KG Berlin: Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Abmahnung

veröffentlicht am 27. Juli 2017

KG Berlin, Beschluss vom 04.04.2017, Az. 5 W 31/17
§ 12 Abs. 1 S. 1 UWG; § 93 ZPO

Das KG Berlin hat in diesem Beschluss die Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung zusammengefasst. Danach müsse der den Vorwurf begründende Sachverhalt genau angegeben und der Verstoß klar und eindeutig bezeichnet sein. Zudem müssten in einer Abmahnung immer gerichtliche Schritte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs angedroht werden. Eine rechtlich einwandfreie Begründung oder ein vorformuliertes Unterlassungsversprechen seien hingegen nicht erforderlich. Die Frist müsse angemessen sein, welches das KG bei einer Wochenfrist im Wettbewerbsrecht als problemlos gegeben ansah. Zum Volltext der Entscheidung:


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Kammergericht Berlin

Beschluss

1.
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird das Urteil der Kammer für Handelssachen 102 des Landgerichts Berlin vom 29. November 2016 – 102 O 59/16 – abgeändert:

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 30. März 2016 – 102 O 59/16 – wird im Kostenpunkt bestätigt.

2.
Die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

3.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.020 €.


Gründe


I.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist entsprechend § 99 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 569 ZPO zulässig (vgl. Senat Magazindienst 2011, 607 ff.; Hess in: Ullmann, jurisPK-UWG, 4. Aufl., § 12 Rn. 204 m.w.N.) und hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht auf den Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin hin die einstweilige Verfügung im Kostenpunkt aufgehoben und in Anwendung von § 93 ZPO die Kosten dem Antragsteller auferlegt. Die Vorschrift greift nicht, denn die Antragsgegnerin hat Veranlassung zur Einleitung des Eilverfahrens gegeben, da sie sich auf das vorgerichtliche Schreiben des Antragstellers vom 4. März 2016 hin (Anlage A 7) nicht unterworfen hat. Anders als das Landgericht hält der Senat dieses Schreiben für eine ordnungsgemäße Abmahnung i.S. von § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG.

1.
Die Abmahnung muss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird (vgl. OLG Düsseldorf WRP 2012, 595, 596; OLG Köln GRUR-RR 2014, 80, 82; OLG Stuttgart WRP 1996, 1229, 1230), für das die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verlangt wird (Senat WRP 2012, 1562 [KG Berlin 20.07.2012 – 5 U 90/11]). Auch wenn der Gläubiger Unterlassung nicht nur der konkreten Verletzungsform begehrt, muss er doch den Anlass der Beanstandung ganz konkret bezeichnen, damit der Schuldner weiß, was genau für den Gläubiger den Stein des Anstoßes bildet (Hess a.a.O. Rn. 7; vgl. auch OLG Köln GRUR-RR 2014, 80, 82). Um ihren Zweck zu erfüllen, muss in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, also die begangene Handlung, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet sein, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (OLG Düsseldorf WRP 2012, 595, 596; vgl. ferner OLG Jena Magazindienst 2013, 548; OLG Saarbrücken v. 16.03.2015 – 1 W 7/15 – juris). Weder muss aber die Abmahnung eine rechtlich einwandfreie Begründung enthalten noch ein vorformuliertes Unterlassungsversprechen (Senat v. 22.11.2016 – 5 U 89/15 – juris Rn. 62 m.w.N.). In der Abmahnung sind ferner gerichtliche Schritte für den Fall des fruchtlosen Ablaufs einer zu setzenden angemessenen Frist anzudrohen (BGH GRUR 2007, 164, [BGH 01.06.2006 – I ZR 167/03] Rn. 12 – Telefax-Werbung II; Hess a.a.O. Rn. 11 m.w.N.).

2.
In Anwendung vorstehender Grundsätze handelt es sich bei besagtem Schreiben um eine wirksame, das Kostenrisiko des § 93 ZPO ausschaltende, Abmahnung.

a)
Der Antragsteller hat in dem Schreiben der Antragsgegnerin klar und eindeutig vor Augen geführt, welches konkrete Verhalten beanstandet wird. Auf Seite 1 unten / Seite 2 oben wird die beanstandete Werbung der Antragsgegnerin mit exakter Internetanschrift und vollständigem Textzitat angeführt.

b)
Das Schreiben enthält auch eine rechtliche Begründung, und zwar keineswegs nur hinsichtlich eines vertraglichen, sondern auch hinsichtlich eines gesetzlichen Unterlassungsanspruchs. Das folgt aus Seite 3 Abs. 2 Satz 1, wonach „ferner Unterlassung auf Grundlage der bereits in der Abmahnung benannten gesetzlichen Anspruchsnormen“ verlangt werden könne. Anders als das Landgericht meint der Senat, dass damit bei verständiger, gesamtkontextbezogener Würdigung auch für die Antragsgegnerin ersichtlich nur die – den Unterlassungsvertrag initiierende – Abmahnung vom 25. Februar 2014 (Anlage A 2) gemeint gewesen sein kann, die eine ausführliche rechtliche Begründung unter Anführung der einschlägigen Vorschriften enthielt.

c)
Das Schreiben gibt der Antragsgegnerin auch, wie von § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG vorgegeben, Gelegenheit, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen, und zwar auf Seite 3 Abs. 2 Satz 2, wonach die Antragsgegnerin entweder ihre bereits abgegebene Unterlassungserklärung mittels Vertragsstrafenerhöhung modifizieren oder aber eine weitere hinreichend strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben möge, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen.

d)
In dem Schreiben werden ferner auch gerichtliche Schritte für den Fall des fruchtlosen Ablaufs einer gesetzten angemessenen Frist angedroht. Denn unmittelbar im Anschluss an besagtes Unterwerfungsverlangen heißt es:

„Falls diese Frist ergebnislos verstreicht, besteht Veranlassung, gerichtlich vorzugehen.“

Bei verständiger, kontextbezogener, Würdigung ist hinreichend deutlich, dass mit „diese Frist“, keine andere als die zuvor im Schreiben (Seite 2, vorletzter Absatz) angeführte Frist („11. März 2016“) gemeint gewesen sein kann. Diese war – als Wochenfrist – auch angemessen (vgl. OLG Stuttgart Magazindienst 2004, 1063; Hess a.a.O. Rn. 12).

II.
Die Entscheidung über die weiteren Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Wertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO nach Maßgabe der in erster Instanz bis zur Kostenwiderspruchseinlegung entstandenen Verfahrenskosten (vgl. Hess a.a.O. Rn. 203 m.w.N.).

Vorinstanz:
LG Berlin, Az. 102 O 59/16

I