KG Berlin: Preisaufschläge für bestimmte Zahlungsformen sind unzulässig

veröffentlicht am 24. Dezember 2009

Rechtsanwältin Katrin ReinhardtKG Berlin, Urteil vom 30.04.2009, Az. 23 U 243/08
§§ 1 UKlaG, 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1
BGB

Das KG Berlin hat es einer Fluggesellschaft untersagt, für Kredit- oder Zahlkarten besondere Gebühren („Kreditkartengebu?hr pro Fluggast und einfacher Flug: 4,00 EUR/ Zahlkartengebu?hren pro Fluggast und einfacher Flug: 1,50 EUR“) zu erheben. Entsprechende AGB-Klauseln hielten einer Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht vereinbar seien und die Vertragspartner der Beklagten in unangemessener Weise benachteiligten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehöre zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfu?llen habe, ohne dafu?r ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch auf Ersatz anfallender Kosten bestehe nur dann, wenn dies im Gesetz vorgesehen sei.

Bei den Gebührenklauseln handele es sich nicht um – der Inhaltskontrolle entzogene – Preishauptabreden. Nach der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs beschränke § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB die Inhaltskontrolle auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abwichen oder diese ergänzten. Da die Vertragsparteien nach dem im Bu?rgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie Leistung und Gegenleistung grundsätzlich frei bestimmen könnten, unterlägen AGB-Klauseln, die Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistungspflicht und den dafu?r zu zahlenden Preis unmittelbar regelten, nicht der Inhaltskontrolle. Kontrollfähig seien dagegen (Preis-)Nebenabreden, also Abreden, die zwar mittelbare Auswirkungen auf Preis und Leistung hätten, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehle, dispositives Gesetzesrecht treten könne. Nicht zu den kontrollfähigen (Preis-)Nebenabreden gehörten neben den Bestimmungen u?ber den Preis der vertraglichen Hauptleistung auch solche Klauseln, die das Entgelt fu?r eine zusätzlich angebotene Sonderleistung regelten, wenn fu?r die Frage einer solchen Sonderleistung keine rechtlichen Regelungen bestünden. Dagegen stellten Entgeltregelungen, die nicht eine auf rechtsgeschäftlicher Grundlage fu?r den einzelnen Kunden erbrachte Sonderleistung zum Gegenstand hätten, sondern Anwendungen fu?r die Erfu?llung gesetzlich begru?ndeter eigener Pflichten des Klauselverwenders auf den Kunden abwälzten, eine Abweichung von Rechtsvorschriften dar und fielen in den Anwendungsbereich der §§ 307 Abs. 1 und 2, 308, 309 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2004, Az. XI ZR 200/03, BGHZ 161,189-196; BGH, Urteil vom 14.10.1997, Az. XI ZR 167/96, BGHZ 137, 27-34). Auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs stelle im Sinne des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB darauf ab, ob der Klausel eine echte (Gegen-)Leistung zugrunde liege oder ob es sich um eine – zumeist als (etwas missverständlich) Preisnebenabrede bezeichnete – Abrede handele, die zwar (mittelbare) Auswirkungen auf Preis und Leistung habe, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehle, dispositives Gesetzesrecht treten könne. Es komme darauf an, ob mit den der Klausel zugrunde liegenden Tätigkeiten des Verwenders Interessen des Kunden wahrgenommen würden und mit diesen Tätigkeiten fu?r den Kunden irgendwelche Vorteile verbunden seien (BGH, Urteil vom 18.04.2002, Az. III ZR 199/01, NJW 2002, 2386-2388).

Eine echte (Gegen-)Leistung der Beklagten fu?r diese Gebu?hren sei nicht ersichtlich. Der von der Beklagten angefu?hrte Vorteil, wonach es fu?r den Kunden bequemer sei, das Flugticket im Fernabsatz zu erwerben als gegebenenfalls weite Entfernungen zu einem Flughafen zuru?ckzulegen, um das Ticket dort vor Ort zu kaufen, trage nicht. Denn mit der Online-Vertriebsform nehme die Beklagte gleichermaßen eigene Interessen wahr; nur so funktioniere der Markt der „low cost carrier“. Dass die Kunden ihre Flugtickets online buchten und sich nicht etwa zu einem Flughafen begäben, um dort ein Ticket fu?r einen Wochen oder Monate später liegenden Flug zu erwerben, sei geradezu ein typisches Merkmal dieser Vertriebsform. Dass ein Kunde sich nur Im Internet u?ber die Buchungsmaske informiere, sodann aber zum Flughafen gehe und dort ein TIcket erwerbe, du?rfte die absolute Ausnahme sein.

Ob der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte die gebu?hrenauslösende Kartenzahlung neben einem gebu?hrenfreien Lastschriftverfahren anböte oder die „Electron-Karte“, deren Einsatz keine zusätzliche Gebu?hr auslöse, von jedem Kunden kostenfrei, ohne sonstige Verpflichtung und unkompliziert erworben werden könne, sei nicht zu entscheiden gewesen. Weil die Kunden fu?r jegliche Zahlungsart eine zusätzliche Gebu?hr entrichteten bzw. fu?r den Erwerb einer Electron-Karte sonstige Verpflichtungen eingehen mu?ssten, hätten sie – abgesehen von dem vertragsuntypischen Erwerb des Tickets am Flughafen – keine Möglichkeit, ihrer vertraglichen Verpflichtung zur Zahlung des Flugpreises gebu?hrenfrei nachzukommen.

Gegen dieses Urteil wurde Revision beim BGH zum Az. Xa ZR 68/09 eingelegt.

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