KG Berlin: Unerlaubter Vertrieb von Blechschildern u.a. mit Abbildungen von VW- und Porsche-Pkw kann strafbar sein

veröffentlicht am 4. Juni 2012

KG Berlin, Urteil vom 27.09.2011, Az. 1 Ss 128/09
§ 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, § 143 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG

Das KG Berlin hat entschieden, dass der Vertrieb von Weckern, Wanduhren, Kalendern, Thermometern und Blechschildern mit Motiven von Kraftfahrzeugen der Typen „Porsche 356“ und „Porsche 911“ der Porsche AG sowie der Typen „Käfer“ und „Bulli-T 1“ der Volkswagen AG als Kennzeichenverletzung gemäß § 143 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG strafbar sein kann. Hierin sei eine unlautere Rufausbeutung zu sehen. Zitat aus der Entscheidung:

Gemäß § 143 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG macht sich in der hier in Betracht kommenden Alternative der Rufausbeutung strafbar, wer ohne Zustimmung des Markenrechtsinhabers im geschäftlichen Verkehr widerrechtlich entgegen § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ein als Marke schutzfähiges Zeichen (§ 3 MarkenG) in unlauterer Weise mit der Absicht benutzt, die Wertschätzung einer bekannten Marke für (eigene) Waren oder Dienstleistungen auszunutzen, die nicht denen ähnlich sind, für welche die Marke Schutz genießt.

Das kann hier der Fall sein, weil der Angeklagte mit seinen Nach- und Abbildungen den Sekundärmarkt bedient, während die betroffenen Automobilhersteller, wovon das Landgericht unausgesprochen ausgegangen ist, mit ihren geschützten Marken vornehmlich auf dem Primärmarkt des Vertriebs von Kraftfahrzeugen tätig sind, wenngleich nach dem Inhalt der in das Urteil einkopierten Markeninformationen … die Marken der Porsche AG zum Beispiel auch für Uhren und Kalender (Nizzaer Klassifikation Nr. 14, 16) geschützt sind.

Der Verletzungstatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG setzt einen markenmäßigen Gebrauch des Kollisionszeichens voraus (vgl. BGH, GRUR 2005, 162; KG, GRUR 1997, 295). Der ist gegeben, wenn die angesprochenen Verkehrskreise das mit der geschützten Marke identische oder ähnliche Zeichen als Teil der Produktaufmachung des Nutzers auffassen und aufgrund der Zeichenidentität oder -ähnlichkeit oder der Bekanntheit der geschützten Marke eine gedankliche Verknüpfung zwischen der geschützten Marke und dem Kollisionszeichen herstellen (vgl. BGH, GRUR 2005, 583; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2011, 170). Das gilt entgegen der Ansicht der Verteidigung auch bei einer Verwendung des Kollisionszeichens als Verzierung oder Dekoration, sofern die beteiligten Verkehrskreise es wegen der hochgradigen Ähnlichkeit gedanklich mit der bekannten Marke verknüpfen (vgl. EuGH, EuZV 2004, 54, Tz. 39; BGH a.a.O.). Das ist hier angesichts des hohen Bekanntheitsgrades der angesprochenen Marken, anders als in dem durch die Verteidigung zitierten Urteil des OLG Köln vom 08.04.2011 (6 U 176/10), fraglos der Fall.

Außer Frage dürfte auch stehen, dass der Angeklagte in der Absicht handelte, mit seinen Nach- und Abbildungen von der Wertschätzung und Marktgeltung der bekannten Automarken VW und Porsche zu profitieren, ohne die er die vertriebenen Waren allein wegen ihres Gebrauchszweckes nicht hätte absetzen können.

Es liegt danach nahe, dass der Angeklagte unlauter im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gehandelt hat. Entgegen der Ansicht des Landgerichts bedarf es dazu keines Wettbewerbsverhältnisses zwischen dem Inhaber und dem (unbefugten) Nutzer einer geschützten Marke (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., Rdn. 248 zu § 14 m.w.N.). Vielmehr dürfte bei Anbietern, die in demselben Marktsegment tätig sind, der Anwendungsbereich der Vorschrift sehr eingeschränkt sein, da sie eine Markenverwendung bei unähnlichen Waren oder Dienstleistungen voraussetzt.

Nach den Vorgaben des EuGH liegt der Unlauterkeitstatbestand der Rufausbeutung bei der identischen oder ähnlichen Benutzung einer bekannten Marke vor, wenn der Nutzer durch die Verwendung einer Marke versucht, sich in den Bereich ihrer Sogwirkung zu begeben, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf sowie ihrem Ansehen zu profitieren und um ohne finanzielle Gegenleistung die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zum eigenen Vorteil auszunutzen (vgl. EuGH, GRUR 2009, 756, Tz. 41, 43). Je höher der Bekanntheitsgrad einer Marke, je größer ihre Originalität und ihr Werbewert sind, umso näher liegt die Annahme, dass der Verwender in unlauterer Weise handelt (vgl. EuGH, a.a.O. Tz. 44; EuGH, GRUR 2009, 56, Tz. 67, 69; BGH, GRUR 1997, 754 ) und am fremden Ruf in unlauterer Weise schmarotzen will (vgl. EuGH, GRUR Int. 2000, 73, Tz. 30; OLG München, MarkenR 2000, 65; OLG Hamburg, GRUR 1999, 339, Tz. 82; Ströbele/ Hacker a.a.O.). Damit hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.

