KG Berlin: Zu dem (Teil-) Kostenwiderspruch und seiner Wirkung auf das Verfahren der einstweiligen Verfügung

veröffentlicht am 22. August 2011

Rechtsanwalt Dr. Ole DammKG Berlin, Beschluss vom 17.05.2011, Az. 5 W 75/11
§ 93; 99 Abs. 2 S. 1 ZPO

Das KG Berlin hat entschieden, dass die Beschränkung eines Widerspruchs gegen die Kosten einer einstweiligen Verfügung zugleich ein Anerkenntnis der einstweiligen Verfügung an sich ist. Mit einem derart formulierten Kostenwiderspruch könne damit auch ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO ausgesprochen werden. Auch ein Teilwiderspruch verbunden mit einem Teilkostenwiderspruch sei möglich. Im Übrigen sei der Widerspruch, wenn er sich nicht ausdrücklich auf die Kosten beschränke und als „Kostenwiderspruch“ bezeichnet werde, im Zweifel als Vollwiderspruch zu werten. Zum Volltext der Entscheidung:


Kammergericht

Beschluss

1.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird das Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 08.02.2011, Az. 15 O 548/10 abgeändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 08.10.2010 wird im Kostenpunkt aufgehoben und die Kosten den Antragstellerinnen je zur Hälfte auferlegt.

2.
Die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragstellerinnen je zur Hälfte auferlegt.

3.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.000,00 EUR.

Gründe

A.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist entsprechend § 99 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 569 ZPO zulässig (vgl. Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rdn. 155 m.w.N.) und hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht in Anwendung von §§ 91, 516 Abs. 3 ZPO unter Verneinung von § 93 ZPO die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt bestätigt.

I.
Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Die genannten Voraussetzungen sind im Streitfall – entgegen der Auffassung des Landgerichts – erfüllt.

Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt: Es fehle bereits an einem Anerkenntnis, denn die Antragsgegnerin habe eine Abschlusserklärung abgegeben, die nach ihrem eigenen den Antragstellerinnen dabei mitgeteilten Verständnis nur einen Teil des Untersagungstenors abdecke. Sie habe sich auch nicht auf einen Kostenwiderspruch beschränkt, sondern gleichzeitig einen Teilwiderspruch in der Sache erhoben. Mit dieser prozessualen Disposition sei unabhängig von deren Motivation ein sofortiges Anerkenntnis nicht vereinbar. Der Kostenwiderspruch könne daher keinen Erfolg haben.

II.
Vorstehende Ausführungen halten einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht nicht stand.

1.
Mit Schriftsatz vom 16.12.2010 (Bl. 47 ff.) hat die Antragsgegnerin ein Anerkenntnis entsprechend § 93 ZPO abgegeben, weil (und soweit) dieser Schriftsatz einen „Kostenwiderspruch“ enthält. Ein Kostenwiderspruch stellt zugleich ein Anerkenntnis der einstweiligen Verfügung dar (vgl. Hess a.a.O. Rdn. 150 m.w.N.).

2.
Vorstehendem steht nicht entgegen, dass es sich bei besagtem Schriftsatz um einen „(Teil-) Widerspruch und Kostenwiderspruch“ gehandelt hat.

a)
Richtig ist zwar, dass der Kostenwiderspruch nur dann erfolgreich sein kann, wenn er sich von Anfang an darauf beschränkt und ausdrücklich als solcher bezeichnet ist; Zweideutigkeiten schaden (vgl. Hess a.a.O. Rdn. 152 m.w.N.). Das hindert den Schuldner aber – beispielsweise bei mehreren Verboten oder auch im Hinblick auf die Reichweite eines Verbots – nicht, sich gegen einen Teil der einstweiligen Verfügung in der Sache selbst mit dem Vollwiderspruch zu wehren und einen weiteren Teil der einstweiligen Verfügung in der Sache selbst hinzunehmen und insoweit isoliert die Kostenentscheidung anzugreifen. Denn die Vorschrift des § 93 ZPO umfasst auch ein Teilanerkenntnis; sie gilt dann für den betreffenden Teil des Streitgegenstandes (vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. § 93 Rdn. 8b m.w.N.).

b)
Aus (damaliger) Sicht der widersprechenden Antragsgegnerin signalisierte das Wort „insbesondere“ im Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung, dass das Verbot der komplexen, aus Abbildung und Text bestehenden, Werbemaßnahme nicht nur wegen der darin enthaltenen Textelemente

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ergangen sei (was sie hinzunehmen bereit war), sondern auch noch wegen weiterer Bestandteile der Werbemaßnahme (wogegen sie sich mit Vollwiderspruch hat wenden wollen).

