HABM: Keine Verwechslungsgefahr zwischen „EyeSense“ und „ISENSE“

veröffentlicht am 21. Dezember 2011

HABM, Entscheidung vom 04.02.2011, Az. R 1098/2010-4
Artikel 8 (1) (b) GMV

Die 4. Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) hat entschieden, dass zwischen den Wortmarken „EyeSense“ und „ISENSE“ für medizinische Diagnosegeräte u.a. keine Verwechslungsgefahr besteht. Die optische Unterschiedlichkeit sei ausreichend, um bei den relevanten Verkehrskreisen zu einer ausreichenden Unterscheidungskraft zu führen. Auch phonetisch sei davon auszugehen, dass eine unterschiedliche Aussprache erfolgen werde, da bei der Marke „ISENSE“ der Wortanfang nicht wie bei der Widerspruchsmarke optisch getrennt sei. Zum Volltext der Entscheidung:

HARMONISIERUNGSAMT FÜR DEN BINNENMARKT
(MARKEN, MUSTER UND MODELLE)

ENTSCHEIDUNG
der Vierten Beschwerdekammer

Im Beschwerdeverfahren R 1098/2010-4

BESCHWERDE betreffend das Widerspruchsverfahren B 1 455 726 (Gemeinschaftsmarkenanmeldung Nr. 7 165 327)

erlässt DIE VIERTE BESCHWERDEKAMMER durch … die folgende

Entscheidung

Tatbestand

Die Beschwerde richtet sich gegen Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 26. Mai 2010, den Widerspruch gegen die Gemeinschaftsmarkenanmeldung der Beschwerdegegnerin Nr. 7 165 327, Wortmarke

ISENSE

gegen die Waren und Dienstleistungen
Klasse 9 – Messapparate und -instrumente.
Klasse 10 – Ärztliche Instrumente und Apparate; medizinische Geräte für diagnostische Zwecke.
Klasse 42 – Industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen.

zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.

Der Widerspruch richtete sich ursprünglich auch gegen die Dienstleistungen in Klasse 42 „Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen“. Diese wurden vor Erlass der angefochtenen Entscheidung am 15. Januar 2010 im Widerspruchsverfahren B 1 419 128 auf Widerspruch eines Dritten zurückgewiesen.

Der Widerspruch der Beschwerdeführerin beruhte auf Artikel 8 (1) (b) GMV und war gestützt auf die deutsche Marke Nr. 305 53236 für die Wortmarke

EyeSense

eingetragen am 24. November 2005 für „Ophthalmische Diagnosegeräte“ in Klasse 10 und „Entwicklung ophthalmischer Diagnosegeräte“ in Klasse 42.

Diese Waren und Dienstleistungen befand die Widerspruchsabteilung als mit den noch streitgegenständlichen Waren und Dienstleistungen der angefochtenen Anmeldung in Klasse 9 für ähnlich, in Klasse 10 für identisch und in Klasse 42 für ähnlich. Die sich gegenüberstehenden Marken seien visuell und phonetisch unterdurchschnittlich ähnlich und begrifflich als Ganze ohne Bedeutung, da der deutschsprachige Verbraucher das englische Wort „sense“ nicht erkennen werde. Überhaupt sei die angefochtene Marke nicht als englisches Wort erkennbar. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sei eingeschränkt, weil in ihr der beschreibende Begriff „eye“ für „Auge“ erkannt werde. Die Unterschiede der Marken fänden sich am stärker beachteten Wortanfang. In der Gesamtabwägung sei eine Verwechslungsgefahr auch für die identischen Waren zu verneinen.

Mit der am 17. Juni 2010 eingelegten und am 4. August 2010 begründeten Beschwerde beantragt die Widersprechende, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, die Gemeinschaftsmarkeanmeldung zurückzuweisen und der Anmelderin die Kosten des Widerspruchs- und des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Beschwerdeführerin rügt die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung zum Vergleich der Waren in Klassen 9 und 10, zum Markenvergleich, zum begrifflichen Inhalt, zur Aussprache der Marken und zum Verständnis der Verkehrskreise.

