EuG: Unterscheidungskraft durch Benutzung einer Marke kann nicht erst vor dem EuG geltend gemacht werden / Berichtet von Dr. Damm und Partner

veröffentlicht am 10. Januar 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammEuG, Urteil vom 09.12.2010, Az. T-253/09 und T-254/09
Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Verordnung [EG] Nr. 207/2009)

Das Europäische Gericht hat entschieden, dass eine durch Benutzung der Marke erworbene Unterscheidungskraft (hier: einer dreidimensionalen Bildmarke) bereits beim Anmeldeverfahren vor dem HABM (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) geltend gemacht werden muss. Eine erstmalige Geltendmachung dieses Aspekts vor dem EuG sei zu spät und damit nicht  zu berücksichtigen. Die Berufung auf die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft sei eine gegenüber der Frage der den betreffenden Marken innewohnenden Unterscheidungskraft eigenständige Rechtsfrage. Habe sich daher die Klägerin im Verfahren vor dem HABM nicht auf die von den fraglichen Marken erworbene Unterscheidungskraft berufen, sei das HABM nicht verpflichtet, von Amts wegen deren Vorliegen zu prüfen. Somit sei im vorliegenden Fall die Berufung der Klägerin auf die durch die Benutzung der angemeldeten Marke erworbene Unterscheidungskraft im Verfahren vor dem Gericht unzulässig. Eine Unterscheidungskraft an sich lehnte das Gericht ab, da die Eignung der Bildmarke, die Waren der Kägerin von denjenigen ihrer Konkurrenten zu unterscheiden, sich als bloße übliche Ausführungsvariante der Gehäuse von Pumpen oder deren Elektromotoren erweisen würden. Diese Merkmale seien nicht geeignet, die betreffenden Waren zu individualisieren und als solche eine bestimmte betriebliche Herkunft zu bezeichnen. Zum Volltext der Entscheidung:


URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

9. Dezember 2010(*)

„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer dreidimensionalen Gemeinschaftsmarke – Facettiertes Gehäuse eines Elektromotors – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke, die grüne Facetten darstellt – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung [EG] Nr. 207/2009)“

In den verbundenen Rechtssachen T?253/09 und T?254/09

xxx,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch B. Schmidt und P. Quay als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend zwei Klagen gegen die Entscheidungen der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 30. März 2009 (Sachen R 1184/2008?1 und R 1196/2008?1) über Anmeldungen eines dreidimensionalen Zeichens, das aus der Form eines facettierten Gehäuses eines Elektromotors und einem Bildzeichen, das grüne Facetten darstellt, besteht,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung, zum Zeitpunkt der Beratung, der Präsidentin M. E. Martins Ribeiro sowie der Richter S. Papasavvas (Berichterstatter) und A. Dittrich,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund der bei der Kanzlei des Gerichts am 26. Juni 2009 eingegangenen Klageschriften,

aufgrund der am 20. Oktober 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

aufgrund der am 3. Dezember 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Erwiderung,

aufgrund des Beschlusses vom 28. September 2009 über die Verbindung der Rechtssachen T?253/09 und T?254/09,

aufgrund des Umstands, dass keiner der Verfahrensbeteiligten binnen der Frist von einem Monat nach der Mitteilung, dass das schriftliche Verfahren abgeschlossen ist, die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, und des daher auf Bericht des Berichterstatters gemäß Art. 135a der Verfahrensordnung des Gerichts ergangenen Beschlusses, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 26. Dezember 2006 meldete die Klägerin, die Wilo SE, nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um folgendes Bildzeichen:

xxx

3 Die Klägerin hat angegeben, dass dieses Zeichen die Farbe „Grün, Pantone 334″ habe.

4 Die Marke wurde, nach der im Verfahren vor dem HABM erfolgten Beschränkung, für folgende Waren der Klassen 7, 9 und 11 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

– Klasse 7: „Pumpen (Maschinen, ausgenommen Pumpen für medizinische Zwecke), elektromotorisch betriebene Pumpen, Heizungspumpen, Pumpen für die öffentliche Wasserversorgung und Wasserentsorgung, Pumpen für sanitäre Einrichtungen und Anlagen, Brauchwasserpumpen, Trinkwasserpumpen, Motoren (ausgenommen für Landfahrzeuge), Elektromotoren, Elektromotoren für Heizungs- und Wasserpumpen; Ersatzteile für Pumpen und Motoren, soweit in Klasse 7 enthalten“;