Stellt man auf diese Sicht der Antragsgegnerin zum damaligen Verfahrensstand – unabhängig davon, ob sie zutrifft (dazu sogleich) – ab, so hat die Antragsgegnerin nach Vorstehendem ohne weiteres die einstweilige Verfügung teilweise, nämlich bezüglich dieser beiden in der Werbemaßnahme „insbesondere“ verbotenen Sätze entsprechend § 93 ZPO „anerkannt“ und erhält dann insoweit die Wohltat jener Vorschrift, weil und soweit die dort geregelten weiteren Voraussetzungen („sofort“, „nicht Veranlassung gegeben“) erfüllt sind (dazu unten III und IV).

c)
Besagte ursprüngliche Sicht der Antragsgegnerin zum Verbotsinhalt war allerdings unrichtig (dazu nachfolgend aa), was freilich an vorstehender Bewertung zur wirksamen Abgabe eines Anerkenntnisses kraft „Kostenwiderspruchs“ nichts ändert (dazu unten bb).

aa)
Die Untersagung kraft Beschlussverfügung richtet sich dem Wortlaut nach (nur) gegen eine konkrete optische Werbemaßnahme („wie nachfolgend wiedergegeben“), welche aus zahlreichen bildlichen und textlichen Elementen besteht. Im Ausgangspunkt verboten ist also nur die konkrete (kumulative) Kombination sämtlicher dieser Elemente. Allein im Rahmen der Kerntheorie unterfällt eine davon abweichende Werbemaßnahme ausnahmsweise gleichwohl dem Verbot, wenn in ihr das Charakteristische des Verbotenen weiterhin enthalten sein sollte. Allein der Wiedergabe dieses „Charakteristischen“ diente die Aufnahme der beiden Sätze in die Untersagungsformel und damit gewissermaßen als dahin gehende Auslegungshilfe in einem Bestrafungsverfahren, dass eine (im Übrigen geringfügig) abgewandelte Form dem Verbot umso eher unterfällt, als diese beiden Sätze darin noch enthalten sind. Mit höchstrichterlichen Worten handelt es sich insoweit um eine „unschädliche Überbestimmung“ (BGH GRUR 2011, 340, Tz. 21 – Irische Butter).

Unbeschadet einer solchen „Überbestimmung“ und unbeschadet der – im Rahmen konkreter Verbote ohnehin nur in engen Grenzen zur Anwendung gelangenden – Kernbereichslehre war (zumal auch in der von der Beschlussverfügung in Bezug genommenen Antragsschrift weitere Elemente der Werbemaßnahme nicht – jedenfalls nicht explizit – angegriffen worden sind) also nur die konkrete Werbemaßnahme verboten. Das Verbot dieser konkreten Werbemaßnahme akzeptierte die Antragsgegnerin aber, denn die konkrete Werbemaßnahme enthielt die beiden Sätze, wegen derer die Antragsgegnerin eben keinen Voll- sondern nur Kostenwiderspruch eingelegt hat.

Ihr darüber hinausgehender (Teil-)Widerspruch ging sonach ins Leere, da der mit dem Kostenwiderspruch anerkannte „Teil“ die Untersagungsverfügung in Wirklichkeit bereits vollumfänglich abdeckte. Ausweislich der Akten haben sowohl die Antragstellerinnen als auch das Landgericht im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens zum Ausdruck gebracht, dies ebenso zu sehen, woraufhin die Antragsgegnerin ihren – ohnehin ins Leere gehenden – (Teil-) Widerspruch auch „zurück genommen“ hat.

bb)
In Konsequenz des Vorstehenden gilt umso mehr die Wirksamkeit des in Form eines Kostenwiderspruchs abgegebenen Anerkenntnisses entsprechend § 93 ZPO. Denn da der Teil-Widerspruch in Wirklichkeit von vornherein ins Leere ging, war er unbeachtlich. Denn mit dem Widerspruch lässt sich eine einstweilige Untersagungsverfügung – denklogisch – nur insoweit angreifen, als ihr Verbot tatsächlich reicht. Ein Antragsgegner kann nicht kraft Widerspruch einen neuen, zusätzlichen Streitgegenstand definieren. Von Rechts wegen existent und bedeutsam war im Widerspruchsverfahren sonach stets ausschließlich und allein der Kostenwiderspruch, welchem umso mehr die Wirksamkeit als Anerkenntnis entsprechend § 93 ZPO nicht versagt werden kann.

