EuGH: Die Beweiswürdigung ist keine Rechtsfrage und wird vom EuGH nicht überprüft

veröffentlicht am 19. März 2011

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtEuGH, Beschluss vom 15.12.2010, Az. C-156/10 P
Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94

Der EuGH hat entschieden, dass die Würdigung von Tatsachen und Beweismitteln, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage ist, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge. Im behandelten Fall gab der Rechtsmittelführer an, dass bei der Beurteilung einer Markenähnlichkeit mit einer älteren Marke bei Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke das HABM (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt) diese fehlerhaft gewürdigt hätte. Der Rechtsmittelführer versuchte im Rechtsmittelverfahren aufzuzeigen, dass der Durchschnittsverbraucher die betroffenen Marken anders wahrnehme als in der streitigen Entscheidung und im angefochtenen Urteil festgestellt. Die Beurteilung der visuellen und klanglichen Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers stelle jedoch in der vorliegenden Rechtssache eindeutig eine Tatsachenwürdigung dar, die in der Rechtsmittelinstanz nicht überprüft werden könne. Zum Volltext der Entscheidung:


BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

In der Rechtssache C?156/10 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 1. April 2010,

Karen Goncharov, wohnhaft in Moskau (Russland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Späth,

Rechtsmittelführer,

andere Verfahrensbeteiligte:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch B. Schmidt als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

DSB mit Sitz in Kopenhagen (Dänemark), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Graf,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Šváby sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und T. von Danwitz,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

1 Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Goncharov die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 21. Januar 2010, Goncharov/HABM – DSB (DSBW) (T-34/07) (im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem seine Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 4. Dezember 2006 (Sache R 1330/2005?2) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen den DSB und Herrn Goncharov (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen worden ist.

Rechtlicher Rahmen

2 Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) ist durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben und kodifiziert worden. Im vorliegenden Rechtsstreit findet jedoch in Anbetracht des Zeitraums, in den der Sachverhalt fällt, weiterhin die Verordnung Nr. 40/94 Anwendung.

3 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 bestimmte:

„Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

b) wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“

Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt

4 Am 13. September 2002 meldete Herr Goncharov beim HABM nach der Verordnung Nr. 40/94 eine Gemeinschaftsmarke an. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen DSBW. Die Marke wurde u. a. für Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 43 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet. Die Anmeldung der Gemeinschaftsmarke wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 44/2003 vom 26. Mai 2003 veröffentlicht.

5 Am 25. August 2003 erhoben die DSB, die nationale dänische Eisenbahngesellschaft, nach Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 hinsichtlich der in der vorstehenden Randnummer aufgeführten Dienstleistungen Widerspruch gegen die Eintragung der fraglichen Marke. Der Widerspruch war auf die am 19. März 2003 eingetragene ältere Gemeinschaftswortmarke DSB (Nr. 2 292 290) gestützt, die u. a. Dienstleistungen der Klassen 39, 41 und 42 des Abkommens von Nizza erfasst. Der Widerspruch wurde mit dem Eintragungshindernis nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 begründet.

6 Die Widerspruchsabteilung des HABM wies den Widerspruch am 16. September 2005 zurück. Am 10. November 2005 reichten die DSB Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein. Mit Entscheidung vom 4. Dezember 2006 hob die Zweite Beschwerdekammer des HABM die Entscheidung der Widerspruchsabteilung auf.

7 Die Zweite Beschwerdekammer des HABM war der Ansicht, dass die von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen teilweise identisch und teilweise ähnlich seien. Sie war der Auffassung, dass der älteren Marke, die ein Akronym des Namens „Danske StatsBaner“ der nationalen dänischen Eisenbahngesellschaft sei, „mindestens“ durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme.