Zwischen Klasse 9 und 10 sei ein sogar überdurchschnittliches Ähnlichkeitsverhältnis anzunehmen, denn Diagnosegeräte stellten letztlich Messapparate dar. Die Beschwerdeführerin zeigt ein Beispiel für Hersteller medizinischer Instrumente und nichtmedizinischer Apparate auf. Der Begriff „sense“ werde von den angesprochenen medizinischen Fachkreisen sehr wohl verstanden, damit auch in der angefochtenen Marke. Eine „Sense“ sei im Deutschen ein Gerät zum Mähen von Gras. Dieser Begriffsinhalt sei für die betreffenden Waren abwegig, weshalb er als englischer Begriff gelesen werde. Die jüngere Marke werde „EI-SENS“ ausgesprochen, identisch mit der Aussprache der älteren Marke. Der älteren Marke als Ganzes komme kein klarer Begriffsinhalt zu, sie sei deshalb auch nicht schwach.

Die Anmelderin hat weder im Widerspruchs- noch im Beschwerdeverfahren eine Stellungnahme abgegeben.

Entscheidungsgründe

Warenähnlichkeit

Der Warenvergleich der Widerspruchsabteilung ist zu bestätigen. Die Waren in Klasse 10 sind identisch. In Klasse 42 kann, wie die Widerspruchsabteilung zutreffend ausgeführt hat, Ergebnis der „industriellen Analyse- und Forschungsdienstleistungen“ (Anmeldung) die Entwicklung spezieller Geräte im Bereich der Augenheilkunde sein, was ein Ergänzungsverhältnis und eine Ähnlichkeit, und zwar in normalem Grad, begründet. Die „Messapparate und -instrumente“ der Anmeldung in Klasse 9 sind eher im wissenschaftlichen Bereich angesiedelt und können für unterschiedlichste Bereiche verwendet werden und u.a. in einem Ergänzungsverhältnis zu den „ophthalmischen Diagnosegeräten“ der Widerspruchsmarke stehen. Ein einziges Beispiel, vorgelegt von der Beschwerde, über angeblich übereinstimmende Hersteller ist kein relevanter Faktor zu Gunsten einer Ähnlichkeit, denn dazu müssten die gewöhnlichen Hersteller der Waren übereinstimmen (Urteil vom 12. Juni 2007, T-105/05, „Waterford Stellenbosch“, Rdn. 33). Auch ist das vorgelegte Beispiel unschlüssig, denn die dort bezeichnete Firma stellt nur Apparate der Lasermikrobearbeitung her, nicht Apparate verschiedenster Bereiche. Diese Mikrolaser können, so das vorgelegte Dokument, lediglich zur Herstellung chirurgischer Geräte dienen, was keine Ähnlichkeit begründet. Eine Maschine zur Herstellung einer Ware ist nicht mit der damit hergestellten Ware ähnlich. Insgesamt ist der Warenvergleich der angefochtenen Entscheidung voll zu bestätigen. Letztlich kommt es aber auf den Grad der Ähnlichkeit in den Klassen 9 und 42 nicht an, da der Widerspruch auch für die identischen Waren in Klasse 10 erfolglos bleibt.

Relevantes Publikum

Das relevante Publikum ist das des Überschneidungsbereichs der konfligierenden Waren und Dienstleistungen. Dieser Bereich ist der der Augendiagnose und der Herstellung von Augendiagnosegeräten. Die angesprochenen Verkehrskreise sind Fachkreise, und zwar Augenärzte und Augenoptiker und (betreffend Klasse 42) Hersteller von ophthalmischen Diagnosegeräten, die entsprechendes technisches und augenärztliches Know-how bei der Entwicklung solcher Geräte benötigen. Die Verkehrskreise sind damit insgesamt im medizinischen und medizintechnischen Bereich angesiedelt.

Daraus folgt erstens ein erhöhter Aufmerksamkeitsgrad, einmal auf Grund der besonderen medizinischen Verantwortung gegenüber dem Patienten (Urteil vom 28. Oktober 2010, T-131/09, „Botumax“, Rdn. 65), zum anderen da die betreffenden. Waren nicht zum täglichen Lebensbedarf gehören und technisch spezialisiert und eher hochpreisig sind (Urteil vom 22. Juni 2004, T-185/02, „Picaro“, Rdn. 59).

