urteil dazu, die Verbreitung der beiden Äußerungen zu unterlassen. Es begründet dies damit, dass die Veröffentlichung einen rechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin darstelle, weil damit unzulässig in ihre Privatsphäre eingegriffen werde. Die vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin einerseits und der Pressefreiheit der Beschwerdeführerin andererseits falle zu Gunsten der Klägerin aus. Die Wortberichterstattung darüber, wo die Klägerin ihren Skiurlaub verbringe, ob sie ihre Skier selber trage und ihre Motivation dazu, sowie, wo sie regelmäßig zum Mittagessen einkehre, betreffe selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs weder einen Vorgang von allgemeinem Interesse noch ein zeitgeschichtliches Ereignis. Die streitgegenständlichen Äußerungen gingen darüber hinaus mitzuteilen, dass die Klägerin in einem bestimmten Skiort ihren Urlaub verbringe, sie offenbarten vielmehr weitere Einzelheiten der Urlaubsgestaltung. Die Nennung von Hotelnamen und bestimmten Lokalitäten könne im Übrigen dazu beitragen, interessiertes Publikum erst an den Ort zu lotsen, an dem die Klägerin – schon nach dem Inhalt der streitgegenständlichen Berichterstattung – von öffentlicher Aufmerksamkeit gerade unbehelligt bleiben möchte. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin nicht gegen ihren Willen als Werbeträger herhalten müsse.

3.
Das Kammergericht wies die Berufung der Beschwerdeführerin nach Hinweisbeschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch angegriffenen Beschluss zurück. Zur Begründung führt es an, dass die streitgegenständlichen Äußerungen die Privatsphäre der Klägerin unzulässigerweise beeinträchtigten, weil sie Einzelheiten dazu enthielten, wie sich die Klägerin im Urlaub verhalte. Der Bericht gehe über eine Beschreibung des Ortes Zürs und die bloße Mitteilung, dass die Klägerin dort ihren Urlaub verbringe, hinaus.

4.
Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Grundrechts auf Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 2 GG. Die Entscheidungen des Landgerichts und ihm folgend des Kammergerichts beruhten auf einer grundlegenden Verkennung des durch die Meinungs- und Pressefreiheit gewährten Schutzes beziehungsweise auf einem geradezu leichtfertigen Umgang mit den grundrechtlich geschützten Positionen der Beschwerdeführerin. Die Instanzgerichte hätten eine nähere Würdigung des streitgegenständlichen Berichts im Hinblick auf seinen Informationsgehalt unterlassen und im Rahmen der Abwägung dem Urlaubsschutz der Klägerin einen automatischen Vorrang vor dem Informationsinteresse der Allgemeinheit eingeräumt. In dem hier maßgebenden Bericht gehe es vorrangig nicht um die Beschreibung einer Szene des Urlaubs als Teil des Privatlebens. Maßgeblich für die rechtliche Bewertung sei vielmehr der gesamte Beitrag, der sich intensiv mit der Skiregion Arlberg beschäftige und über die große Zahl Prominenter informiere, die hier ihren Urlaub verbracht hätten oder regelmäßig verbringen. Welche Interessen der Klägerin hier im Raume stünden, die Abwägungsrelevanz besäßen, würde nicht explizit genannt. Die Informationen der beanstandeten Äußerungen müssten insoweit als belanglos bezeichnet werden, als sie die Schwelle zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht erreichten – unterstellt, die Privatsphäre sei überhaupt berührt. Der pauschale Hinweis der Instanzgerichte, dass auch der Urlaub dem grundsätzlich geschützten Kernbereich der Privatsphäre von prominenten Personen zugeordnet sei, vermöge überwiegende Belange des Persönlichkeitsschutzes nicht ohne weiteres aufzuzeigen. Die Äußerungen teilten nur Beobachtungen mit, deren Wahrnehmung typischerweise durch die Öffentlichkeit des Ortes ermöglicht werde. Der streitgegenständliche Artikel befasse sich primär mit einer touristischen Thematik und erwähne prominente Personen und ihre Hotels nur und gerade in diesem Zusammenhang. Das Landgericht habe in nicht nachvollziehbarer Weise den Gesichtspunkt zu Gunsten der Interessen der Klägerin berücksichtigt, dass die Klägerin nicht gegen ihren Willen als Werbeträger herhalten müsse. Es handele sich aber bereits nicht um Werbung, wenn redaktionell über Urlaubsregionen berichtet werde.

Art. 5 Abs. 1 GG werde weiter dadurch verletzt, dass das Landgericht das begehrte Verbot ausspreche, obwohl es ausdrücklich dahinstehen lasse, ob im Rahmen einer Berichterstattung darüber, welche Urlaubsorte und Hotels von Prominenten geschätzt würden, eine Erwähnung der Person der Klägerin gerechtfertigt sein könne. Dies sei nicht mit dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines schonenden Ausgleichs widerstreitender Grundrechte zu vereinbaren. Die Beschwerdeführerin brauche für die tägliche Redaktionsarbeit Klarheit darüber, ob und vor allem welche der angegriffenen Äußerungen von der Berichterstattungsfreiheit umfasst seien.