8 Zum visuellen Vergleich der beiden Marken bemerkte die Zweite Beschwerdekammer des HABM, die Marken hätten die ersten drei Buchstaben gemeinsam, und der einzige Unterschied zwischen ihnen bestehe darin, dass die angemeldete Marke mit dem Buchstaben „W“ ende. Zum klanglichen Vergleich führte sie aus, dass Verbraucher den Unterschieden im letzten Buchstaben einer Marke häufig weniger Aufmerksamkeit schenkten und dass dies insbesondere dann gelte, wenn Käufe in einer hektischen oder akustisch beeinträchtigten Umgebung erfolgten. Zum begrifflichen Vergleich vertrat sie die Auffassung, manche Verbraucher könnten die ältere Marke als Akronym der nationalen dänischen Eisenbahngesellschaft erkennen und, wenn sie die Wiedergabe des Akronyms in der angemeldeten Marke wahrnähmen, darin eine gewisse Verbindung zwischen den betreffenden Unternehmen erblicken.

9 Nach alldem gelangte die Zweite Beschwerdekammer des HABM zu dem Ergebnis, es sei insgesamt wahrscheinlich, dass die maßgeblichen Verkehrskreise irgendeine wirtschaftliche Verbindung zwischen DSB und DSBW annehmen würden. Die Voraussetzungen von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 seien daher erfüllt.

Die beim Gericht erhobene Klage und das angefochtene Urteil

10 Herr Goncharov erhob mit Klageschrift, die am 7. Februar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Er stützt diese Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem er einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 rügte.

11 Im Rahmen dieses Klagegrundes wandte sich Herr Goncharov u. a. gegen die Ausführungen der Zweiten Beschwerdekammer des HABM zum Vergleich der beiden Marken und zur Verwechslungsgefahr.

12 Zum visuellen Vergleich dieser Marken führte er aus, dass den maßgeblichen Verkehrskreisen Unterschiede in Kurzzeichen eher auffielen als bei langen Kennzeichnungen und dass der Buchstabe „W“ als ein in der Konstruktion komplexer und auffälliger Buchstabe am Ende der angemeldeten Marke es ermögliche, diese von der älteren Marke zu unterscheiden.

13 Zum klanglichen Vergleich der Marken trug Herr Goncharov vor, dass der Buchstabe „W“ am Ende der angemeldeten Marke bei deren Aussprache hervortrete.

14 Zum begrifflichen Vergleich machte er geltend, dass die Zweite Beschwerdekammer des HABM ihre Feststellung, manche Verbraucher könnten in der älteren Marke ein Akronym der dänischen Eisenbahngesellschaft erblicken, nicht untermauert habe und dass allenfalls ein Teil der dänischen Verbraucher die angemeldete Marke mit dieser Gesellschaft assoziieren könne. Ferner handle es sich für den Verbraucher bei den beiden Marken offensichtlich um Akronyme und nicht um Wörter; sie wiesen daher keine begriffliche Ähnlichkeit auf.

15 Herr Goncharov war daher der Ansicht, dass die Zweite Beschwerdekammer des HABM zu Unrecht angenommen habe, dass zwischen den beiden Marken Verwechslungsgefahr bestehe.

16 Das HABM und die DSB traten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

17 Das Gericht hat als Erstes zum Vergleich der Zeichen ausgeführt, dass bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr, was die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in Bild, Klang oder Bedeutung betreffe, auf den Gesamteindruck abzustellen sei, den sie hervorriefen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen seien. Es hat hinzugefügt, dass es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankomme, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirke, und dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnehme und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achte (Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C?334/05 P, Slg. 2007, I?4529, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18 Was den visuellen Vergleich anbelangt, hat das Gericht festgestellt, dass die ältere Marke DSB und die angemeldete Marke DSBW jeweils aus drei bzw. vier Buchstaben zusammengesetzt seien, wobei die ersten drei Buchstaben der angemeldeten Marke die gesamte ältere Marke in gleicher Reihenfolge bildeten, und dass der einzige Unterschied im Buchstaben „W“ am Ende der angemeldeten Marke bestehe. Angesichts des Umstands, dass es sich um reine Wortmarken handle, dass der Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit habe, die verschiedenen Marken unmittelbar zu vergleichen, und sich auf das unvollkommene Bild verlassen müsse, das er von ihnen im Gedächtnis behalten habe, und dass der Verbraucher üblicherweise dem ersten Teil der Wörter mehr Gewicht beilege, ist das Gericht davon ausgegangen, dass dieser einzige Unterschied ein nur wenig bedeutender visueller Unterschied sei. Es ist daher zu dem Ergebnis gekommen, dass die beiden Marken visuell ähnlich seien.