Daraus folgt zweitens, dass die angesprochenen Verkehrkreise solche mit guten Englischkenntnissen sind. Englische Fachbegriffe sind im Bereich der Medizin und Medizintechnik weit verbreitet. Die betreffenden Fachkreise sind im wesentlichen Akademiker. Ohnehin ist in Deutschland als dem relevanten Gebiet auch beim Durchschnittsverbraucher von guten Kenntnissen des englischen Grundwortschatzes auszugehen (Urteil vom 9. März 2005, T-33/03, „Hai“, Rdn. 51; Entscheidung vom 5. Juni 2008, R 453/2007-4 – „REALTEE CLOTHING COMPANY / REALITY“, Rdn. 26), zu dem die Begriffe „eye“ (Auge) und „sense“ (Sinn, Gefühl) gehören.

Markenähnlichkeit

Die Beurteilung der Markenähnlichkeit umfasst die Prüfung, ob die beiden betroffenen Marken visuell, phonetisch oder ihrer Bedeutung nach ähnlich sind, wobei auf ihren Gesamteindruck abzustellen ist und insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (Urteile vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 25, 27; und vom 6. Oktober 2005, C-120/04, „Thomson life“, Rdn. 28).

Der Durchschnittsverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (Urteil vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 25; Beschluss vom 28. April 2004, C-3/03, „Matratzen“, Rdn. 29; Urteil vom 6. Oktober 2005, C-120/04, „Thomson Life“, Rdn. 28). Der relevante Verkehr neigt nicht zu einer zergliedernden analysierenden Betrachtungsweise einer Marke (Urteil vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 25). Deshalb darf bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zweier Marken nicht nur ein Bestandteil einer komplexen Marke berücksichtigt und mit einer anderen Marke verglichen werden, sondern es sind die fraglichen Marken jeweils als Ganzes miteinander zu vergleichen, was nicht ausschließt, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein kann (Urteil vom 6. Oktober 2005, C-120/04, „Thomson Life“, Rdn. 29; Beschluss vom 28. April 2004, C-3/03,„Matratzen“, Rdn. 32).

Beide Marken sind Wortmarken. Sie stimmen visuell in den letzten fünf Buchstaben überein. Jedoch wird der Effekt dieser Übereinstimmung dadurch abgeschwächt, dass in der älteren Marke diese Buchstabenfolge durch den Großbuchstaben „S“ von den ersten Buchstaben „Eye“ deutlich erkennbar abgetrennt ist, während dies in der jüngeren Marke nicht der Fall ist. Auch ist die Beurteilung der Widerspruchsabteilung nur zu bestätigen, dass die Unterschiede der Marken, die sich zu deren Beginn finden, stärker zu gewichten sind.

Für die Wahrnehmung der jüngeren Marke – visuell wie phonetisch und begrifflich – ist überhaupt entscheidend, ob sie in „I“ und die Buchstabenfolge „Sense“ aufgespalten wird. Wir kommen zum Ergebnis, dass dies, anders als bei der älteren Marke, nicht der Fall ist. Einen Begriff „I sense“ existiert im Englischen nicht. Damit hat der Verbraucher, auch der relevante Fachverkehr, keinen Anlass, die jüngere Marke in derartige Bestandteile zu zerlegen. Vielmehr wird in der jüngeren Marke erst einmal der Wortanfang „Isen“ gelesen, der mit den folgenden Buchstaben zusammen keinen semantischen Sinngehalt ergibt. Die Beschwerde bemerkt selbst, dass eine Abspaltung von „Sense“ im Sinne eines Werkzeugs zum Mähen von Gras eher abwegig erscheint. Auch für Verkehrskreise mit sehr guten Englischkenntnissen gibt es keinen Anlass, die jüngere Marke als einen englischen Ausdruck wahrzunehmen. Im Gegenteil muss gerade ein des Englischen Mächtiger wissen, dass es keinen Ausdruck „I sense“ gibt. Und zwar gilt für alle Verkehrskreise, auch soweit sie eine erhöhte Aufmerksamkeit walten lassen, dass sie nicht dazu neigen werden, Marken analytisch aufzuspalten dahin, ob Teile der Marke in irgendeiner bekannten Sprache einen Sinn ergeben, es sei denn, sonstige Markenbestandteile (Wortoder Bildelemente) deuteten darauf hin, was hier nicht der Fall ist.

Damit ist die Bewertung der visuellen Markenähnlichkeit als lediglich unterdurchschnittlich zu bestätigen.

Phonetisch führt dies aber dazu, dass die ältere Marke als „EI-SSENSS“ artikuliert wird, die jüngere Marke aber als „I-SEN-SE“, eben weil sie anders als die ältere Marke nicht entsprechend den Regeln der englischen Phonetik artikuliert werden wird. Das führt zu dem Befund phonetischer Unähnlichkeit.