Die Ausführungen des Kammergerichts ließen erkennen, dass es den Satzbestandteil „Caroline von Monaco fährt jedes Jahr in Zürs Ski“ möglicherweise für zulässig erachtet hätte. Dann hätte konsequenterweise auch nur der letzte Bestandteil „meist mit Familie“ vom Verbot umfasst werden dürfen. Es fehle auch eine Begründung dafür, warum die Äußerung, mit wem die Klägerin ihren Urlaub verbringe, unzulässig sein soll. Auch dies widerspreche dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines schonenden Ausgleichs widerstreitender Grundrechte.

5.
Die Klägerin hat sich zu der Verfassungsbeschwerde geäußert. Die Justizbehörde des Landes Berlin hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen Fragen bereits entschieden. Dies gilt sowohl für die Reichweite des Privatsphärenschutzes (vgl. BVerfGE 120, 180) als auch für das Verhältnis zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht andererseits (vgl. BVerfGE 101, 361 <388 ff.> m.w.N.).

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

1.
Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur Werturteile, sondern auch Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. BVerfGE 85, 1 <15>). Der Schutzbereich der Pressefreiheit ist dagegen berührt, wenn es um die im Pressewesen tätigen Personen in Ausübung ihrer Funktion, um ein Presseerzeugnis selbst, um seine institutionell-organisatorischen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sowie um die Institution einer freien Presse überhaupt geht (BVerfGE 85, 1 <12 f.>). Auch die Bildberichterstattung wird an der Pressefreiheit gemessen (BVerfGE 120, 180 <205>). Handelt es sich dagegen um die Frage, ob eine bestimmte Äußerung erlaubt war oder nicht, ist ungeachtet des Verbreitungsmediums Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einschlägig (BVerfGE 85, 1 <12 f.>; 86, 122 <128>).

Hier wird allein die Wortberichterstattung angegriffen. Die streitgegenständlichen Äußerungen fallen auch in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit. Zum einen enthalten sie Werturteile („gibt sich unauffällig“). Aber auch die Tatsachenbehauptungen zum anderen („fährt jedes Jahr in Zürs Ski“) fallen in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie Voraussetzung der Bildung von Meinungen sind. So kann es zur Meinungsbildung des Lesers beitragen zu wissen, ob und welche Prominente ein Urlaubsgebiet besuchen, um dann für sich zu entscheiden, ob dieses Urlaubsgebiet für ihn interessant sein könnte.

2.
Durch die angegriffenen Entscheidungen wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt, indem die streitgegenständlichen Äußerungen gerichtlich untersagt werden.

3.
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der § 823 Abs.1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei jedoch das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 <205 ff.>; 91, 125 <136>; 99, 185 <196>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt in der Regel eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. BVerfGE 99, 185 <196>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 85, 1 <16>; 99, 185 <196>). Das Bundesverfassungsgericht ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Zivilgerichte den Grundrechtseinfluss ausreichend beachtet haben (vgl. BVerfGE 101, 361 <388>).

4.
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG reicht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildern einerseits und der Berichterstattung durch Wortbeiträge andererseits verschieden weit. Während die Veröffentlichung eines Bildes von einer Person grundsätzlich eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts begründet, die unabhängig davon ist, ob die Person in privaten oder öffentlichen Zusammenhängen und in vorteilhafter oder unvorteilhafter Weise abgebildet ist (vgl. BVerfGE 97, 228 <268>; 101, 361 <381>; 120, 180 <198>), ist dies bei personenbezogenen Wortberichten nicht ohne weiteres der Fall. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet hier nicht schon davor Schutz, überhaupt in einem Bericht individualisierend benannt zu werden, sondern nur in spezifischen Hinsichten. Dabei kommt es vor allem auf den Inhalt der Berichterstattung an. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt insoweit freilich insbesondere auch vor einer Beeinträchtigung der Privat- oder Intimsphäre. Des Weiteren schützt es vor herabsetzenden, vor allem ehrverletzenden Äußerungen oder davor, dass einem Betroffenen Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat (vgl. BVerfGE 54, 148 <155>). Ein von dem Kommunikationsinhalt unabhängiger Schutz ist im Bereich der Textberichterstattung hingegen nur unter dem Gesichtspunkt des Rechts am gesprochenen Wort anerkannt, das die Selbstbestimmung über die unmittelbare Zugänglichkeit der Kommunikation – etwa über die Herstellung einer Tonbandaufnahme oder die Zulassung eines Dritten zu einem Gespräch – garantiert (vgl. BVerfGE 54, 148 <154 f.>; 106, 28 <41>).

Ebenso wenig beeinträchtigt die personenbezogene Wortberichterstattung privater Presseorgane ohne weiteres das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet insbesondere nicht, dass der Einzelne nur so dargestellt und nur dann Gegenstand öffentlicher Berichterstattung werden kann, wenn und wie er es wünscht (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. September 2010 – 1 BvR 1842/08 u.a. -, NJW 2011, S. 740).