19 Zum klanglichen Vergleich hat das Gericht ausgeführt, dass der einzige Unterschied in der Aussprache des Buchstabens „W“ am Ende der angemeldeten Marke bestehe und dass dieser Unterschied nicht groß genug sei, um die klangliche Ähnlichkeit aufgrund der Identität der drei ersten Buchstaben der beiden Zeichen zu beseitigen. Es hat darauf hingewiesen, dass die Aufmerksamkeit des Verbrauchers im Allgemeinen vor allem dem Anfang des Wortes gelte und dass der Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit habe, die verschiedenen Marken unmittelbar zu vergleichen, und sich auf das unvollkommene klangliche Bild verlassen müsse, das er von ihnen im Gedächtnis behalten habe. Nach alldem ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden Marken auch klanglich ähnlich seien.

20 Zum begrifflichen Vergleich hat das Gericht festgestellt, dass keine der beiden Marken eine semantische Bedeutung habe, die sie mit einem bestimmten Begriff in Verbindung brächte, und dass sie daher begrifflich nicht vergleichbar seien.

21 Das Gericht ist daher davon ausgegangen, dass die fraglichen Marken insgesamt ähnlich seien.

22 Als Zweites hat das Gericht zur Verwechslungsgefahr ausgeführt, dass die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung der in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, impliziere. Es hat ausgeführt, dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden könne und umgekehrt (Urteil vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C?234/06 P, Slg. 2007, I?7333, Randnr. 48).

23 Das Gericht hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Verwechslungsgefahr umso größer sei, je höher sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstelle, und dass daher Marken, die eine hohe Kennzeichnungskraft besäßen, einen umfassenderen Schutz genössen als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer sei (Urteil vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C?342/97, Slg. 1999, I?3819, Randnr. 20).

24 Das Gericht hat unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte, auf die die Zweite Beschwerdekammer des HABM abgestellt hatte, festgestellt, dass der älteren Marke durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme. Es hat insoweit den Umstand hervorgehoben, dass die ältere Marke ein Akronym der nationalen dänischen Eisenbahngesellschaft sei, die in Dänemark und innerhalb der Europäischen Union jährlich 157 Millionen Fahrgäste befördere.

25 Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass die von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen teilweise identisch und teilweise ähnlich, die Marken insgesamt ähnlich und die genannten Dienstleistungen für ein Publikum bestimmt seien, das aus normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern bestehe.

26 Es ist daher zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gefahr bestehe, dass die maßgeblichen Verkehrskreise glauben könnten, die betreffenden Dienstleistungen stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen.

27 Das Gericht hat daher entschieden, dass die Zweite Beschwerdekammer des HABM zu Recht das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken angenommen habe, und den einzigen Klagegrund zurückgewiesen.

Das Verfahren vor dem Gerichtshof

28 Mit seinem Rechtsmittel beantragt Herr Goncharov,

– das angefochtene Urteil und die streitige Entscheidung aufzuheben;

– dem HABM die Kosten der Verfahren vor der Zweiten Beschwerdekammer des HABM, vor dem Gericht und vor dem Gerichtshof aufzuerlegen;

– den DSB ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

29 Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Herrn Goncharov die Kosten aufzuerlegen.