Auch begrifflich führt dies zu einem, wiederum für die Beschwerde ungünstigeren, anderen Ergebnis als dem der angefochtenen Entscheidung. Begrifflich wird die ältere Marke als „Auge-Sinn“ oder „Augen-sinn“ verstanden. Die jüngere Marke als Ganzes enthält keinen begrifflichen Gehalt. Zumindest ist auszuschließen, dass in ihr „I“ als – phonetisches – Äquivalent von „Eye“ aufgefasst wird. Sicherlich stimmen die Marken in einer Buchstabenfolge überein, die sowohl im Englischen als auch im Deutschen einen Begriffsinhalt besitzt. Doch folgt daraus nichts zu Gunsten der Widersprechenden, wenn und soweit diese Buchstabenfolge in der jüngeren Marke nicht auch ohne analysierende Betrachtungsweise als solche erkennbar bleibt.

Die deutschsprachigen Fachverkehrskreise, auch und gerade wenn sie über gute Englischkenntnisse verfügen, werden keinen Anlass sehen, die Buchstabenfolge „ISENSE“ auf etwaige phonetische Übereinstimmungen in anderen Sprachen zu untersuchen oder in willkürlicher Weise nach den Regeln fremder Sprachen auszusprechen. Das erforderte einen analytischen, ja philologischen Aufwand, zu dem der Verkehr nicht neigen wird. In der jüngeren Marke deutet nichts darauf hin, dass hier Anleihen aus der englischen Sprache gemacht worden sein könnten, denn sie enthält keine weiteren Bestandteile, die zu solchen Mutmaßungen Anlass geben könnten.

Gesamtabwägung

Nach Artikel 8 (1) (b) GMV ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren nationalen Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt, wobei die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr einschließt, dass die Anmeldung mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

Eine Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (Urteil vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 19).

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (Urteile vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 18; und vom 6. November 2005, C-120/04, „Thomson life“, Rdn. 27); dabei ist die bestehende Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der Waren zu berücksichtigen, und zwar in dem Sinne, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (Urteil vom 29. September 1998, C-39/97, „Canon“, Rdn. 18). Die Verwechslungsgefahr ist um so größer, je größer sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt (Urteil vom 22. Juni 1999, C-342/97, „Lloyd Schuhfabrik“, Rdn. 20), und umgekehrt.

Zwar reicht die Feststellung einer visuellen Ähnlichkeit, wenn auch gering, aus, um den Befund der Unähnlichkeit der Marken auszuschließen (Urteil vom 23. Oktober 2002, T-6/01, „Matratzen“, Rdn. 30). Doch reicht eine Markenähnlichkeit in nur einer, wie hier der visuellen, Hinsicht nicht automatisch zur Feststellung der Verwechslungsgefahr (Urteil vom 23. März 2006, C-206/04, „Zirh“, Rdn. 20-23). Vielmehr ist das jeweilige Ausmaß der Ähnlichkeit zu gewichten und mit den anderen relevanten Kriterien abzuwägen.

Zu diesen gehört erstens die Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Zu ihrer Benutzung hat die Widersprechende nichts vorgetragen. Die inhärente Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist jedoch deutlich geschwächt. Die Waren und Dienstleistungen der älteren Marke betreffen ophthalmologische Diagnosegeräte, die sich mit dem „Sinnesorgan“ des menschlichen „Auges“ befassen. Beide Markenbestandteile, auch „Sense“, deuten klar auf diese Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen hin. Es mag sein, dass die ältere Marke das für ihre Eintragung erforderliche geringe Maß an Unterscheidungskraft aufweist, doch ist sie weit von einem normalen Maß an Unterscheidungskraft entfernt. Zudem will die Widersprechende die Verwechslungsgefahr gerade aus der Übereinstimmung in einem auf relevante Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen hinweisenden Element, nämlich dem Begriff „Sense“ ableiten. Jedoch ist es aus Rechtsgründen abzulehnen, eine Verwechslungsgefahr aus einer solchen Übereinstimmung zu begründen, weil beschreibende Bestandteile nicht als dominierende Elemente einer älteren Marke anzusehen sind (Urteile vom 16. Mai 2007, T-491/04, „Micro Focus“, Rdn. 50, 51, 64; und vom 25. Juni 2008, T-224/06, „L’altra moda“, Rdn. 34, 40, 46).).