– Klasse 9: „Regelungs- und Steuerungsgeräte, soweit in Klasse 9 enthalten, elektrotechnische Regelungs- und Steuergeräte, Regelungs- und Steuerungsgeräte für Pumpen, Elektromotoren und Heizungsanlagen; Stromwandler; Mess- und Anzeigeninstrumente. Software, Software zur Steuerung von Pumpen, Elektromotoren und Heizungsanlagen“;

– Klasse 11: „Heizungsanlagen; Heizgeräte; Heißwassergeräte; Heizkessel; Heizkörper; Klimaanlagen; Klimaanlagen als Teile der Gebäudetechnik; Wasserleitungsanlagen; Wärmepumpen; Wärmespeicher; Druckspeicher als Teile von Heizungs- und/oder Wasserleitungsanlagen; Dämmungsschalen als Teile von Pumpen und Heizungs- und/oder Wasserleitungsanlagen“.

5 Am 22. März 2007 reichte die Klägerin beim HABM eine zweite Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke ein.

6 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende dreidimensionale Zeichen:

xxx

7 Die Marke wurde nach der im Verfahren vor dem HABM erfolgten Beschränkung für folgende Waren der Klassen 7 und 11 des Abkommens von Nizza angemeldet:

– Klasse 7: „Pumpen für Heizungsanlagen; Pumpen, insbesondere für Gebäudeinstallationen, Wasserver? und ?entsorgung, Industrietechnik und Landwirtschaft, Reinigungsgeräte und ?anlagen, Werkzeugmaschinen (ausgenommen Pumpen für medizinische Zwecke und Luftpumpen), Grundplattenpumpen; Trockenläuferpumpen; Nassläuferpumpen; mehrstufige Kreiselpumpen; Bohrlochpumpen; Schmutzwasserpumpen; Abwasserpumpen; Druckerhöhungspumpen; Motoren, insbesondere Elektromotoren (ausgenommen für Landfahrzeuge)“;

– Klasse 11: „Wärmepumpen“.

8 Am 16. Juni 2008 wies der Prüfer die beiden Anmeldungen für alle beanspruchten Waren gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009) zurück.

9 Am 14. und 15. August 2008 legte die Klägerin gegen beide Entscheidungen des Prüfers Beschwerde ein.

10 Mit zwei Entscheidungen vom 30. März 2009 (im Folgenden: angefochtene Entscheidungen) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerden im Wesentlichen mit der Begründung zurück, dass die Zeichen keine Unterscheidungskraft für die angemeldeten Waren im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 hätten.

Anträge der Parteien

11 Die Klägerin beantragt,

– die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben;

– dem HABM die Kosten aufzuerlegen.

12 Das HABM beantragt,

– die Klagen abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

13 Die Klägerin stützt die Klagen jeweils auf zwei Klagegründe, und zwar erstens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung (jetzt Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 207/2009).

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94

14 Die Klägerin macht geltend, dass in Anbetracht der erhöhten Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise und des ungewöhnlichen Charakters der in Rede stehenden Zeichen die Beschwerdekammer wie bei Entscheidungen in vergleichbaren Sachen hätte feststellen müssen, dass die angemeldeten Waren über Unterscheidungskraft verfügten.

15 Das HABM tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

16 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 „Marken, die keine Unterscheidungskraft haben“, von der Eintragung ausgeschlossen sind.