III.
Die Antragsgegnerin hat die ihr am 19.10.2010 zugestellte einstweilige Verfügung mit am 16.12.2010 eingereichten Kostenwiderspruch auch i.S. von § 93 ZPO „sofort“ anerkannt. Dass zwischenzeitlich knapp zwei Monate verstrichen sind, steht dem nicht entgegen.

Ein Einlenken gemäß oder entsprechend § 93 ZPO erfolgt dann „sofort“, wenn es bei der ersten prozessual dafür in Betracht kommenden Gelegenheit geschieht (Senat NJW-RR 2007, 647, 648; OLG Düsseldorf MDR 1991, 257). Das ist hier geschehen, denn die erste prozessual für den Kostenwiderspruch in Betracht kommende Gelegenheit war die Einreichung des das Widerspruchsverfahren überhaupt erst eröffnenden Schriftsatzes. Und in diesem Schriftsatz ist der Widerspruch (bezüglich des maßgeblichen Streitgegenstands) „sofort“ auf die Kosten beschränkt, also die Beschlussverfügung anerkannt worden. Der bis zur Einlegung des Kostenwiderspruchs verstrichene Zeitablauf ist unschädlich. Denn der Rechtsbehelf des Widerspruchs (und damit auch des Kostenwiderspruchs) ist – abgesehen von (hier nicht einschlägigen) Verwirkungsaspekten – unbefristet möglich (vgl. Hess a.a.O. Rdn. 148).

Um also den Vorteil des § 93 ZPO zu wahren, muss der Kostenwiderspruch zwar „sofort“ als solcher bezeichnet werden, darf also insbesondere nicht zunächst als „(Voll-) Widerspruch“ eingelegt worden sein (Hess a.a.O. Rdn. 152). Er muss aber nicht sogleich nach der Zustellung der Beschlussverfügung eingelegt werden (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdn. 205, m.w.N.).

IV.
Die Antragsgegnerin hat nicht zur Einleitung des Eilverfahrens „Veranlassung“ i.S. von § 93 ZPO gegeben. Dies gibt regelmäßig nicht schon, wer das Recht verletzt, sondern nur, wer trotz Abmahnung kein strafbewehrtes Unterlassungsversprechen abgibt (vgl. Hess a.a.O. Rdn. 4 m.w.N.). An einer vorgerichtlichen Abmahnung der Antragsgegnerin fehlt es indes.

Eine solche Abmahnung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Unzumutbarkeitsgesichtspunkte (dazu Hess a.a.O. Rdn. 20, 21 m.w.N.) sind nicht ersichtlich. Es ist auch nicht so, dass nachträgliches Verhalten der Antragsgegnerin zeigt, dass eine Abmahnung nutzlos (dazu Hess a.a.O. Rdn. 22 m.w.N.) gewesen wäre. Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegnerin sich bei einer Abmahnung nicht binnen angemessener Frist unterworfen hätte, bestehen nicht, im Gegenteil: Die Antragsgegnerin lässt nunmehr den gegen sie gerichteten Unterlassungsanspruch kraft Abschlusserklärung bzw. kraft Kostenwiderspruch in vollem Umfang gelten (s.o.). Soweit ihr hier ein „zögerliches“ Verhalten vorwerfbar sein sollte, betrifft das einen Zeitpunkt, als ein Gerichtsverfahren ohnehin schon eingeleitet und eine einstweilige Verfügung ergangen war. Daraus den Schluss zu ziehen, die Antragsgegnerin hätte auch bei einer vorgerichtlichen Abmahnung nur entsprechend „zögerlich“ reagiert und demnach auch dann ein Gerichtsverfahren verursacht, erscheint demgegenüber spekulativ und nicht gerechtfertigt.

V.
Soweit das Landgericht (von seinem Standpunkt aus folgerichtig) der Antragsgegnerin weitere Kosten wegen der Rücknahme des Teilwiderspruchs entsprechend § 516 Abs. 3 ZPO auferlegt hat, ist auch dies – jedenfalls mit Blick auf § 92 Abs. 2 ZPO – zu ändern. Dieser Widerspruch ging – wie ausgeführt – materiell von vornherein ins Leere und wirkte sich demzufolge auf die Höhe der entstandenen Verfahrenskosten nicht aus.

B.
Die Entscheidung über die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO nach Maßgabe der in erster Instanz bis zur Widerspruchseinlegung entstandenen Verfahrenskosten.

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