5.
Nach diesen Maßstäben haben die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich keinen Bestand.

a)
Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt der angegriffenen Entscheidungen, dass die Privatsphäre als Teil des grundrechtlichen Persönlichkeitsschutzes anerkannt ist (vgl. BVerfGE 35, 202 <220>; 79, 256 <268>; 101, 361 <382>; 120, 274 <311>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 2000 – 1 BvR 1353/99 -, NJW 2000, S. 2191 <2192>). Es ist auch vertretbar, wenn die Fachgerichte hier davon ausgegangen sind, dass Äußerungen darüber, an welchen Orten die Klägerin während ihres Skiurlaubs anzutreffen sei, was sie dort trage, und dass sie sich darum bemühe, unauffällig zu bleiben, die Privatsphäre berühren.

b)
Jedoch haben die Fachgerichte bei der Abwägung die Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit verkannt.

Das Landgericht – dessen Begründung sich das Kammergericht „uneingeschränkt anschließt“ – trägt dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass die streitgegenständlichen Äußerungen nicht den Schwerpunkt des Artikels bildeten, sondern ihnen nur eine illustrierende Bedeutung im Rahmen eines allgemeinen Berichts über das Skigebiet Arlberg und sein Publikum zukam. Gegenstand des Gesamtartikels ist ein Bericht über die Skiregion Arlberg, ihre Landschaft, die Hotels und ihre Eigentümer sowie dabei auch darüber, dass viele Prominente in dieser Region Urlaub machen. Im Rahmen eines solchen Berichts kann ein Informationsinteresse daran, dass nicht nur allgemein die Anziehungskraft der Gegend auf Prominente behauptet wird, sondern konkretisierend auch mitgeteilt wird, welche Gäste die Urlaubsregion besuchen, nicht ohne weiteres verneint werden. Dies gilt umso mehr, als darüber der Leserschaft im Gewand eines unterhaltenden Beitrags anhand von Informationen über den Urlaub Prominenter, die für große Teile der Bevölkerung Leitbild- oder Kontrastfunktion haben, die Frage nach Art und Ort der Urlaubsgestaltung angesprochen und damit Anlass für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte gegeben wird (vgl. BVerfGE 120, 180 <222>).

Demgegenüber räumen die Fachgerichte dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein übermäßiges Gewicht ein, indem sie schon darin, dass der Bericht überhaupt Informationen über den Urlaub der Klägerin enthält, den maßgeblichen Grund für ein Überwiegen ihrer grundrechtlich geschützten Interessen sehen. Sie versäumen damit, den Bericht als Ganzen zu betrachten. In ihm geht es insgesamt gesehen um die Klägerin und ihre Urlaubsgewohnheiten nur als Kolorit am Rande. Der Bericht umfasst insgesamt sechs Seiten, auf denen lediglich an zwei Stellen die Klägerin erwähnt ist. Dabei wird die Klägerin durch die Darstellung jedenfalls nicht in ihrer Intimsphäre berührt. Betroffen ist vielmehr allein die äußere Privatsphäre. Die Informationen, die der – vorliegend allein angegriffenen – Wortberichterstattung zu entnehmen sind, beschränken sich im Wesentlichen auf Belanglosigkeiten, wurden von der Klägerin in tatsächlicher Hinsicht nicht bestritten und sind auch nicht ehrenrührig. In dem Bericht wird im wesentlichen nur geäußert, was jeder Besucher der Skiregion Arlberg ohnehin beobachten kann. Es wird nicht mitgeteilt, wann und wo genau die Klägerin in der Skiregion Urlaub macht. Das Hotel „Lorünser“ wird nicht als Übernachtungsort der Klägerin benannt, sondern nur dahingehend, dass die Klägerin mittags dort irgendwann während des Winters auf der Terrasse anzutreffen sein kann.

Wenn das Landgericht sich des weiteren unter Berufung auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 24. Juni 2004 (Caroline von Hannover ./. Deutschland, Nr. 59320/00, NJW 2004, S. 2647) darauf stützt, dass die Äußerungen selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs weder einen Vorgang von allgemeinem Interesse noch ein zeitgeschichtliches Ereignis beträfen, dann berücksichtigt es nicht hinreichend, dass diese beiden Kriterien primär der Rechtsprechung zur Bildberichterstattung entstammen. Auf den Begriff der Zeitgeschichte stellt nämlich § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild ab. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der in der genannten Entscheidung über eine Bildberichterstattung zu erkennen hatte, weist auf die Besonderheiten bei der Bildberichterstattung gegenüber der Wortberichterstattung hin (EGMR, Caroline von Hannover ./. Deutschland, Nr. 59320/00, NJW 2004, S. 2647, Rn. 59).

6.
Die Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht bei erneuter Befassung unter angemessener Berücksichtigung der erfolgten Grundrechtsbeeinträchtigung auf der einen und der Bedeutung der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

7.
Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

8.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

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