17 Die Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 besagt, dass die Marke geeignet ist, die Ware, für die sie angemeldet worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil des Gerichts vom 21. April 2010, Schunk/HABM [Darstellung eines Teils eines Spannfutters], T?7/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18 Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. Urteil Darstellung eines Teils eines Spannfutters, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft von Marken, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehen, keine anderen als für die übrigen Markenkategorien (vgl. Urteil Darstellung eines Teils eines Spannfutters, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20 Jedoch wird im Rahmen der Anwendung dieser Kriterien eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht notwendig in gleicher Weise wahrgenommen wie eine Wort- oder Bildmarke, die aus einem Zeichen besteht, das vom Erscheinungsbild der mit der Marke bezeichneten Waren unabhängig ist. Denn wenn grafische oder Wortelemente fehlen, schließen die Durchschnittsverbraucher aus der Form der Waren oder ihrer Verpackung gewöhnlich nicht auf die Herkunft dieser Waren, und es kann schwieriger sein, die Unterscheidungskraft einer solchen dreidimensionalen Marke nachzuweisen als die einer Wort? oder Bildmarke (vgl. Urteil Darstellung eines Teils eines Spannfutters, Randnr. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21 Nach der Rechtsprechung gilt zudem, dass, je mehr sich die angemeldete Form der Form annähert, in der die betreffende Ware am wahrscheinlichsten in Erscheinung tritt, umso eher zu erwarten ist, dass dieser Form die Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 fehlt. Unter diesen Umständen besitzt nur eine Marke, die erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht und deshalb ihre wesentliche herkunftskennzeichnende Funktion erfüllen kann, auch Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 (vgl. Urteil Darstellung eines Teils eines Spannfutters, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22 Diese Rechtsprechung, die für dreidimensionale, aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst bestehende Marken entwickelt wurde, ist ebenfalls einschlägig, wenn die angemeldete Marke eine Bildmarke ist, die aus der zweidimensionalen Darstellung der Ware besteht. Denn auch in einem solchen Fall besteht die Marke nicht aus einem Zeichen, das vom Erscheinungsbild der mit ihr gekennzeichneten Waren unabhängig ist (vgl. Urteil Darstellung eines Teils eines Spannfutters, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23 Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen.

24 In Bezug auf die angesprochenen Verkehrskreise führte die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen aus, dass diese sich aus Fachpublikum und Endverbrauchern mit Kenntnissen im Heimwerkerbereich zusammensetzten.

25 Die Klägerin macht geltend, dass die angesprochenen Verkehrskreise nur aus Fachpublikum und nicht aus Endverbrauchern bestünden, denn zum einen seien die fraglichen Waren keine Konsumgüter des täglichen Bedarfs, und zum anderen vertreibe sie ihre Waren ausschließlich im dreistufigen Vertriebsweg (Hersteller, Großhändler und Installateur).

26 Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da es sich, wie die Beschwerdekammer in den angefochtenen Entscheidungen richtig ausführt, bei den mit den Anmeldungen beanspruchten Waren nicht nur um Spezialprodukte handelt, die das Tätigwerden von Fachpersonal erfordern, sondern auch um Wasserpumpen und andere technische Geräte, wie Elektromotoren oder Heizungsgeräte, die auch von Endverbrauchern mit Kenntnissen im Heimwerkerbereich gekauft werden.

27 Im Übrigen legt die Klägerin kein Beweismittel vor, das die Feststellung der Beschwerdekammer in Frage stellen könnte, dass die angesprochenen Verkehrskreise insbesondere Wert auf die technischen Qualitäten der Waren legten, während Form und Gestaltung dieser Waren einen geringeren Grad an Aufmerksamkeit erregten.

28 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer zu Recht in Randnr. 13 der Entscheidung über die Bildmarke ausgeführt hat, dass die nichtfunktionelle Gestaltung in der Regel eher eine untergeordnete Rolle spiele, da die Waren in den meisten Fällen nicht sichtbar seien.

29 Somit ging die Beschwerdekammer zu Recht davon aus, dass sich die angesprochenen Verkehrskreise aus Fachpublikum und Endverbrauchern mit Heimwerkerkenntnissen zusammensetzten und dass der Grad der Aufmerksamkeit dieser Verkehrskreise in Bezug auf Form und Gestaltung der in Rede stehenden Pumpen nicht hoch sei.

30 Zu den mit der Anmeldung beanspruchten Waren führte die Beschwerdekammer aus, sie entbehrten der Unterscheidungskraft, da die betreffenden Zeichen sich nicht ausreichend von den Formen der betreffenden Waren unterschieden.

31 Erstens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer ihre Prüfung auf eine falsche Beschreibung der dreidimensionalen Marke gestützt habe. Die Beschwerdekammer habe nämlich das Rohrstück und Farben in der bei der Anmeldung vorgelegten grafischen Darstellung berücksichtigt, obwohl diese Elemente nicht Teil des angemeldeten Zeichens seien.

32 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass die grafische Darstellung der dreidimensionalen Marke, die die Klägerin mit der Anmeldung vorgelegt hat, nicht mit einer Beschreibung versehen ist. Es besteht daher kein Anhaltspunkt für die Annahme, dass das Rohrstück nicht in die Anmeldung einbezogen ist.

33 Zudem geht aus der angefochtenen Entscheidung hervor, dass sich die Beschwerdekammer für die Feststellung des Fehlens der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marke nur auf die Form gestützt und anschließend festgestellt hat, dass eine Berücksichtigung der farblichen Gestaltung an diesem Ergebnis nichts ändere, selbst wenn die Klägerin förmlich keine Farbe beansprucht habe.