In die Gesamtabwägung einzustellen sind zweitens die gewöhnlichen Vermarktungsbedingungen der betroffenen Waren und der Aufmerksamkeitsgrad der Verkehrskreise. Letzterer ist erhöht. Bei derartig teuren, speziellen Waren und sich darauf beziehenden Dienstleistungen ist nicht davon auszugehen, dass in relevantem Maße mündliche Bestellungen getätigt werden. Vielmehr ist von einer Auswahl nach Katalog oder im Anschluss an den Test des Produkts und nach sorgfältiger Prüfung auch der technischen Leistungsmerkmale der Diagnosegräte auszugehen. Etwaige Ähnlichkeiten, die die Widersprechende in phonetischer Hinsicht bei undeutlicher oder – willkürlich – englischer Artikulation geltend macht, würden dann wiederum zu vernachlässigen sein.

Bei Waren, die normalerweise auf Sicht gekauft werden, ist der visuelle Vergleich wichtiger als der phonetische (Urteile vom 6. Oktober 2004, T-117/03, „NL“, Rdn. 50; und vom 7. Mai 2009, T-414/05, „LA Kings“, Rdn. 73).

In der Gesamtabwägung (vgl. Urteil vom 7. Mai 2009, T-414/05, „LA Kings“, Rdn. 76) verbleibt somit eine visuell unterdurchschnittliche Markenähnlichkeit und eine deutlich geschwächte Kennzeichnungskraft der älteren Marke, der die Identität der Waren in Klasse 10 gegenübersteht. Angesichts des geringen Grades der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft ist aber auch für identische Waren die Verwechslungsgefahr zu verneinen. Die angesprochenen Fachverkehrskreise werden weder auf eine gemeinsame betriebliche Herkunft der jeweils gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen schließen noch Schwierigkeiten haben, ohne die Gefahr von Fehlvorstellungen über die Herkunft die Vergleichsmarken sicher zu unterscheiden.

Damit hat die Widerspruchsabteilung das Vorliegen von Verwechslungsgefahr zu Recht verneint.

Kosten

Gemäß Artikel 85 (1) GMV sind der Widersprechenden (Beschwerdeführerin) als unterlegener Partei die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Abzuändern ist die angefochtene Entscheidung aber hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens. Es blieb unberücksichtigt, dass ein Teil der ursprünglich angefochtenen Dienstleistungen in Klasse 42 auf Grund der Entscheidung in einem parallelen Widerspruchsverfahren zurückgewiesen wurde. Es ist die Anmelderin nicht mit den Kosten beider Widerspruchsverfahren zu belasten, sondern es liegt hinsichtlich jener Dienstleistungen ein Fall des teilweisen Unterliegens vor (Urteil vom 16. November 2006, T-32/04, „LYCOA“, Rdn. 22; Widerspruchsrichtlinien, Teil C.1., Abschnitt D.V.4.1.2 = S. 60), so dass es der Billigkeit entspricht, gemäß Artikel 85 (2) GMV die Kosten des Widerspruchsverfahrens gegeneinander aufzuheben.

Kostenfestsetzung

Gemäß Artikel 85 (6) GMV und Regel 94 (1), (6) und (7) der Durchführungsverordnung (GMDV) setzt die Beschwerdekammer die zu erstattenden Kosten in der Entscheidung bereits fest, sofern sich die Kosten auf die an das Amt gezahlten Gebühren und die Vertretungskosten beschränken. Die obsiegende Beschwerdegegnerin hatte keinen Vertreter bestellt, so dass gemäß Regel 94 (7) (d) GMDV Vertretungskosten für das Beschwerdeverfahren nicht festzusetzen sind. Amtsgebühren gemäß Regel 94 (6) GMDV hatte sie nicht aufzuwenden. Für das Widerspruchsverfahren findet keine Kostenerstattung statt. Zur Klarstellung setzt die Kammer den zu erstattenden Betrag auf Null fest.

Tenor der Entscheidung

Aus diesen Gründen entscheidet DIE KAMMER wie folgt:

1.
Für das Widerspruchsverfahren trägt jede Beteiligte ihre eigenen Kosten.

2.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

4.
Der Betrag der von der Beschwerdeführerin an die Beschwerdegegnerin zu erstattenden Kosten für das Widerspruchs- und Beschwerdeverfahren wird auf Null festgesetzt.

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