LG Augsburg: Äußerungen von Nutzern des Onlineforums einer Zeitung unterfallen nicht der Pressefreiheit

veröffentlicht am 6. Mai 2013

LG Augsburg, Beschluss vom 19.03.2013, Az. 1 Qs 151/13
§ 53 Abs. 1 StPO, § 97 Abs. 5 S. 1 StPO, § 160a Abs. 2 StPO

Das LG Augsburg hat entschieden, dass Beiträge von Nutzern im Onlineforum einer Zeitung nicht der Pressefreiheit unterfallen und der Herausgeber der Zeitung diesbezüglich kein Zeugnisverweigerungsrecht geltend machen kann. Im Gegensatz zu abgedruckten Leserbriefen unterfielen solche Äußerungen nicht dem Schutzbereich des § 53 StPO, da eine redaktionelle Aufbereitung der Beiträge nicht stattfinde. Sie würden weder überarbeitet noch vor Veröffentlichung überprüft. Zum Volltext der Entscheidung:

Landgericht Augsburg

Beschluss

1.
Auf die Beschwerde der „Presse Druck- und Verlags-GmbH“, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R…-G… vom 06.02.2013 wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 15.01.2013 materiell rechtswidrig ist.

2.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 15.01.2013 (Bl. 21 ff d. A.) erließ das Amtsgericht Augsburg einen Beschluss zur Durchsuchung der Geschäftsräume mit Nebenräumen der „A. Zeitung“ gem. §§ 103, 105 Abs. 1 und 162 Abs. 1 StPO. Dieser Beschluss wurde am 28.01.2013 einem Verantwortlichen der Beschwerdeführerin vorgelegt (Bl. 27/32 d. A.). Darauf erfolgte die Aushändigung der im Beschluss genannten Daten mit Ausnahme der IP-Adresse des Nutzers „b…“ ohne Durchsuchung mit dem Vermerk „ohne Zustimmung“ (Bl. 31 d. A.).

Gegen diesen Beschluss legte die „Presse Druck- und Verlags-GmbH“, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R-Gl am 06.02.2013 Beschwerde ein, die mit Rechtsanwaltsschriftsatz vom 25.02.2013 begründet wurde (Bl. 46 ff d. A.).

Das Amtsgericht Augsburg hat der Beschwerde mit Entscheidung vom 08.03.2013 (Bl. 63 d. A.) nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1.
Der angefochtene Beschluss ist formell rechtmäßig ergangen.

a.
Die Bezeichnung der Person, gegen die sich die Maßnahme nach §§ 103, 105 Abs. 1 und 162 Abs. 1 StPO richtet, genügt den gesetzlichen Anforderungen.

Der angefochtene Beschluss ermächtigt zur Durchsuchung der „Geschäftsräume mit Nebenräumen der A Zeitung, …Str., A.“. Zwar ist die „A. Zeitung“ keine juristische Person im Rechtssinne. In dem Impressum auf der Homepage der A., auf der der in der Strafanzeige vom 15.10.2012 genannte Beitrag des Users „b…“ vom 09.10.2012 veröffentlich wurde, ist die „A. Zeitung, …-Str., A.“ unter dieser Bezeichnung explizit aufgeführt. Damit tritt sie im Rechtsverkehr wie eine juristische Person auf und kann auch Dritte gemäß § 103 StPO sein.

b.
Der angefochtene Beschluss enthält ausreichende Ausführungen zu der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen.

Er sieht die Beschlagnahme der Gegenstände nur für den Fall vor, dass keine freiwillige Herausgabe erfolgt. Weiterhin wird die Herausgabe einer Datensicherungskopie als ausreichend erachtet. Auch das Verhältnis zwischen angeordneten Maßnahmen und „Schwere der Tat und Stärke des Tatverdachts“ sowie zur Notwendigkeit für die Ermittlungen wird im Beschluss angesprochen. Die formellen Anforderungen an die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit sind daher gewahrt.

c.
Eine Beschlagnahmefreiheit der im Beschluss genannten Daten gem. § 97 Abs. 5 S. 1 StPO besteht nicht, da der Beschwerdeführerin kein Zeugnisverweigerungsrecht gem. §§ 160 a Abs. 2, 53 Abs. 1 S.1 Nr. 5 StPO zusteht. Zwar unterfällt die Beschwerdeführerin als Herausgeberin einer Zeitung grundsätzlich dem Schutzbereich des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 StPO. Jedoch ist dieser Schutzbereich gemäß § 53 Abs. 1 S. 3 StPO nur dann eröffnet, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen, Mitteilungen und Materialen für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste handelt. Zwar sind in einer Zeitung gedruckte Leserbriefe nach ständiger Rechtsprechung dem redaktionellen Bereich zuzuordnen (BVerfG 36, 193, 204).

