LG Berlin: Auch ein realsatirisches Weblog betreibt bei einem unzutreffenden Sachbericht üble Nachrede

veröffentlicht am 13. September 2009

Rechtsanwalt Dr. Ole DammLG Berlin, Urteil vom 18.06.2009, Az. 27 O 221/09
§§ 823, 824, 1004 Abs. 1 Satz 2 analog BGB, Art. 2 Abs. 1 GG

Das LG Berlin hat einen Blog-Betreiber dazu verurteilt, es zu unterlassen, zu behaupten, die Klägerin stelle ihren Kunden Gratiszugänge in Rechnung und versuche, diese Rechnungen mit Hilfe von Inkassobüros durchzusetzen. Die Klägerin vertrat die Auffassung, der Beklagte habe ein kostenpflichtiges Vollpaket gebucht, wie sich aus der Übereinstimmung seiner Wohnadresse, der Telefonnummer und Bankverbindung mit seiner Anmeldung ergebe. Sie meinte, die Behauptung, sie verlange auch für das Gratispaket eine Gebühr, verletze sie in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Die Behauptung sei für sie höchst geschäftsschädigend, zumal der streitgegenständliche Eintrag bei der Eingabe ihres Angebots „…“ bei einer Suchmaschine weit oben in der Trefferliste angezeigt werde und ihre potentiellen Kunden sich gerade im Internet über ihr Produkt informieren würden.

Vorliegend, so die Kammer, nehme der unbefangene Durchschnittsleser ungeachtet der Bezeichnung der Veröffentlichung als „realsatirisches Weblog“ mit „kühnen Beiträgen, fragwürdigen Glossen, verzweifelten Interviews, seltsamen Kommentaren …“ an, dass der Darstellung des Beklagten in Bezug auf das Geschäftsgebaren der Klägerin ein tatsächlich von ihm erlebter Sachverhalt zugrunde liege. Denn er berichte von seinen eigenen Erfahrungen, so dass der Leser davon ausgehen müsse, dass sich der geschilderte Vorgang tatsächlich zugetragen habe.

Der Schutz der Meinungsfreiheit für Tatsachenbehauptungen ende dort, wo sie zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Meinungsbildung nichts beitragen könnten. Unter diesem Gesichtspunkt seien erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst ( BVerfG NJW 1992, 1439, 1440 m.w. Nachw.).

Grundsätzlich habe der Anspruchsteller eines Unterlassungsanspruches im Rechtsstreit die Unrichtigkeit der ihn betreffenden ehrverletzenden Äußerungen erforderlichenfalls zu beweisen. Im Äußerungsrecht sei dabei anerkannt, dass bei ehrrührigen Behauptungen den Äußernden unabhängig von der Beweislast eine erweiterte Darlegungslast treffe( BGH NJW 1974, 710). Diese erweiterte Darlegungslast werde zu einer echten Umkehr der Beweislast, wenn Streitgegenstand eine üble Nachrede sei. Nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB treffe den Äußernden die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass seine ehrbeeinträchtigenden Behauptungen wahr seien ( BGH NJW 1996, 1131, 1133; NJW 1985, 1621, 1622), es sei denn, der Störer könne sich auf die Wahrnehmung eines berechtigten Informationsinteresses berufen. Liege dieses vor und habe der Störer die dabei erforderliche Sorgfalt beachtet, sei in der Regel der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB gegeben. Dieser nehme gegebenenfalls dem Störer das Risiko der Unwahrheit der Information ab. Dies habe zur Folge, dass die aus § 186 StGB folgende Beweislastumkehr entfiele, so dass die Beweislast wie im Regelfall den Verletzten träfe ( BGH NJW 1985, 1621, 1622).

Nach diesen Grundsätzen treffe hier die Beweislast den Beklagten, da seine Behauptung, die Klägerin kassiere von ihren Kunden auch für Gratis-Tests des Programms Beiträge, eine üble Nachrede darstelle. Der Beklagte habe nicht dargelegt, dass die Klägerin tatsächlich eine derartige Geschäftspraxis betreibe.

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