Es hat sich vielmehr für seine Rechtsauffassung auf das OLG Nürnberg gestützt, das für die Wiedergabe einer Bildmarke (hier: Opel-Blitz-Zeichen) an originalgetreuer Stelle auf einem Modellauto eine Unlauterkeit nicht angenommen hat, weil die Herstellung von Spielzeugmodellen von Kraftfahrzeugen seit „Jahrzehnten“ üblich sei (vgl. OLG Nürnberg, WRP 2008, 1257). Der BGH hat in der dazu ergangenen Revisionsentscheidung diese Auffassung im Wesentlichen betätigt und zusätzlich hervorgehoben, dass die Rufausnutzung durch die Verwendung der geschützten Marke des Fahrzeugherstellers eine zwangsläufige Folge des detailgetreuen Modellbaus sei (vgl. BGH, WRP 2010, 1039).

Abgesehen davon, dass es bedenklich erscheint, die Originaltreue einer Nachbildung als rechtfertigenden Grund für die Ausnutzung des Webewertes einer Marke anzuerkennen, ist diese Rechtsprechung auf die Besonderheiten des Marktes für den Modellbau und Spielwaren zugeschnitten und darf nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres verallgemeinert werden. Für eine nostalgische Darstellung der Fahrzeuge … auf den vom Angeklagten vertriebenen Blechschildern, mit der er die „Sentimentalität“ seines Kundenkreises bedient, erscheint eine detailgetreue Abbildung älterer Modelle der Markenrechtsinhaber nicht erforderlich und daher nicht gerechtfertigt im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.). Gleiches gilt für die Uhren, Wecker, Thermometer und Kalender, die der Angeklagte vertrieben haben soll. Denn bei derartigen Gegenständen ist für ihre Funktions- und Gebrauchsfähigkeit die Verwendung geschützter Marken und Zeichen von Fahrzeugherstellern ebenfalls nicht erforderlich.

Die von der Verteidigung angesprochene Frage der Kunstfreiheit stellt sich nicht, da die dazu vorgetragenen Tatsachen urteilsfremd sind. Vorsorglich bemerkt der Senat, dass Art. 5 Abs. 3 GG keinen Vorrang vor den Eigentumsrechten des Markeninhabers gewährt, wenn mit der Zeichenverletzung ausschließlich kommerzielle Zweck verfolgt werden (vgl. BGH, GRUR 2005, 583).

Dem Antrag der Verteidigung, das Verfahren auszusetzen und die Sache gemäß Art. 267 AEUV wegen der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 89/104/EWG (jetzt: Richtlinie 2008/95/EG) zur Vorabentscheidung vorzulegen, folgt der Senat nicht. Eine solche Vorlage ist nicht erforderlich. Dass der Benutzerbegriff in den Absätzen 1 und 2 des Art. 5 der Richtlinie identisch ist, hat der EuGH bereits entschieden (vgl. EuGH, GRUR Int. 1999, 438). Dessen Rechtsprechung zu Art. 5 Abs. 1 kann also auch für die Auslegung des Abs. 2 der Richtlinie herangezogen werden. Ebenso hat der EuGH bereits entschieden, dass Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie (dem entsprechend § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) auch bei einer Verwendung des Kollisionszeichens als Verzierung Anwendung finden kann und die „Tatsachenwürdigung“ den nationalen Gerichten vorbehalten bleibt (vgl. EuGH, EuZW 2004, 54, Tz. 39, 41). Die von der Verteidigung angesprochene Frage der Verwechselungsgefahr stellt sich schon deshalb nicht, weil dem Angeklagten kein Verstoß gegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG angelastet wird. Ob eine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Marken (2. Variante des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) ausgeschlossen sein kann, wie die Verteidigung zu bedenken gibt, ist unerheblich. Denn weder aus dem Urteil noch aus dem Vorbringen der Verteidigung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte mit dem Vertrieb seiner Waren eine Verunglimpfung der von ihm benutzten Marken bezweckte.

Dass der Angeklagte gewerbsmäßig im Sinne des § 143 Abs. 2 MarkenG gehandelt hat, ist dem Urteil zu entnehmen. Auf einen Verbotsirrtum kann er sich nicht berufen, da er bereits 1997 mit der Porsche AG wegen des Vertriebs von Porschemotiven Kontakt hatte, im Jahr 2005 wegen einer einschlägigen Straftat bestraft worden war und mit der Volkswagen AG in den Jahren 2005 und 2006 Verhandlungen über den Abschluß einer Lizenzvereinbarung geführt hatte.

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