LG Amberg: Die Teilnahme an einem Gewinnspiel darf nicht von dem Erwerb von Waren abhängig gemacht werden

veröffentlicht am 13. Februar 2013

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Amberg, Urteil vom 12.07.2010, Az. 41 HKO 1180/09
§ 3 UWG, § 4 Nr. 6 UWG, Art. 1 29/200
EG RL, Art. 1ff 29/2005 EG RL

Das LG Amberg hat entschieden, dass im geschäftlichen Verkehr Gewinnspiele wettbewerbswidrig sind, nach denen der Verbraucher auf einem auf dem Kassenbon aufgedruckten Gewinncoupon Name, Straße, Ort und Telefonnummer eintragen und den Kassenbon nach der Vervollständigung in eine Gewinnbox in der Filiale einwerfen soll. Die Teilnahme an dem Gewinnspiel dürfe nicht von dem Erwerb von Waren abhängig gemacht werden. Zum Volltext der Entscheidung:


Landgericht Amberg

Urteil

1. Der Beklagten wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten – Ordnungsgeld auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann – wegen jeder Zuwiderhandlung untersagt, im geschäftlichen Verkehr die Teilnahme an Gewinnspielen dadurch zu ermöglichen, dass der Gewinncoupon, in den der Verbraucher Name, Straße, Ort und Telefonnummer eintragen soll, auf den Kassenbon aufgedruckt wird und der Verbraucher diesen, nämlich den Kassenbon nach der Vervollständigung in eine Gewinnbox in der Filiale einwerfen soll.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung nach §§ 8, 4 Nr. 6, 3 UWG geltend.

Der Kläger ist mit Wirkung zum 01.01.2001 in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 22 a des AGB-Gesetzes eingetragen.

Die Beklagte betreibt im gesamten Bundesgebiet eine Vielzahl von Filialen im Lebensmittel-Einzelhandel.

In ihrem Werbeprospekt, gültig für die Zeit von Montag, 07.09.2009 bis Samstag, 12.09.2009, lobte die Beklagte eine Vielzahl von zum Teil sehr wertvollen Preisen (u. a. Mercedes E-Klasse sowie zwei weitere Pkw’s) aus.

In dem Prospekt ist u. a. aufgenommen:

„So einfach gewinnen Sie: Tragen Sie Ihre Adresse auf Ihrem Kassenbon ein und werfen Sie den Bon in die Gewinnbox in Ihrer Filiale“.

Abgebildet ist daneben ein Kassenbon, auf dem der Gewinncoupon zum Ausfüllen abgedruckt ist.

Mit Schreiben vom 05.11.2009 wurde die Beklagte vom Kläger abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert. Dies wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 27.11.2009 abgelehnt.

Der Kläger trägt vor, der Warenabsatz wäre im vorliegenden Fall mit dem Gewinnspiel in rechtswidriger Weise verknüpft, so dass eine unerlaubte geschäftliche Handlung vorliege. Vorliegend steht § 4 Nr. 6 UWG auch nicht der Richtlinie 2005/29 EG entgegen, da bei dem streitgegenständlichen Gewinnspiel besondere Umstände gegeben seien. Durch die Rückgabe des Kassenbons zum Zwecke der Teilnahme am Gewinnspiel könne der Verbraucher den Nachweis des Erwerbs bei der Beklagten zum Zwecke möglicher Gewährleistungsansprüche nicht mehr führen. Eine Trennung von Kassenbon und Gewinncoupon sehe die Auslobung jedoch nicht vor.

Der Kläger beantragt daher:

1. Der Beklagten wird untersagt, im geschäftlichen Verkehr die Teilnahme an Gewinnspielen dadurch zu ermöglichen, dass der Gewinncoupon, in dem der Verbraucher Name, Straße, Ort und Telefonnummer eintragen soll, auf den Kassenbon aufgedruckt wird und der Verbraucher diesen, nämlich den Kassenbon, nach Vervollständigung in eine Gewinnbox in der Filiale einwerfen soll.

