Das Ende der Abmahnung II: Selbstanzeige in Filesharing-Fällen „analog“ § 371 AO?

veröffentlicht am 4. Dezember 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammVor einigen Tagen hatten wir über eine Onlinepetition berichtet, die zum Inhalt hatte, die erste Abmahnung wegen Rechtsverstößen im Internet kostenfrei zu stellen (Link: Onlinepetition). Diesen Artikel haben wir inzwischen ergänzt. Darüberhinaus kündigten wir an, eine Alternative zur kostenfreien Erstabmahnung ins Spiel zu bringen und diese Alternative hat mit all ihren auf der Hand liegenden Vor- und Nachteilen doch, wie wir finden, ein gewisses Diskussionspotential. Dieses könnte bestenfalls in einer Petition – an die Musik-, Software- und Filmindustrie sowie sog. „Urheberrechtstrolle“ gipfeln. Anregung fanden wir bei § 371 Abgabenordnung (AO), der sich noch mit der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung befasst.

Die Vorschrift lautet:

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§ 371 Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

(1) Wer in den Fällen des § 370 unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei.
(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

1.
vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung

a)
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder

b)
dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist oder

2.
die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste.

(3) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für einen an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, soweit er die zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.

(4) Wird die in § 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird ein Dritter, der die in § 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, strafrechtlich nicht verfolgt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 3 entsprechend.

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Angesichts des auf Seiten der Rechtsinhaber (Universal, DigiProtect & Co.) und auf Seiten des einfachen Verbrauchers entstehenden Verdrusses ob der nicht enden wollenden urheberrechtlichen Abmahnwellen stellt sich die Frage, ob es der Film-, Software- und Musikindustrie nicht gut zu Gesicht stände, bislang noch nicht ermittelten, in Einzelfällen urheberrechtswidrig handelnden Filesharern- ggf. zeitlich befristet – eine Möglichkeit zu eröffnen, illegale Downloads selbst anzuzeigen, wie es der Staat in Bezug auf Steuerhinterziehungen mit § 371 AO möglich macht. Mit der Selbstanzeige sollte eine Möglichkeit einhergehen, den marktüblichen Preis ohne Zusatzkosten nachzuzahlen, um im Übrigen Sanktionsfreiheit zu erreichen. Die (Forderung nach der) Abgabe einer Unterlassungserklärung würde bei unserem Modell entfallen. Selbstverständlich wäre hier die bereits aufgeworfene Frage zu diskutieren, wo eine Grenze zu setzen wäre, doch scheint uns bereits ein erster Ansatz irgendwelcher strafbefreiender Art ein richtiges Signal zu sein.

Ein solches Modell sollte die anwaltlich betriebenen Abmahnungen im Mindestmaß ergänzen, wobei eine Abmahnung von selbst angezeigten Downloads selbstverständlich ausscheiden müsste.

Der Marketingeffekt des Unterfangens wäre nicht unbeachtlich. Verbraucher, die Werke faktisch illegal aus dem Internet heruntergeladen haben und jenseits der kleinen Gruppe von Hardcore-Filesharern stehen, würden animiert, ihr Verhalten zu legalisieren und bereits mit der freiwilligen Lizenzahlung ohne Strafzahlung das zukünftige Angebot attraktiver Produktionen fördern.

Die Industrie bekäme auch, worauf sie Anspruch hat, ihren Aufwand durch die freiwilligen Zahlungen angemessen vergütet. Im Ergebnis würde die Einschaltung eines Rechtsanwalts beiderseits (sic!) entfallen. Noch nicht ermittelten reuigen Verbrauchern würde eine goldene Brücke in die Legalität eröffnet und der Industrie – klar zuordnungsfähige – zusätzliche Einnahmen eröffnet.

Die Internetgemeinde, und selbstverständlich fachkundige Kollegen, sind – ad libitum – zum kritischen „Verriss“ unseres ersten Gedankens eingeladen, der, und da wollen wir ganz offen sein, noch nicht in seinen theoretischen und praktischen Konsequenzen bzw. seiner Realisierbarkeit gänzlich ausgelotet wurde. Das erste Problem wäre eher ein tatsächliches: Weiß Oma Marotzke noch, um bei dem Beispiel zu bleiben, was der Enkel wann heruntergeladen hat?


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