Dies gilt aber nicht für Beiträge von Nutzern in einem Onlineforum. Eine redaktionelle Überarbeitung, die die Zuordnung von Leserbriefen zum redaktionellen Bereich einer Zeitung begründet, findet in den Fällen der Einstellung eines Beitrags in ein Onlineforum gerade nicht statt. Vielmehr erfolgt die Einstellung eines solchen Beitrags durch den Nutzer selbst, ohne dass eine Überarbeitung durch die Redaktion oder eine Prüfung der Einträge vor Veröffentlichung erfolgt. Eine vom Gesetz gem. § 53 Abs. 1 S. 3 StPO geforderte „Aufbereitung“ der Onlinebeiträge findet daher gerade nicht statt.

Dies zeigt sich im vorliegenden Fall auch darin, dass der gegenständliche Beitrag erst nach einem Hinweis des Anzeigeerstatters inhaltlich geprüft und gelöscht wurde. Hätte eine redaktionelle Kontrolle stattgefunden, wäre diese inhaltliche Kontrolle bereits vor der Veröffentlichung erfolgt.

Bestätigt wird diese Ansicht auch durch § 7 Abs. 2 TMG, der Diensteanbieter wie die Beschwerdeführerin in ihrer Haftung privilegiert, mit der Folge, dass diese nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten und gespeicherten Informationen in Foren zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Weiterhin sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Durchsuchungen bei Presseangehörigen, die dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln, unzulässig (BVerfG NJW 2007, 1117).

Jedoch ist ein Nutzer, der einen Forumsbeitrag veröffentlicht, kein „Informant“ im Sinne dieser Rechtsprechung, denn er arbeitet keinem redaktionell tätigen Pressemitarbeiter zu. Somit wird der verfassungsrechtlich geschützte Schutzbereich des Redaktionsgeheimnisses nicht berührt.

Weiterhin liegt kein Vertrauen des Nutzers des Internetforums dahingehend vor, dass sein Eintrag vertraulich behandelt werden wird. Aus den Nutzungsbedingungen des Forums ergibt sich, dass der Nutzer eigenverantwortlich für die Beiträge ist und die Beschwerdeführerin keine Verantwortung übernimmt.

So heißt es in den Nutzungsbedingungen der Beschwerdeführerin:

„7.1. Der Nutzer ist für die von ihm eingestellten Beiträge allein verantwortlich. Die Betreiberin vermittelt lediglich den Zugang zu diesen Beiträgen.

(…)

9.1. Die Betreiberin erklärt ausdrücklich, dass es sich bei den im Forum veröffentlichten Beiträgen nicht um eigene Beiträge handelt, sie sich den Inhalt einzelner Beiträge nicht zu eigen macht und sich vom Inhalt der Beiträge distanziert.“

Insgesamt ist daher festzustellen, dass für die Beiträge im Forum der Beschwerdeführerin eine Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 Abs. 5 S. 1 StPO nicht besteht, da der Anwendungsbereich der Pressefreiheit gem. §§ 160 a Abs. 2, 53 Abs. 1 S.1 Nr. 5 StPO nicht eröffnet ist und der angegriffene Beschluss daher insgesamt formell rechtmäßig ist.

2.
In materieller Hinsicht ist der angefochtene Beschluss rechtswidrig.

Voraussetzung einer Durchsuchungsanordnung nach § 103 StPO ist zwar entgegen der Ansicht des Vertreters der Beschwerdeführerin nicht, dass „eine Straftat“ vorliegt. Vielmehr ist Voraussetzung des Erlasses eines materiell rechtmäßigen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses, dass ein „Anfangsverdacht einer Straftat“ besteht.

Die von dem Nutzer „b…“ in seinem Beitrag vom 09.10.2012 getätigte Äußerung „Dieser X… verbietet sogar erwachsenen Männern ihr Feierabendbier ab 20.00Uhr indem er geltendes Recht beugt und Betreiber massiv bedroht!“ begründet aber einen solchen Anfangsverdacht hinsichtlich einer Beleidigung gem. § 185 StGB nicht.

Diese Äußerung ist im Gesamtzusammenhang mit der öffentlichen Diskussion zu sehen und zu bewerten. Aus dieser ergibt sich in einer Gesamtschau mit der Presseberichterstattung über die Haltung des Ordnungsreferenten der Stadt Augsburg zu einer Sperrbezirksvergrößerung und einem Verkaufsverbot alkoholischer Getränke in Tankstellen, dass lediglich eine subjektive Bewertung dieser Vorgänge durch den Nutzer „b…“ vorliegt. Der Umstand, dass diese in formell herabwürdigender Form erfolgte, hat im Hinblick darauf zurückzustehen, dass bei wertender Betrachtung des Gesamtbeitrags die Auseinandersetzung in der Sache und nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Dem Nutzer „b…“ geht es primär darum, die von ihm als zu restriktiv empfundene Haltung des Ordnungsreferenten zu kritisieren. Bei Äußerungen zu politischen Themen in der Öffentlichkeit ist der straffreie Bereich weiter zu fassen als bei Angriffen in der Privatsphäre, so dass in diesem auch scharfe und übersteigerte Äußerungen als Ausdruck der Meinungsfreiheit geschützt werden (BVerfGE 24, 278 ff; 54, 129 ff).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 a S. 1 StPO.

Auf das Urteil hingewiesen hat openjur.de (hier).

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