2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 € (ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Wochen) oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, § 4 Nr. 6 UWG stehe der Richtlinie 2005/29 EG entgegen und sei daher nicht anzuwenden. Besondere Umstände lägen nicht vor, welche das streitgegenständliche Gewinnspiel als unlauter erscheinen ließen. Eine Teilnahme am Gewinnspiel hätte auch dadurch erfolgen können, dass der Verbraucher nur den Gewinncoupon in die Gewinnbox einwirft.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst übergebener Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und auch begründet.

I.
Das Landgericht Amberg, Kammer für Handelssachen, ist gem. §§ 94, 95 Abs. 1 Nr. 5 GVG, 1217 ZPO örtlich und sachlich zuständig.

II.
Der Kläger ist gem. § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Ziff. 3 UWG prozessführungsbefugt.

III.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung gem. §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Ziff. 3, 3, 4 Nr. 6 UWG zu.

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Nr. 6 UWG sind erfüllt.

Bei der streitgegenständlichen Aktion wird die Teilnahme an dem Gewinnspiel von dem Erwerb von Waren abhängig gemacht.

Nach dem Vortrag beider Parteien war der Gewinncoupon auf dem Kassenbon abgedruckt. Um also an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können, musste der Verbraucher zunächst Waren bei der Beklagten erwerben. Eine andere Möglichkeit zur Teilnahme am Gewinnspiel bestand nicht.

Nach dem Urteil des EUGH vom 14.01.2010 widerspricht die Regelung des § 4 Nr. 6 UWG jedoch der Richtlinie 2005/29 EG, da diese für Frage der Unlauterkeit allein auf die Frage der Koppelung zwischen Warenabsatz und Gewinnspiel abstellt, ohne Berücksichtigung besonderer Umstände.

Die geschäftliche Handlung der Beklagten ist aber auch unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des EUGH als unlauter anzusehen.

Nach der Richtlinie ist eine Geschäftspraxis dann als unlauter anzusehen, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet, wesentlich beeinflusst und dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Berufliche Sorgfalt ist der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, bei der in billiger Weise davon ausgegangen werden kann, dass der Gewerbetreibende sie gegenüber dem Verbraucher gemäß den anständigen Marktgepflogenheiten und/oder dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben in seinem Tätigkeitsbereich anwendet.

Berufliche Sorgfalt im vorliegenden Fall hätte erfordert, dass der Verbraucher, der sich durch die Weggabe seines Kassenbons der Möglichkeit des Nachweises seiner Gewährleistungsansprüche begibt, ausdrücklich auf diesen Umstand hingewiesen wird oder aber entsprechend darauf hingewiesen wird, dass Kassenbon und Gewinncoupon getrennt werden müssen zur Teilnahme am Gewinnspiel. Beides ist nicht erfolgt. Dies führt zu einer konkreten Gefährdung von Verbraucherinteressen durch unsachliche Beeinflussung.

Soweit die Beklagte vorträgt, dass eine Teilnahme am Gewinnspiel auch durch Einwerfen lediglich des abgetrennten Gewinncoupons möglich gewesen wäre, widerspricht dies der Auslobung im streitgegenständlichen Prospekt. Dort ist zwischen Kassenbon und Gewinncoupon unterschieden und ausdrücklich verlangt „Werfen Sie den Bon ein“ und nicht den Gewinncoupon.

Es liegt auch keine unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs vor. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beklagten um ein gerichtsbekannt großes überregional tätiges Unternehmen handelt, von der streitgegenständlichen Aktion zahlenmäßig nicht nur ein geringfügiger Kundenkreis angesprochen wird und die ausgelobten Preise nicht als geringfügig zu bezeichnen sind.

Dem Unterlassungsanspruch war deshalb im vollen Umfange stattzugeben.

IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

I