34 Die Beschwerdekammer hat also bei ihrer Prüfung der angemeldeten dreidimensionalen Marke keinen Tatsachenfehler begangen.

35 Zweitens macht die Klägerin geltend, die dreidimensionale Marke und die Bildmarke hätten Unterscheidungskraft, da erstens ihr Design willkürlich sei, zweitens die maßgeblichen Verkehrskreise die Form gewöhnlich als Kennzeichnung der betrieblichen Herkunft der Ware auffassten, drittens die facettierte Darstellung der mit den Markenanmeldungen beanspruchten Waren ungewöhnlich sei und keine technische Funktion habe und viertens die Anmeldung kein ungerechtfertigtes Rechtsmonopol begründe.

36 Hierzu ist festzustellen, dass die Merkmale, auf die sich die Klägerin für ihre Ansicht bezieht, dass den angemeldeten Marken die Kraft innewohne, ihre Waren von denjenigen ihrer Konkurrenten zu unterscheiden, sich als bloße übliche Ausführungsvariante der Gehäuse von Pumpen oder deren Elektromotoren erweisen. Diese Merkmale sind daher nicht geeignet, die betreffenden Waren zu individualisieren und als solche eine bestimmte betriebliche Herkunft zu bezeichnen.

37 Da nämlich Pumpengehäuse oder Pumpenmotoren allgemein zylindrische oder rechteckige Formen aufweisen, unterscheidet sich die zylindrische Anordnung mit Facetten, die von der Klägerin beansprucht wird, nicht signifikant von den anderen Gehäusen.

38 Wie zudem die Beschwerdekammer zu Recht in Bezug auf die in Rede stehende Bildmarke ausführt, unterscheiden sich die Facetten nicht wesentlich von den üblichen Formen auf dem Markt, da vergleichbare Facetten häufig für funktionelle Zwecke vorgesehen sind, um den Zugriff für Drehbewegungen mit der Hand zu erleichtern.

39 Ferner vertritt die Beschwerdekammer zu Recht die Ansicht, dass die angemeldete Bildmarke auch als Druckknopf aufgefasst werden könnte, mit dem etwa eine Pumpe eingeschaltet werden könne, oder als Drehknopf, der zur Regelung der Temperatur wie bei einem Thermostat bestimmt sei. Diese Knöpfe, die es bei den mit der Anmeldung beanspruchten Waren häufig gebe, hätten allgemein ähnliche Form und Farbe wie die angemeldete Bildmarke.

40 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nichts vorgetragen, was geeignet wäre, diese Feststellungen zu erschüttern.

41 Insbesondere sind die Artikel aus Fachzeitschriften, die den Klageschriften beigefügt worden sind und mit denen der ungewöhnliche Charakter der angemeldeten Zeichen belegt werden soll, sowie die mit Schriftsätzen vom 20. April und vom 12. Mai 2010 vorgelegten Werbematerialien, mit denen dargetan werden soll, dass die grüne Farbe gedanklich mit den von der Klägerin vertriebenen Pumpen in Verbindung gebracht werde, erstmals vor dem Gericht vorgelegt worden und können daher nicht berücksichtigt werden. Die Klage beim Gericht ist nämlich auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von den Beschwerdekammern des HABM erlassenen Entscheidungen im Sinne von Art. 63 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 65 der Verordnung Nr. 207/2009) gerichtet, so dass es nicht Aufgabe des Gerichts ist, im Licht erstmals bei ihm eingereichter Unterlagen den Sachverhalt zu überprüfen. Somit sind die genannten Dokumente zurückzuweisen, ohne dass ihre Beweiskraft geprüft zu werden braucht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 24. November 2005, Sadas/HABM – LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T?346/04, Slg. 2005, II?4891, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42 Somit hat die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt, dass die in Rede stehende Bildmarke und die dreidimensionale Marke für sämtliche angemeldeten Waren keine Unterscheidungskraft im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 haben.

43 Dass sich der Verbraucher möglicherweise daran gewöhnt hat, die Waren der Klägerin allein aufgrund der bei den beanspruchten Zeichen vorhandenen Facetten und gegebenenfalls der Farbe Grün wiederzuerkennen, schließt im vorliegenden Fall nicht die Anwendung des absoluten Eintragungshindernisses gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 aus. Eine solche Wahrnehmung der angemeldeten Marken wäre nur im Rahmen des Art. 7 Abs. 3 dieser Verordnung zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Februar 2002, Mag Instrument/HABM [Form von Taschenlampen], T?88/00, Slg. 2002, II?467, Randnr. 39).