30 Die DSB beantragen ebenfalls, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Herrn Goncharov die Kosten, einschließlich ihrer eigenen Kosten, aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

31 Nach Art. 119 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jederzeit auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts das Rechtsmittel ganz oder teilweise durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist, zurückweisen, wenn das Rechtsmittel ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

32 Herr Goncharov stützt sein Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, nämlich eine fehlerhafte Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94.

33 Nach Ansicht von Herrn Goncharov ist erstens die Feststellung des Gerichts unzutreffend, dass die beiden Marken visuell ähnlich seien. Das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass der einzige Unterschied zwischen diesen beiden Marken, der in dem Buchstaben „W“ am Ende der angemeldeten Marke bestehe, angesichts des Umstands, dass der Verbraucher üblicherweise dem ersten Teil der Wörter mehr Gewicht beilege, ein nur wenig bedeutender visueller Unterschied sei.

34 In visueller Hinsicht unterschieden sich beide Marken durch den Endbuchstaben „W“, und dieser Unterschied sei für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bedeutend, denn es sei ausgeschlossen, dass der angesprochene Verkehr den aufwendig gestalteten Buchstaben „W“ in einem insgesamt nur aus wenigen Buchstaben bestehenden Akronym übersehe. Außerdem bestünden beide Zeichen ausschließlich aus Konsonanten und könnten daher nicht als Wörter ausgesprochen werden. Überdies zeichne sich der zusätzliche Buchstabe „W“ durch eine komplexe Konstruktion und große Laufweite aus.

35 Zweitens ist nach Ansicht von Herrn Goncharov ebenso die Feststellung des Gerichts verfehlt, dass die beiden Marken klanglich ähnlich seien. Das Gericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Unterschied zwischen den beiden Marken, der im Buchstaben „W“ am Ende der angemeldeten Marke bestehe, mit Rücksicht darauf, dass die Aufmerksamkeit des Verbrauchers im Allgemeinen vor allem dem Anfang des Wortes gelte, nicht groß genug sei, um die klangliche Ähnlichkeit aufgrund der Identität der ersten drei Buchstaben der beiden betroffenen Zeichen zu beseitigen.

36 Bei der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit sei zum einen zu berücksichtigen, wie der Durchschnittsverbraucher die Marken ausspreche und im Gedächtnis behalte, und zum anderen, dass es sich bei beiden Marken um Akronyme handle, die auf dem letzten Buchstaben betont würden. Bei den aus Konsonanten bestehenden Akronymen „DSB“ und „DSBW“, deren letzte Buchstaben sehr deutlich ausgesprochen würden, komme dem zusätzlichen „W“ somit klanglich ein großes Gewicht zu. Dieser Unterschied könne daher eine klangliche Ähnlichkeit beseitigen.

37 Das HABM und die DSB halten das Rechtsmittel für unzulässig, da damit eine erneute Tatsachenprüfung begehrt werde und lediglich vor dem Gericht bereits vorgetragene Argumente wiederholt würden.

Würdigung durch den Gerichtshof

38 Gemäß Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie für die Beweiswürdigung ist allein das Gericht zuständig. Die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel ist somit, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006, Rossi/HABM, C?214/05 P, Slg. 2006, I?7057, Randnr. 26, und Beschluss vom 30. Juni 2010, Royal Appliance International/HABM, C?448/09 P, Randnr. 77).

39 Herr Goncharov möchte mit seinem Vorbringen aufzeigen, dass der Durchschnittsverbraucher die betroffenen Marken anders wahrnehme als in der streitigen Entscheidung und im angefochtenen Urteil festgestellt.

40 Die Beurteilung der visuellen und klanglichen Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers stellt jedoch in der vorliegenden Rechtssache eindeutig eine Tatsachenwürdigung dar.

41 Das Rechtsmittel ist daher als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen.

Kosten

42 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM und die DSB beantragt haben, Herrn Goncharov die Kosten aufzuerlegen, und dieser mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) beschlossen:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Herr Goncharov trägt die Kosten.

I