44 Im Übrigen geht aus den angefochtenen Entscheidungen nicht hervor, dass sich die Beschwerdekammer bei ihrer Begründung auf die Gefahr gestützt hätte, dass die Eintragung der angemeldeten Waren ein ungerechtfertigtes Rechtsmonopol zum Nachteil der Konkurrenten der Klägerin habe begründen können. Daher geht das Vorbringen der Klägerin, ein solches Monopol gebe es nicht, ins Leere.

45 Ferner kann das Ergebnis, zu dem die Beschwerdekammer gelangt ist, nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass sich die Klägerin auf andere Entscheidungen des HABM, mit denen ähnliche Marken eingetragen worden sein sollen, oder die Entscheidung der Beschwerdekammer in einem Parallelverfahren (Sache R 1263?2008?1) beruft. Die Entscheidungen der Beschwerdekammern über die Eintragung eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke gemäß der Verordnung Nr. 40/94 sind nämlich gebundene Entscheidungen und keine Ermessensentscheidungen. Daher ist die Eintragungsfähigkeit eines Zeichens als Gemeinschaftsmarke allein auf der Grundlage der Verordnung in ihrer Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter und nicht auf der Grundlage einer vorherigen Entscheidungspraxis zu beurteilen (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Januar 2006, Deutsche SiSi?Werke/HABM, C?173/04 P, Slg. 2006, I?551, Randnr. 48; Urteile des Gerichts vom 9. Oktober 2002, Glaverbel/HABM [Oberfläche einer Glasplatte], T?36/01, Slg. 2002, II?3887, Randnr. 35, und vom 12. Juni 2007, MacLean?Fogg/HABM [LOKTHREAD], T?339/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 56).

46 Das Ergebnis der Beschwerdekammer kann auch nicht durch die Berufung auf zum einen die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883 in revidierter und geänderter Fassung und zum anderen auf Art. 15 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vom 15. April 1994 (ABl. L 336, S. 214) in Anhang 1 C des Übereinkommens über die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) (ABl. L 336, S. 3) in Frage gestellt werden. Die Klägerin begnügt sich nämlich damit, die Bestimmungen, auf die sie sich beruft, zu beschreiben, ohne spezifische Argumente vorzutragen, die die Annahme erlaubten, dass die Unmöglichkeit der Eintragung der streitigen Marken auf der Grundlage der Verordnung Nr. 40/94 durch diese Bestimmungen in Frage gestellt werden könnte.

47 Schließlich kann das Argument der Klägerin, dass ihr Interesse am Schutz der Facetten, die sie nutze, zur Grundlage der Beurteilung der Unterscheidungskraft der angemeldeten Marken dienen müsse, keinen Erfolg haben, da kein Anspruch auf Eintragung einer Marke besteht, wenn ein absolutes Eintragungshindernis vorliegt.

48 Nach alledem ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 7 Abs. 3 der Verordnung Nr. 40/94

49 Aus den Akten des Verfahrens vor dem HABM geht hervor, dass die von den fraglichen Marken durch ihre Benutzung erworbene Unterscheidungskraft vor dem HABM nicht geltend gemacht worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch rechtliche Gesichtspunkte, die erstmals vor dem Gericht vorgetragen werden, ohne vorher gegenüber einer Stelle des Amtes vorgebracht worden zu sein, unzulässig, soweit eine Prüfung dieser Gesichtspunkte durch das Amt für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits nicht zwingend erforderlich war. Die Berufung auf die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft ist eine gegenüber der Frage der den betreffenden Marken innewohnenden Unterscheidungskraft eigenständige Rechtsfrage. Hat sich daher die Klägerin im Verfahren vor dem HABM nicht auf die von den fraglichen Marken erworbene Unterscheidungskraft berufen, ist das HABM nicht verpflichtet, von Amts wegen deren Vorliegen zu prüfen. Somit ist im vorliegenden Fall die Berufung der Klägerin auf die durch die Benutzung der angemeldeten Marke erworbene Unterscheidungskraft im Verfahren vor dem Gericht unzulässig (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Februar 2008, Usinor/HABM – Corus [UK] [GALVALLOY], T?189/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50 Nach alledem ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Kosten

51 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

52 Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Wilo SE trägt die Kosten.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 9. Dezember 2010.

I